Brauerei Jedlesee und die Familien Bosch, Dengler und Mautner Markhof
Die Jedleseer Brauerei war die erste Brauerei in Floridsdorf, die später mit den Brauereien der Familie Mautner Markhof fusioniert wurde. Sie wurde 1787 von Anton Freiherr von Störck, dem Leibarzt von Maria Theresia gegründet, nachdem er 1778 die Herrschaft mit dem dazugehörigen Herrschaftshaus gekauft hatte. Da er als Arzt vermutlich um die gesundheitsfördernde Wirkung von Bier Bescheid wusste, errichtete er in der Prager Straße 84 das „Herrschaftliche Brauhaus zu Jedlesee“. 1790 erwarb Josef Obergfell Freiherr von Grechtler das Grundstück und damit die Brauerei, danach folgten noch weitere Besitzerwechsel, die nicht ausreichend dokumentiert sind.
1815 wurde das Brauhaus von Anton Bosch, dem Sohn eines bayrischen Brauherren des Fürsten Oettingen-Wallerstein, übernommen. Anton Bosch war auf seiner Walz nach Jedlesee gekommen, arbeitete dort als Kellerknecht, kehrte nach Wallerstein zurück, um das Braugewerbe zu erlernen und danach die Tochter von Jakob Wohl, dem Betreiber des Spitzer Wirtshauses* und damaligen Eigentümer der Brauerei Jedlesee heiraten zu können. Bosch begann die bestehenden Anlagen zu modernisieren, baute ein neues Sudhaus und eine Mälzerei und die dadurch verbesserten Biersorten erfreuten sich alsbald größter Beliebtheit. Auch konnte die monatliche Produktion von 800 auf bis zu 10.000 Eimer (ca. 6.400 hl) gesteigert werden. 1823 baute er das Wohnhaus in der Prager Straße 84 im klassizistischen Stil um, und als 1830 die große Überschwemmung die Häuser in Jedlesee zerstörte, rettete er hunderten Menschen das Leben, indem er ihnen Schutz im oberen Stockwerk des Hauses bot. Auch sonst half er der örtlichen Bevölkerung in vielen Belangen und erhielt dafür als Ehrung vom Kaiser die Bierzollfreiheit nach Wien. 1834 beschäftigte er 25 Arbeiter und war 1837/38 mit 112.000 Eimer der größte Bierhersteller der Stadt. Auch war Anton Bosch war von 1851 – 1853 erster Ortsvorsteher von Jedlesee. Als er 1868 starb, hatte sein ältester Enkel Anton (Sohn von Boschs Tochter Theresia und Johann Franz Dengler) die Brauerei bereits übernommen und modernisierte erneut die Anlagen.
Anton Dengler, verheiratet mit der Münchner Brauertochter Elisabeth Pschorr, führte das Unternehmen sehr erfolgreich und machte daraus einen industriellen Großbetrieb. 1877 baute er in Langenzersdorf einen Lagerkeller, der als einer der größten Europas galt. 1899 wurde im Anschluss an das Wohnhaus (Prager Straße78/Ecke Hopfengasse, die Häuser Nummer 80 und 82 waren einstöckige Wohnhäuser für Brauereiangestellte) die Brauhausrestauration Zum Gambrinus, benannt nach dem Schutzheiligen der Bierbrauer, eröffnet. 1900 übernahm sein Sohn Rudolf Dengler die Brauerei. Bereits 1902 beschäftigte dieser über 200 Angestellte, die 130.000 hl produzierten. 1906 kaufte er den Magdalenenhof am Bisamberg und errichtete 1911 daneben eine Villa, die seiner Mutter als Altersitz diente.
1921 wurde Jedlesee in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, welche unter Rudolf Dengler AG firmierte. 1928/29 kam es in Folge der Weltwirtschaftskrise schließlich zur Fusion mit den Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering. Nach einem Aktientausch wurde sie 1930 stillgelegt und ihr Hauptaktionär Wolfgang Bosch bekam neben einem Aktienpaket ebenfalls einen Sitz im Verwaltungsrat. Er war der letzte Nachkomme einer Brauherrendynastie, die gemeinsam mit der verschwägerten Familie Dengler mehr als 100 Jahre in Jedlesee tätig gewesen war.
1978 wurden das alte Haus Prager Straße 84 und die ehemals zur Brauerei gehörigen Häusern Nummer 82 und 80 abgerissen, sie hatten sich zuletzt im Besitz der Glasfabrik Lutzky & Co. befunden. 1980 folgte auch der Bierlagerkeller. Das Haus Nummer 78 ist der letzte Überrest der Jedleseer Brauerei.
*Der erste Stock im Wirtshaus am Spitz bot einen Schutzraum für die Anrainer, wenn die Donau wieder einmal über die Ufer trat. Ab 1887 diente das Lokal, das seine Gäste einfachheitshalber „Spitzwirtshaus“ nannten, außerdem auch als Gemeindehaus der Ortsgemeinde Floridsdorf und in den Jahren von 1894 bis 1901 der Großgemeinde Floridsdorf, die – ebenso wie die Reichshauptstadt Wien – immer noch in Niederösterreich lag. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man für Floridsdorf jedoch plötzlich größere Pläne. Sollte Wien wie beabsichtigt Reichsunmittelbarkeit erlangen, also direkt dem Kaiser unterstellt und damit von Niederösterreich getrennt werden, dann (so der Wunsch des Statthalters des Erzherzogtums Unter der Enns, Erich von Kielmansegg) sollte Floridsdorf die neue Hauptstadt von Niederösterreich werden. Da eine Landeshauptstadt in spe selbstverständlich auch ein repräsentatives Rathaus braucht, wurde das alte Wirtshaus geschliffen und zwischen 1901 und 1903 unter dem Floridsdorfer Bürgermeister Anton Anderer (1857 – 1936) das heutige Bezirksamt errichtet. Das viergeschossige Floridsdorfer Rathaus im barock-klassizistischen Stil nach dem preisgekrönten Entwurf der Architekten Josef und Anton Drexler besaß ursprünglich auch einen weithin sichtbaren Uhrturm, der im Zweiten Weltkrieg jedoch durch Bomben zerstört und danach nicht mehr wiedererrichtet wurde. In der Erdgeschoßzone sollten kleine Geschäfte und Lokale daran erinnern, dass an dieser Stelle einst ein Gasthaus stand.