Neben meiner Tätigkeit in der Brauerei war ich schon immer sehr an Werbung und Marketing interessiert gewesen. Dass ich 1952 gemeinsam mit meinem Vetter Herbert Mittag die Werbeagentur HAGER Gesellschaft KG gründete, ist aber eher auf einen Zufall und die Erfahrungen aus meinem Auslandsjahr in den Vereinigten Staaten zurückzuführen. Dort gab es bereits 1948 Agencies, während wir hier in Österreich gerade einmal auf Plakaten warben. Nachhaltig beeindruckt hat mich jedoch ein spezielles Erlebnis in den USA: Als ich mein Austauschjahr anging, brachte ich, natürlich in dem Glauben, ich könnte ohne meine eigene Zahnpasta nicht überleben, einen respektablen Vorrat an Zahnpasta mit. Irgendwann gingen mir jedoch auch diese Vorräte zu Ende. So musste ich also in einen Drugstore, um dort eine Zahnpasta zu kaufen. Der Verkäufer lud mich ein, mir doch eine Sorte auszusuchen. Da lag also eine Reihe an verschiedenen Zahnpasten unter einer Glasvitrine. Eine von ihnen stach mir dabei ins Auge, weil ich mich erinnerte, dass jeden Samstag, wenn die Met im Radio übertragen wurde, in den Übertragungspausen für diese Zahnpasta Werbung gemacht wurde, und diese Werbung hat mir offensichtlich gefallen. Also kaufte ich genau diese Zahnpasta, eine Colgate, die ich dann auch die nächsten 40 Jahre verwendete. Im Nachhinein war ich sehr beeindruckt davon, was Werbung vermochte, und diesen Erfolg wollte ich gerne in einer eigenen Werbeagentur wiederholen. In meinen ersten Jahren in der Brauerei Schwechat war ich auch für das Marketing zuständig gewesen. Sehr schnell musste ich feststellen, dass es in Österreich keine einzige Werbeagentur gab, also fuhr ich die USA und führte ein Gespräch mit der größten amerikanischen Werbeagentur J. Walter Thompson. Die jedoch war nicht gewillt, unter einem Umsatz von einer Million Dollar ein Office in Österreich aufzumachen. Daraufhin beschloss ich gemeinsam mit meinem Vetter Herbert Mittag, eine eigene Werbeagentur zu gründen. Waren anfangs noch die Brauerei Schwechat und die Simmeringer Betriebe beteiligt, so trennten wir diese beiden Schienen recht bald voneinander und wollten auch durch den Namen „Hager“ Unabhängigkeit beweisen. Der Name „Hager“ wurde einer Tochtergesellschaft der Brauerei Schwechat entlehnt. Tochtergesellschaften waren gegründet worden, weil es den Brauereien im Krieg untersagt gewesen war, mehr als drei Gasthauskonzessionen zu besitzen. Nach dem Krieg waren diese Tochtergesellschaften dann nicht mehr notwendig, und so konnten wir den Namen der Hager Gesellschaft für unsere Werbeagentur übernehmen. Als wir die Hager Werbeagentur gegründet hatten, waren die USA nach wie vor mein großes Vorbild, und ich konnte sogar erreichen, dass wir schließlich doch noch die österreichische Vertretung für J. Walter Thompson übernehmen konnten. Ganz zu Beginn der Existenz der Hager Werbeagentur ereignete sich eine schöne, für Österreich typische Begebenheit: Als Herbert Mittag, der das Gespräch entgegengenommen hatte, antwortete, dass es keinen Herrn Hager gäbe, entschuldigte sich der Anrufer und beteuerte „Oh, entschuldigen Sie, ich meine natürlich den Herrn Direktor Hager!“ Ein echtes Austriakum! Eine wesentliche Errungenschaft für unsere Werbeagentur war es, die Firma Henkel als Großkunden zu gewinnen. Wir hatten schon durch die Simmeringer Hefefabrik lange vor der Existenz der Hager Gesellschaft Kontakte zu Henkel gehabt, weil Henkel auch Eigentümer einer Hefefabrik gewesen war. Dieser Kontakt war für unsere Werbeagentur sehr hilfreich, und als wir einmal den Werbeauftrag für Henkel in der Tasche hatten, ging es mit unserer Firma steil aufwärts. Irgendwann gab es dann Büros in Budapest, Prag, etc. Jedoch entwickelten sich die Märkte langfristig in eine Richtung, in der Firmen ihre Großwerbeaufträge nicht mehr im Verkaufsland vergaben, sondern sich eher auf das Ursprungsland konzentrierten. Für uns hieß das z. B., dass der Autohersteller Renault, für den wir jahrelang die Werbung gemacht hatten, plötzlich von Frankreich aus beworben wurde. Schlussendlich verkauften wir die Hager Gesellschaft 1998 zu einem sehr guten Preis an eine amerikanische Werbegesellschaft, die vor allem an Henkel interessiert war. By the way, eine Erfindung, auf die ich persönlich sehr stolz bin, ist der Slogan „Schwechater, recht hat er!“ Mich hat der Slogan der Steirer „Gut. Besser. Gösser.“ immer recht gewurmt, und mit dieser Schwechater-Kampagne ist mir, glaube ich, ein ganz guter Coup gelungen.
