1872 wurde sie als „Gesellschaft zur Prämierung guter Campagne-Reiter in Wien“ gegründet. Das Ziel dieser Gesellschaft war es, alljährlich eine stattliche Anzahl Offiziere der Cavalleriewaffe zu friedlichem Wettkampfe zu vereinigen und ihnen die Gelegenheit zu bieten Belohnung für ihre Leistung zu erlangen. Ab 1874 fanden diese Preisritte außschließlich in Wien-Freudenau statt. Ihre Schule war das 1878 ins Leben gerufene k. u. k. Militär-Reitlehrer-Institut, dessen Zweck die Ausbildung von Lehrern für die Brigade-Equidation und die Pflege eines möglichst gleichmäßigen und einheitlichen Reitens war.
Wie schon mein Vater, Manfred II. Mautner Markhof, der von 1967 bis zu seinem Tod 2008 Präsident der ÖCRG war, bin auch ich Mitglied der Österreichischen Campagnereiter-Gesellschaft und freue mich das Jubiläumsbuch vorstellen zu dürfen. Der reich bebilderte Band führt durch die wechselvolle Geschichte seit der Gründung 1872, in der Glanzzeit der österreichisch-ungarischen Kavallerie, über den Zusammenbruch des Habsburgerreiches und zwei Weltkriege hinweg, bis zur Neuorganisation des Reitsports 1962 mit der Gründung des „Bundesfachverband für Reiten und Fahren in Österreich“ (nunmehr Österreichischer Pferdesportverband) und ihren Aufbruch ins 21. Jahrhundert. 150 Jahre sind seit dem Gründungsjahr der Campagnereiter-Gesellschaft vergangen. Das Rad der Geschichte hat sich unaufhaltsam weiter gedreht – und der Campagnereiter-Gesellschaft ist es gelungen, trotz dramatischer Umbrüche und mehrmaliger Neuanfänge, immer mit der Zeit zu gehen: Von den Anfängen als hoch angesehene Offiziersgesellschaft im Großreich der Habsburgermonarchie zur Wegbereiterin des modernen Reitsports in der Republik Österreich, von der Campagnereiterei als Basis der Kavallerie bis zum breit aufgestellten Pferdesport der Gegenwart mit seinen vielseitigen Sparten von klassischer Dressur, über Westernreiten, Working-Equitation, Voltigieren oder Orientierungsreiten, bis hin zum wiederentdeckten Reiten im Damensattel. War das Pferd im 19. Jahrhundert noch ein allgegenwärtiges Arbeitstier, so ist es heute vorwiegend ein wertvoller Freizeit- und Sportpartner. Der Gründungsgedanke der Campagnereiter-Gesellschaft – gutes Reiten zum Wohle des Pferdes zu fördern – spannt den Bogen zur Gegenwart und zu einer Zukunft, in der das Pferd, der Reitsport und die damit einhergehende besondere Verbindung zwischen dem Menschen und diesen schönen und faszinierenden Tieren hoffentlich weiterhin von Bedeutung sein werden.
In der außerordentlichen Generalversammlung am 6. April 1967 im Palais Pallavicini wurde Manfred II. Mautner Markhof zum neuen Präsidenten gewählt und sollte ab diesem Zeitpunkt die Geschicke der Campagnereiter-Gesellschaft über vier Jahrzehnte hinweg lenken und sie ins digitale Zeitalter des neuen Jahrtausends führen. 1971 hatte er zusätzlich zur Präsidentschaft der Campagnereiter-Gesellschaft Wien auch die Präsidentschaft des Wiener Landesfachverbandes für Reiten und Fahren übernommen und 1987 auch die Leitung des entsprechenden Bundesfachverbands. Als in den 80er Jahren das Interesse des Publikums am Stadthallenturnier nachließ, nahm er sich der Sache an und ließ seine hervorragenden internationalen Kontakte spielen, um die Neuauflage des Turniers zu ermöglichen. Es bekam eine Rundumerneuerung, der Eventcharakter wurde verstärkt. Man wollte nicht nur das sowieso am Reitsport interessierte Fachpublikum ansprechen, sondern mit hochklassigen Showeinlagen zwischen den Bewerben auch den Unterhaltungswert für eine breitere Zuschauerschicht steigern. Die Mischung aus Spitzensport und Entertainment erwies sich als erfolgreich und so wurde das Wiener Stadthallenturnier unter seinem neuen Namen „Fest der Pferde“ bis 2009 wieder zu einem Fixtermin des nicht österreichischen Pferdesports.
