Hertha und Gustav Jäger – Frauenrechtlerin und Physiker
Frauenrechtlerin der ersten Stunde
Hertha Anna Editha Mautner von Markhof (* Wien 23.11.1879, † Rodaun 8.7.1970) wurde als erstes Kind der zweiten Ehe von Carl Ferdinand mit Editha Sunstenau von Schützenthal geboren. Sie genoss eine exzellente Ausbildung und war begeisterte Pianistin sowie hervorragende Bergsteigerin. Bald trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter und engagierte sich ab 1902 für viele Frauenrecht und war im November 1903 Mitbegründerin des „Neuen Frauenklubs“, wo sie als Kassiererin in den Vorstand gewählt wurde. Dieser Klub wurde bald Mitglied des „Bundes österreichischer Frauenvereine“, der von Marianne Hainisch, der Mutter des späteren Bundespräsidenten der Ersten Republik, gegründet wurde und in dem nur bürgerlich-liberale, nicht aber die sozialdemokratische Vereine vertreten waren. Auch dort wurde sie 1918 in den Vorstand gewählt und blieb bis zu seiner zwischenzeitlichen Auflösung 1938 Vereinskassiererin. 1905 unterzeichnete Hertha Jäger einen in der „Neuen Freien Presse“ veröffentlichten Aufruf „An die Frauen Wiens“, der das Frauenwahlrecht forderte. Denn es hieß unter anderem: Ausgeschlossen davon (vom Wahlrecht) sollen in Hinkunft nur die Verbrecher, die Bettler, die notorisch Schwach- und Irrsinnigen und die Frauen sein. 1907 scheint Hertha Jäger unter den Gründungsmitgliedern des „Vereins zur Förderung höherer kommerzieller Frauenbildung“ auf, der für die Errichtung einer Handelsakademie für Frauen in der damaligen Stephaniestraße 16 (heute Hollandstraße) eintrat. Ziel dieser Akademie war es, Frauen durch fundierte Ausbildung bessere und damit höher dotierte Positionen im Arbeitsumfeld zu ermöglichen. Hertha Jäger bedauerte in ihren Publikationen wiederholt, dass der Grund für Frauenarmut vor allem der schwieriger Zugang zu Bildungseinrichtungen sei. Auch war sie Vorkämpferin des Schutzes junger Mütter und 1907 Mitbegründerin und kurzfristige Vizepräsidentin des „Österreichischen Bundes für Mutterschutz“, der gemäß seinen Statuten hilf- und schutzlose Mütter und ihre Kinder… vor wirtschaftlichen und sittlicher Verkümmerung bewahren und teils durch Gewährung von Unterstützungen, teils durch Errichtung von Heimstätten für junge Mütter und Kinder und von Zufluchtsstätten für arme Frauen und Mädchen, die ihrer Niederkunft entgegensehen, helfen sollte. 1913 nahm sie als eine der österreichischen Delegierten an der Internationalen Frauenstimmrechtskonferenz teil –es sollten jedoch noch weitere sechs Jahre bis zum allgemeinen Frauenwahlrecht vergehen. Erwähnenswert ist auch Herthas Artikel „Über die sexuelle Erziehung unserer Kinder“, der in der Zeitschrift „Frau und Mutter“ im Jahr 1918 erschien und viele aus heutiger Sicht überraschend fortschrittliche Erziehungsmethoden beschreibt. Das, was man heute als „Kindeswohl“ definiert, war ihr bereits damals ein Anliegen und als moderne Mutter wollte sie ihren Kindern möglichst viel Freiheiten gönnen.
Bekannt war auch Hertha Jägers Salon, in dem sich nicht nur Künstler und Avantgardisten (wie im Nebenhaus bei ihrer Schwester Dita und ihrem Mann Kolo Moser) trafen, sondern ebenso emanzipierte Frauen und deren Unterstützer. Ihre hohe soziale Kompetenz zeigte sich auch während des Ersten Weltkrieges, als sie sich in dieser schwierigen Zeit im Landstraßer Bezirksamt ehrenamtlich der Säuglings- und Kinderfürsorge annahm.