Der österreichische Staatsvertrag und Parker Pen
Einer unserer Mitarbeiter bei der Hager war Hugo Habsburg, der wiederum mit dem Herrn Weidler von „Weidler Füllfedern“ sehr befreundet gewesen war. Dieser Herr Weidler, dessen Vornahmen ich leider nicht mehr weiß, hatte damals auch die Vertretung für die Firma Parker Pen in Österreich. So wollte er gerne über seinen Freund Hugo Habsburg erreichen, dass die Unterschriften unter den österreichischen Staatsvertrag mit einem Parker Pen geleistet würden. Nachdem es mir nicht ratsam erschien, Figl mit so einer Angelegenheit zu belästigen, riet ich Hugo Habsburg, er wolle sich im Außenministerium beim Protokollchef, Claus Winterstein, anmelden und ihm die Bitte stellen. Gesagt, getan! Als Hugo Habsburg also anmeldete, er käme mit dem Herrn Weidler und den Parker Pens der Firma, um sie für die Unterzeichnung des Staatsvertrages dazulassen, entgegnete der Protokollchef, das Außenministerium hätte schon bei der Plastikfirma Schmidberger bestellt. Weidler öffnete daraufhin die Kassette mit den Parker-Federn und fügte hinzu: „With courtesy of Parker Pen“. Daraufhin Winterstein: „Dann brauche ich aber noch einmal sechs Stück!“ Es wurde darüber hinaus auch diskutiert, wie man im Falle einer Verweigerung der Sowjets bzw. Molotows, die Unterschrift mit einer amerikanischen Feder zu leisten, zu reagieren habe. Weidler lieferte deshalb auch zusätzlich einige Federn von Mont Blanc ins Außenministerium. Irrtümlicher Weise hatte Weidler nämlich angenommen, die Firma Mont Blanc wäre ein Schweizer Unternehmen, in Wirklichkeit handelt es sich hierbei aber um eine deutsche Firma! Sei es, wie es sei, es wurde mit Parker Pens unterschrieben und die Firma Parker Pen war uns für die ihnen gelegte Schiene äußerst dankbar.