MANFRED MAUTNER MARKHOF FONDS ZUR UNTERSTÜTZUNG HIPPOTHERAPEUTISCHER MAßNAHMEN FÜR KINDER
Im Gedenken an ihren langjährigen Präsidenten hat die Österreichische Campagnereiter-Gesellschaft 2008 den Fonds ins Leben gerufen. Die Idee dafür entstand im Zuge der Vorbereitungen für die Beerdigung des im Jänner 2008 Verstorbenen, dem karitatives Engagement zeitlebens ein großes Anliegen war. Die Geldsumme der Kranzspenden bildete die Grundlage. Der „Manfred Mautner Markhof Fonds“ dient der Förderung des therapeutischen Reitens für behinderte Kinder. Das therapeutische Reiten umfasst pädagogische, psychologische, rehabilitative und sozial-integrative Maßnahmen, das Pferd ist Partner und Helfer des zu Therapierenden. Im Fokus stehen körperliche, seelische und soziale Entwicklungsstörungen oder Behinderungen, die Entwicklungsförderung des Kindes steht dabei im Mittelpunkt. Gezielt werden Familien unterstützt, die sich eine derartige Therapie nicht leisten könnten, diese aber für ihr Kind dringen benötigen. Der Fonds fördert weder Vereine noch Institutionen, sondern ausschließlich einzelne Kinder, die Vergabe der Förderungen erfolgt nach genau definierten Auswahlkriterien.
Wissenswertes zur Campagnereiter-Gesellschaft
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmten nicht mehr die Kavallerie und die Landwirtschaft das öffentliche Bild des Nutztieres Pferd, es wurde auch als Bestandteil des Freizeitverhaltens zum Wirtschaftsfaktor. Zuerst vor allem, wenn es um Wettkämpfe ging, denn der Rennsport sorgte mit der Möglichkeit zu Wetten für zusätzliche Spannung. So entstand bald das Bedürfnis Reitern auch in anderen Disziplinen Wettkampfgelegenheiten anzubieten. Die Österreichische Campagenreiter-Gesellschaft wollte diese Lücke schließen – weg vom rein militärischen Zweck der Erziehung von Pferden hin zur sportlichen Entwicklung. Auch sollte neben Offizieren ebenfalls Zivilisten Gelegenheit geboten werden in Vergleichskämpfen ihr Können zu beweisen. Dominierten anfangs Offiziere das Geschehen, löste sich die Gesellschaft bald von dieser einseitigen Betrachtung; die Orientierung nach dem Begriff Campagnereiten brachte dies zum Ausdruck. Das Streifen durch die Natur auch hoch zu Pferd zu genießen gewann immer mehr an Anhängerschaft, sodass langfristig die Notwendigkeit entstand das Tier auch im Gelände zu gymnastizieren, damit es gesund und leistungsfähig bliebe. So entwickelte sich aus dem formlosen Spazierenreiten die Campagnereiterei. Die Österreichische Campagnereiter-Gesellschaft stellte von Anfang an das Wohl des Pferdes in den Mittelpunkt. Selbsthaltung, Takt, Frische und Ausdauer sind die Ziele sinnvollen Campagnereitens. Da war es dann auch zum Turniersport nicht mehr weit. Es wurden bald Regeln der Fairness aufgestellt und man organisierte die Wettbewerbe in allen Sparten des Reitens. Diese Rolle sollte die Gesellschaft fast 100 Jahre lang ausüben, bevor der Bundesfachverband für Reiten und Fahren (heute Österreichischer Pferdesportverband OEPS) diese Aufgabe übernahm. Seither ist die Österreichische Campagnereiter-Gesellschaft Wien eine gemeinnützige Serviceorganisation für alle Reiter, die nicht ortsgebunden organisiert sein wollen.