Sie durfte mit Gustav Jäger einen Partner wählen, der weder adelig noch zu diesem Zeitpunkt prominent war, so dass man davon ausgehen kann, dass es sich um eine Liebesheirat handelte. Hertha und Gustav heirateten 1898 und zogen 1902 in die neu errichtete „Villa Jäger“ auf der Landstraßer Hauptstraße 140 – 142, die zwei kleine barocke Häuser aus dem Jahr 1774 ersetzte, ein. Während für die Nachbargrundstücke Carl Ferdinand und nach dessen Tod 1896 seine Witwe Editha im Grundbuch standen, war Hertha sofort Eigentümerin der Immobilie, weil sie aus dem Erbe ihres Vaters errichtet wurde. 1917, durch Erlass der Niederösterreichischen Statthalterei, wurde der Familienname von Jäger in Jäger-Sunstenau festgelegt, um dadurch den Namen Sunstenau auch für die Nachkommen zu erhalten. Gustav und Hertha hatten sechs Kinder, wobei drei ihrer Söhne relativ jung verstarben. Die älteste Tochter Magda (1899 – 1942) ehelichte Heinrich Prelinger und war eine der ersten Frauen, die als Doktorin der Rechtswissenschaften an der Wiener Universität promovierte. Die bereits in der neuen Villa geborene Hilde (1903 – 1989) ehelichte 1924 den Literaturgelehrten und späteren Direktor der Museen der Stadt Wien, Franz Glück (Sohn Wolfgang Glück). Herthas Sohn Professor h. c. Hanns Jäger-Sunstenau (1911 – 2008) war weltweit anerkannter Genealoge und mit seiner Frau Hilda und den drei Kindern das letzte Familienmitglied, das die Villa bewohnte. Hertha selbst starb 1970 91jährig in Rodaun, wo sie über die Sommerferien hinweg untergebracht war.
Theoretischer Physiker
Gustav Jäger kam 1865 in Schönbach bei Asch in Böhmen (heute Krásná) zur Welt und studierte seit 1883 Physik und verwandte Naturwissenschaften sowie Mathematik an der Wiener Universität. Er habilitierte 1891 bei Ludwig Boltzmann als Assistent für theoretische Physik und wurde, als er Hertha kennenlernte, Extraordinarius und bald darauf Professor an der Technischen Hochschule. Im Studienjahr 1915/16 wurde ihm die Rektorenwürde übertragen, 1918 wurde er auch Ordinarius und 1920 Vorstand des Zweiten Physikalischen Instituts. Jäger beschäftigte sich unter anderem mit Boltzmanns kinetischer Gastheorie und deren Anwendungen, zum Beispiel für die Frage der inneren Reibung von komprimierten Gasen in langen Rohrleitungen in der Chemischen Industrie. Er befasste sich auch mit Raumakustik (Jäger-Sabine-Formeln bzw. Sabine-Frankel-Jäger Theorie, angewandt unter anderem für den Nachhall in Konzertsälen), Schallausbreitung und dem Strömungswiderstand von Körpern in Flüssigkeiten und Gasen, mit Lichtdruck, Stereoskopen und den chemischen Prozessen bei der Fotografie. 1903 widerlegte er einen Einwand des Physikers Hermann von Helmholtz gegen den Motorflug und trug damit dazu bei, diesen in den Augen der Physiker in den Bereich des Möglichen zu rücken. Er unterstützte auch, genauso wie sein Lehrer Boltzmann, den österreichischen Flugzeugpionier Wilhelm Kress. Diese blieb mangels ausreichender Finanzierung leider erfolglos. Er wurde zum Hofrat ernannt und war wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften von Wien und Halle an der Saale sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in der Tschechoslowakei. Er starb 1938 in Wien, sodass Hertha ihn um 32 Jahre überlebte. 1962 wurde der Park neben dem Technischen Museum nach ihm benannt.