Das Armenhaus in Smiřice
„Pietà/Pietät“ im Sinne andächtig dankbarer Erinnerung an empfangene Wohltaten war ein Grundzug des Charakters von Adolf Ignaz Mautner von Markhof. So kam es auch, dass sein Streben stets darauf gerichtet war, seinen geliebten Eltern ein bleibendes Denkmal zu setzen. Dass infolge seiner Weltanschauung ein solches Denkmal kein prunkvolles Monument, sondern ein Humanitäres, den Mitbürgern zugute kommendes sein musste, war selbstverständlich. Dem Drang seines Herzens folgend, die Eltern zu ehren und den Bürgern seiner Vaterstadt eine für alle Zeiten bleibende Wohltat zukommen zu lassen, erstand er sein Geburtshaus in Smiřice, in dem seine Eltern bis zu ihrem Tode gewohnt hatten. Er bestimmte dasselbe für verarmte Gemeindemitglieder beiderlei Geschlechts, jeglicher Konfession und Nationalität. Dieser seiner Lieblingsstiftung galt von diesem Moment an seine Hauptsorge und er bedachte sie in Folge in geradezu rührender Weise. So wählte er zu Weihnachten nicht nur die Gaben selbst aus, sondern stiftete auch ein allgemeines Kapital, aus dessen Zinsertrag eine Beteiligung der Pfründner zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen hatte. Nicht nur sorgte er in den Wintermonaten für Holz zur Beheizung, sondern kaufte auch neue Grundstücke hinzu, um für jeden Insassen einen kleinen Küchengarten anlegen zu können. Als infolge von Feuchtigkeit die Wohnungen in den alten Gemäuern für die Gesundheit der Untergebrachten gefährlich zu werden drohten und die getroffenen Gegenmaßnahmen keine gründliche Abhilfe versprachen, fasste er den Entschluss, das ganze Gebäude durch ein neues zu ersetzen, das allen Bedürfnissen entsprach. Mit größtem Eifer betrieb der den Bau des neuen Armenhauses, dem er einen Kindergarten* hinzugefügt hatte, befasste sich selbst mit der Planung aller Details und vermehrte stets die ursprünglich veranschlagte Summe zum Zwecke weiterer Verschönerung und größerem Komforts. So fügte er dem ursprünglichen Entwurf einen Uhrturm hinzu, setzte sich eingehend mit der Auswahl passender Möbelstücke auseinander, mit den aufzustellenden Laternen, einem Schutzgitter zur Straße hin, und alles mit einer Eile, gleichsam in einer Vorahnung, dass dies sein letzter großer Wohltätigkeitsakt auf Erden sein könnte. In seiner liebevollen Fürsorge ging er so weit, dass er schließlich auch für alle Bewohner eigene Kleidung anfertigen ließ. Er ordnete eingehend die bei der Schlusssteinlegung üblichen Festlichkeiten an, stellte alle Mittel für die Feierlichkeiten zur Verfügung und war eifrigst darum bemüht, die ganze Stiftung unter das Protektorat eines Mitgliedes des Kaiserhauses zu stellen. Schließlich erlebte er mit Freude sein Werk vollendet zu wissen, wenn auch nicht selbst zu sehen, denn leider hinderten ihn Alter und Ungunst der Jahreszeit persönlich am 15. Oktober 1889 an der Einweihungsfeier des Hauses teilzunehmen. Er ließ sich dabei von einer großen Anzahl männlicher Familienmitglieder vertreten und feierte zur selben Stunde in seinem eigenen Wohnsitz ein Familienfest, zu welchem alle in Wien lebenden Mitglieder berufen wurden, und bei welchem Adolf Ignaz mit eindringlichen Worten Zweck und Bedeutung seiner Stiftung betonte. So war sein eifriges Bestreben auch darauf gerichtet, andere zu gleichem Vorgehen anzuregen und unter Vorweisung des Modells seines Elternhauses und der Pläne des neuen Armenhauses recht deutlich zu versinnbildlichen, wie durch Fleiß und Wille auch bei kleinen Anfängen Großes geleistet werden konnte.
„Auch ein Greisenasyl in Smiric hat viel Gutes geleistet. Ich habe einmal im Auftrage meines Vaters dieses Asyl aufgesucht und an alle Insassen Geldbeträge verteilt. Ich werde nie vergessen, mit welchem Jubel und Freude die alten Leutchen mich umringten und sich freuten einen Enkel ihres großen Wohltäters zu sehen. Das war, bevor sie wussten, dass sie auch Geschenke bekommen werden.“ 1
1 Theodor I. Mautner Markhof, „So war´s“
* Der Kindergarten in Smiřice wurde 1889 gegründet und am 2. Dezember 1889 mit 39 Kindern eröffnet. Er befindet sich im Gebäude des damaligen städtischen Armenhauses in der heutigen Mlýnská-Straße Nr. 111. In den Einträgen zu den Basisfonds, die der Gründeranzeige gewidmet sind bestimmte Adolf Ignaz auch die Einrichtung und den Unterhalt eines Babysitters. Anfang Dezember begann die städtische Küche zu arbeiten und versorgte täglich 50 Schulkinder und 20 arme Stadtbewohner mit einem Mittagessen.