Wissenswertes zur Campagnereiterei
In Bezug auf ihre Kavallerie war die österreichisch-ungarische Armee eine Großmacht und ihre Militärreitinstitute und das System der Reitausbildung auch international höchst angesehen. Dies ist dem Umstand zu danken, dass in der Habsburgermonarchie, im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern, die Campagnereiterei die Hohe Schule nicht gänzlich ersetzte, sondern beide Schulen nebeneinander existierten. Als Maria Theresia 1752 die Wiener „Campagne-Reitschul“ gründet, wird die „K.K. Stadtreitschule“ (Spanische Hofreitschule) nicht aufgelöst, sondern beide Institute als „K.K Hofreitschulen“ parallel beibehalten. Die Symbiose beider Schulen, die gegenseitige Beeinflussung, die Nutzung der Synergien waren der Grund für die weiterhin hohe Qualität der Reiterei in der Donaumonarchie. Campagnereiterei – ein Hauch von Nostalgie und vielleicht auch Verwegenheit weht über diesem Wort. Doch zur Gründungszeit der Campagnereiter-Gesellschaft war sie Basis und Herzstück der „Abrichtung“ eines Pferdes für die „Gebrauchsreiterei“ und betraf vornehmlich die Ausbildung der Pferde für den Einsatz in der Kavallerie. Unter dem Stichwort „Reitkunst“ findet sich im Brockhaus von 1839 folgende Definition: Die letztere zerfällt noch in die sogenannte Schulreiterei, welche die kunstmäßige Ausführung einer Menge sehr schwieriger Gangarten, Wendungen, Sprünge und sogenannter Schulen von Pferd und Reiter vorzugsweise verlangt, und in die sogenannte Campagnereiterei, welche nur die zweckmäßige Übung der Reiter und Behandlung der Pferde für die Erfordernisse des Dienstes der Reiterei in sich schließt. Der Reiter muß zu diesem Zwecke gewandt auf- und absitzen können, sicher im Sattel sitzen und die Bewegung des Pferdes in jeder natürlichen Gangart nach allen Richtungen, das Übergehen aus einer in die andere, das plötzliche Anhalten auf der Stelle oder das sogenannte Pariren, sowie die Ausführung der beim Cavaleriedienst eingeführten Bewegungen in geschlossener und zerstreuter Ordnung so viel als möglich in seiner Gewalt haben. Noch im 17. Jahrhundert zählten die Figuren und Lektionen der Hohen Schule zum Repertoire des Offizierspferdes beim Einsatz im Feld. Die Campagnereiterei stellte die moderne Form der Kavallerie dar, der bis zum Ersten Weltkrieg „das Feld gehörte“ und bildete im 20. Jahrhundert, als die zunehmende Motorisierung den Einsatz von Reitertruppen obsolet machte, die Grundlage für alle Disziplinen des heutigen Reitsports.
Das Campagnepferd
Im Gegensatz zu den schwereren kompakten Pferden der Barockzeit, war das Ideal des modernen Kavalleriepferdes der leichte Warmbluttyp und für die höheren Offiziere, deren reiterliches Können über dem Durchschnitt lag, auch gerne mit hohem Vollblutanteil – sie konnten mit dem Temperament dieser eleganten, aber hochsensiblen Pferde umgehen und ein repräsentatives Bild abgeben – das Bild des berittenen Offiziers, wie wir es aus vielen Darstellungen des 19. Jahrhunderts kennen. Doch es sind auch die inneren Werte, die zählen: Friedrich von Krane beschreibt 1856 in seinem Buch „Die Dressur des Reitpferdes“ die Eigenschaften, die ein Campagnepferd ausmachen: Von ihm verlangt man die Fähigkeit unter bedeutendem Gewichte, bei jedem Wetter, bei mässigem Futter und mässiger Pflege andauernd in einer Haltung zu gehen, welche ihm jede Gangart, Wendung und Parade gestattet. Es soll sicher und furchtlos mässige Hindernisse nehmen und vertrauensvoll dahin gehen, wohin der Reiter es immer führen mag; dann aber auch fromm und verträglich gegen Menschen und Pferde sein. Gewandtheit ist ihm ebenso nöthig, wie Schnelligkeit und Dauer. Das Campagnepferd war also vor allem ein Allrounder, mit genaugenommen den Vorzügen, die wir uns heute auch von einem verlässlichen Freizeitpferd wünschen – ein solide ausgebildetes, rittiges und durchlässiges Pferd, das dem Menschen im Sattel vertraut und unkompliziert im Umgang ist. Für einen Reiteroffizier war das Pferd jedoch nicht nur „Beförderungsmittel“ oder „Sportgerät“, er stand in enger Verbindung zu seinem Tier, es war sein engster Kampfgefährte. Im Ernstfall konnte das Verhalten des Pferdes über Leben oder Tod seines Reiters entscheiden. Daran mag man die Bedeutung ermessen, die der erfolgreichen Ausbildung des Pferdes zukam.
Österreichische Campagnereiter-Gesellschaft
Hofburg, Batthyanystiege, Mezzanin, 1010 Wien
Tel.: 01/ 533 70 46, E-mail: oecrg@reitenwien.at
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