Radiowerbung
Ein wesentlicher Erfolg für unsere Werbeagentur war, dass wir als erste über das Medium Radio warben, eine Idee, die ich in Amerika kennen gelernt hatte. Ab dem Jahr 1949 sendeten wir über den Sender „Rot-Weiß-Rot“. Die Sendungen waren grundsätzlich als Werbesendungen für die Betriebe in Simmering und die Brauerei Schwechat gedacht. Wir produzierten also Radiosendungen, um damit überhaupt im Radio vorzukommen und konnten nach deren jeweiliger Ausstrahlung Werbungen schalten. Bei den von uns veranstalteten Quizsendungen wurden Produkte verschenkt etc. Zu Zeiten des Senders „Rot-Weiß-Rot“ waren Radiosendungen noch sehr kompakt, unvergleichbar mit dem, was heue alles möglich ist. So gab es damals zum Beispiel natürlich nur Schellackplatten, im Studio gab es einen Techniker und einen Sendeleiter, mehr nicht. Wenn Musik eingespielt wurde, so passierte das so, dass die Schellackplatten links und rechts vom Mikrofon platziert wurden, der Techniker hielt sie mit seinen Ellenbogen fest und musste im richtigen Moment wieder loslassen. Als erste Einschaltung gab es eine Fußballübertragung, bei der der Kommentator lediglich in der Pause meinte: „Herrgott, es ist so heiß! Ich hätte jetzt eine gute Lust auf ein Schwechater!“ Dieser Slogan verursachte damals eine riesige Aufregung und wir wurden vor allem von der Arbeiterzeitung ziemlich „durch den Kakao gezogen“! Es gab dann weiter auch Vormittagssendungen, in der Musik und ausgewählte Literatur mit Albin Skoda, dem großartigen Burgschauspieler, ausgestrahlt wurden. Ein andermal gestalteten wir eine Unterhaltungssendung, die jeweils vor und nach ihrer Sendezeit mit Werbeeinschaltungen für die Schwechater Brauerei unterlegt wurde. Leider ging dieser Versuch jedoch ziemlich daneben obwohl wir so großartige Leute dafür engagiert hatten: Heinz Rühmann, Karl Farkas und Heinz Conrads – die „drei Musketiere“ waren die Mitwirkenden. Beim Zuschauen anlässlich der Aufnahmen johlten wir vor Lachen, als wir das Programm dann aber im Radio übertragen hörten, war es nicht anzuhören – wenn man den Dreien nicht zuschauen konnte, kam die ganze Sache nicht so richtig rüber.
Fernsehwerbung
Es dauerte nicht lange, bis wir uns auch dem Medium Fernsehen intensiver widmeten: Da gab es einerseits ein Quiz – diese unsere erste und auch am längsten währende Sendung wurde über Jahre hinweg jeden Freitag ausgestrahlt und hieß „Fass das Glück“ mit Heinz Conrads. Auch mit Maxi Böhm und anderen arbeiteten wir derart zusammen. Andererseits gab es die sogenannten „Drei-Minuten-Sendungen“, in denen zweieinhalb Minuten ein Stück gezeigt und die letzte halbe Minute Werbung geschalten wurde. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Spots, die wir in diesen Sendungen schalteten. Es war mir dabei immer wichtig gewesen, vorwiegend unbekannte Schauspieler zu engagieren. So geschah es einmal, dass ich mir eine Vorstellung in den Kammerspielen anschaute, „Das Ei“ von Félicien Marceau, mit dem großartigen Heinz Conrads. Da trat ein junges Mädchen auf, von dem ich restlos begeistert war. Am nächsten Tag wollte ich meinen Kollegen in der Werbeagentur davon erzählen, konnte mich aber ihres Namens nicht mehr erinnern, hatte mir aber eine Eselsbrücke gebaut gehabt: ich erklärte meinen Mitarbeitern also, dass der Nachname der Dame gleich einem Möbelhaus in Simmering und der Vorname einer Opernfigur von Wagner entlehnt war. Senta Berger!Mit der damals noch völlig unbekannten Senta Berger machten wir dann auch wirklich ca. 20 Werbespots. Durch diese Aufnahmen wiederum wurde Richard Widmark auf sie aufmerksam, der dann sogar auf Probeaufnahmen verzichtete und sie vom Fleck wegengagierte. Auch Otto Schenk war ein noch recht unbeschriebenes Blatt Papier, als wir ihn für Lesungen von „Morgenstern und Ringelnatz“ engagierten. Die Reaktionen darauf waren unterschiedlichster Natur, an einen Leserbrief in der Kronen Zeitung kann ich mich noch gut erinnern, in dem wir gewarnt wurden, wenn wir diese Lesungen weitermachten, würde der Verfasser des Briefes aufhören, Schwechater Bier zu trinken! Viel später, als Otto Schenk schon bekannt war, drehte die Unilever den berühmten „Würstelmann“ mit ihm, da sprach dann bereits jeder nur mehr über Otto Schenk, dass die Unilever dahinterstand, interessiere kaum jemanden. Des Weiteren produzierten wir eine Fernsehserie mit dem Titel „Liebe Mama“, für die Peter Weiser die Texte schrieb, Schauspieler waren unter anderem Peter Matić und Libgart Schwarz, die ich als vollkommen Unbekannte im Grazer Schauspielhaus entdeckt hatte, als sie noch mit Peter Handke verheiratet gewesen war. Diese Sendung bot eine sehr gute Möglichkeit, junge, unbekannte Talente zu fördern.