Liebe, verehrte Tanten und Onkel, Liebe Cousinen und Cousins, liebe Nichten und Neffen!
Diesmal erlaube ich mir, ein sehr persönliches Problem zu schildern: Am 18. Juni 1996 lege ich die operative Führung des Mautner Markhof-Konzerns in die Hände meines Sohnes Marcus. Ich werde von da an wesentlich mehr Zeit haben, meinem ,,ursprünglichen“ Beruf“ Journalismus und Schriftstellerei, nachzugehen. Ganz oben auf dem Stapel meiner Vorhaben liegt ein Buch über unsere Familiengeschichte. Genau dort beginnen meine Probleme.
Familiengeschichte wird nämlich trostlos langweilig, wenn sie lediglich (ohne Kommentierung) aus einer Aneinanderreihung von Ereignissen besteht. Sie wird jedoch – gerade in unserem Fall – extrem spannend, falls man bemüht ist, die agierenden Personen zu „beschreiben“, das heißt, sie als Menschen mit Vorzügen und Fehlern darzustellen. Die Geschichte einer Familie ist ja nichts anderes, als die Zusammenfassung aller agierenden Personen. Dabei ergibt sich für mich ein doppeltes Problem: Zum ersten bin ich selbst nahezu ein halbes Jahrhundert lang in unseren Familienbetrieben tätig gewesen und habe mehr als 25 Jahre den Konzern geführt. Auch bei größter Bemühung um Objektivität ist es schwierig eine subjektive Meinung zu unterdrücken, wenn man – wie in diesem Fall – selbst zu den handelnden Personen gehört.
Die zweite Schwierigkeit ist wahrscheinlich noch größer: Jene Leute, über die ich berichtet habe, haben direkte Nachkommen und andere Verwandte. Eine solche Tatsache behindert die angestrebte Objektivität, weil man auf die erwähnten Personen in gewissem Sinn Rücksicht nehmen muss. Allein schon meine seinerzeitige Bemerkung über meinen Großonkel Victor, der – kinderlos – sich mehr für Rennpferde und Spiel interessiert hatte, als für das ererbte Unternehmen, hat da und dort Unmut hervorgerufen.
Andererseits: Die Familien- und Firmengeschichte zu schreiben und dann unter Verschluss zu setzen, freut mich nicht; dazu ist die Arbeit zu groß. Nichts zu machen ist auch keine Lösung, weil mit jeder Generation das alte Wissen geringer wird und zum Teil für immer verlorengeht. Wie gründlich wäre ich beispielsweise, könnte ich heute noch meine Großmutter und meinen Vater befragen.
Sollte mir das eine oder andere Familienmitglied zu dieser Problemstellung seine Meinung mitteilen wollen, so wäre ich ihm oder ihr sehr dankbar.
Mit herzlichen Grüßen euer
Georg (IV.) J. E.
Verfasst von Georg (IV.) J. E. Mautner Markhof