Ich blieb bis zum Abschluss der 4. Klasse im Schottengymnasium, danach übersiedelte ich aus Gründen des immer stärker werdenden Bombenhagels ins Floridsdorfer Gymnasium, was natürlich viel näher an Zuhause war. Als wir ein Jahr später, 1941, nach Simmering übersiedelten, wechselte ich ins Simmeringer Gymnasium. Mit 16 Jahren, am 25. Juli 1943, am Tag der Absetzung Mussolinis, musste auch ich einrücken, als Luftwaffenhelfer bei der FLAK. Meine Tage gestalteten sich so, dass wir am Vormitttag normalen Schulunterricht hatten, nun im Gymnasium in der Stubenbastei, am Nachmittag verwandelten wir uns in Soldaten. Die Lehrer trugen nun auch alle Uniformen, und Fliegeralarme, bei denen wir jedes Mal das Schulgebäude verlassen mussten, gehörten zum Alltag. Natürlich waren wir Schulbuben nicht wenig versucht, Fliegeralarme selbst auszulösen, was uns auch oft genug gelungen ist! An dieser Stelle fällt mir eine Anekdote ein, über die ich heute lachen muss, die damals aber wohl alles andere als lustig war: In der Schulzeit herrschten nach wie vor recht normale disziplinäre Regeln, dazu gehörten auch regelmäßige Spindkontrollen Ich wollte damals gerne mein Englisch etwas auffrischen und besorgte mir deshalb die Penguin Editions verschiedenster englischer Romane. Eines dieser Bücher hatte ich im Spind liegen, und als es entdeckt wurde, wurde ich des Lesens von Feindliteratur beschuldigt. Meine Rechtfertigung lautete, dass dieses Buch in England und Amerika verboten wäre. Auf die Frage „Warum?“ konnte ich antworten, dass auf der 1. Seite im Impressum steht „Not to be introduced in Great Britain and the United States of America“ (natürlich nur aus Verlagsgründen). Jedoch meinem Vorgesetzten schien dies zu genügen und er meinte: „In Ordnung, lesen Sie weiter!“. Ich hatte großes Glück, denn diese Geschichte hätte auch ganz anders ausgehen können.
Meine erste Station als Luftwaffenhelfer der FLAK war in Mauer, später kam ich zu einer FLAK-Abteilung am Betriebssportplatz bei unserem Betrieb in Simmering. Dort war ich einem konstanten Kugelfeuer, die Bomben flogen mir nur so um die Ohren, ausgesetzt. Nach einem Jahr rüstete ich von dort als „Luftwaffenbombenhelfer“ ab. Anschließend wurde ich in den Reichsarbeitsdienst nach Luban, dem damaligen Lauban, in Schlesien geschickt. Von dort aus wurden wir nach relativ kurzer Zeit auf einen Zug verladen, um zur Mitarbeit am Bau des Ostwalls eingeteilt zu werden – von dort wäre ich wohl nicht mehr zurückgekehrt, jedoch hat man für mich und meine Kameraden offensichtlich doch noch einmal anders entschieden. Bereits 24 Stunden später war ich wieder in Luban abgesetzt worden. Dort begann ich mit einer vormilitärischen Ausbildung, die ich als gelernter Luftwaffenhelfer bereits selbst als Ausbildner absolvieren konnte. Ein paar weitere Monate später rüstete ich auch von dort wieder ab und kam in ein Wehrertüchtigungslager nach Neulengbach, wo ich als Reserveausbildner gehandelt wurde. Als nächstes kam der Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. Mein Freund Rudolf Kinsky hätte damals gerne gewollt, dass ich mit ihm gemeinsam bei den Bamberger Reitern einrücke, ein sehr elegantes Kavallerieregiment. Ich konnte dann aber durch andere Beziehungen in der Artillerie Einrichtung in Wels unterkommen, die mir doch mehr zusagte, weil dort teilweise auch noch tatsächlich Pferde zum Einsatz kamen. Als ich also in der Artillerie in Wels einrückte, nahm ich mir einen, vor langer Zeit gegebenen Ratschlag meines Großvaters sehr zu Herzen: Er hatte mich einmal eindringlich davor gewarnt, im Falle meines Einrückens meine wahren Reitkenntnisse preiszugeben. Dies würde nur dazu führen, dass man mir unter allen Umständen das Gegenteil beweisen würde wollen. Auf die Frage des Unteroffiziers „Na, haben´s schon einmal aufgesattelt?“ (und die Kommiss Sättel waren unglaublich schwere, breite Sättel, von denen man eigentlich nicht herunterfallen konnte) antwortete ich mit einer jesuitischen Ausrede, ich hätte so etwas noch nie gemacht. Kaum hob der Unteroffizier also den Sattel selbst auf das Pferd, als jemand von hinten brüllte: „Kanonier Mautner!“. War das der Stabswachtmeister Ringeisen, den ich noch von der Spanischen kannte, und der mir auch zu meiner Versetzung nach Wels verholfen hatte. Als ich mich also zu ihm umdrehte, meinte er wohlwollend: „Ah, Sie sind das! Na, wollen´s mein Pferd reiten?“ Da musste ich selbstverständlich einwilligen, traute mich allerdings nicht, mich nach dem Unteroffizier umzudrehen, denn der Schwindel war nun offensichtlich aufgeflogen. Als ich ihm die Geschichte jedoch später erklärte, musste er recht lachen. Ich wurde dann bald zum Liebling der Batterie, weil mir ständig des Stabswachtmeisters Pferd zum Reiten gegeben wurde, die anderen brauchten nie etwas anderes zu tun, als auf ihren Pferden im Schritt herumzugehen.
Meine nächste Station brachte mich in die Offiziersschule nach Nürnberg, anschließend kam ich an die Front. Von dort konnte ich eine sehr prägende Erinnerung mitnehmen, die den Chef der Offiziersschule betrifft. Dieser war ein schwer kriegsverletzter Major, der uns etwas sehr Wesentliches mitgab, was ihn uns als „Streiter auf unserer Seite“ erkenntlich machte. Und zwar warnte er uns „Überlegt euch nur nicht überzulaufen, denn hinter euch allen steht jemand von der Waffen-SS, die würden euch nicht lange leben lassen!“ An der Front schossen uns die Amerikaner bereits am ersten Tag in alle Richtungen auseinander, in diesen Tagen hatte ich einen sehr großen Schutzengel an meiner Seite. Wir kamen von einem Ort zum nächsten, und bald erkannte wir, dass die Amerikaner sozusagen Krieg nach Gewerkschaftsregeln führten, denn der Krieg dauerte bis sechs Uhr abends und begann nicht vor acht Uhr in der Früh. Auch beschossen sie kategorisch immer ein Dorf nach dem nächsten und sahen über die Front praktisch hinweg. So waren wir natürlich darauf bedacht, an der Front zu übernachten, und kamen ungeschoren davon. Vor Regensburg jedoch wurden wir von den Amerikanern als Kriegsgefangene festgenommen, kamen von einem Auffanglager ins nächste und landeten schließlich am Exerzierplatz von Regensburg, wo wir innerhalb von vierzehn Tagen zweihundertfünfzigtausend Gefangene zählten. Bald wollten uns die Amerikaner jedoch loswerden und machten uns das Angebot, uns zu entlassen, wenn wir dafür in die amerikanische Zone gingen. Diese „Einladung“ nahm ich dankend an und wollte nur so schnell als möglich wieder nach Hause zurück.