Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal und Carl Ferdinands Töchter
Nachdem seine Ehefrau und Mutter seiner ersten sieben Kinder, Johanna Kleinoscheg, 1872 nur 26jährig verstorben war, heiratete Carl Ferdinand 1874, nunmehr als Ritter Mautner von Markhof, die ebenfalls adelige Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal (1846 – 1918), eine bekannte Philanthropin und Förderin der Mädchen- und Frauenbildung in Österreich. Sie war als Tochter von Friedrich, einem k. u. k. Oberstleutnant und Ritter des Maria-Theresien-Ordens, für die Führung eines so großen Haushalts bestens geeignet. Editha war eine engagierte Stiefmutter und schenkte Carl Ferdinand darüber hinaus noch drei weitere Töchter.
Mit ihrem Einzug veränderte sich das Leben im bislang eher bürgerlichen Haushalt grundlegend. Hauslehrer hatte es davor schon gegeben, nun aber kamen auch adelige Gouvernanten hinzu, die sich im Sinne der Mutter auch um eine künstlerische Ausbildung der Mädchen kümmerten. Für eine standesgemäße Residenz eignete sich eine Wohnung in der Brauerei St. Marx nur wenig und so übersiedelte man einige Jahre nach der Hochzeit, zu Beginn der 1890er Jahre in ein neues Haus auf die Landstraßer Hauptstraße. Prominente Gästen waren an der Tagesordnung, unter ihnen der Archäologe Otto Benndorf, der Begründer des Österreichischen Archäologischen Instituts, der ab 1896 die Ausgrabungen in Ephesos erst mit Carl Ferdinands finanzieller Unterstützung beginnen konnte – was man auch heute noch einer Tafel bei den Ausgrabungsstätten entnehmen kann. Auch der Bildhauer Carl Kundmann, der die Grabreliefs auf dem Familiengrab am Zentralfriedhof und eine Büste von Carl Ferdinand anfertigte, die im Kinderspital aufgestellt wurde, war ein regelmäßiger Besucher. Die Frauenrechtlerin Marianne Hainisch, Mutter des späteren Bundespräsidenten, zählte zu Edithas Freundinnen.
Zugleich erwarb Carl Ferdinand auch das angrenzende Grundstück, auf dem sich die kleine Sommerresidenz des Hausarztes von Kaiser Karl VI. befunden hatte. Dort ließ er das heute noch bestehende Palais ähnliche Gebäude bauen. Das für seine künstlerisch begabte Tochter Dorothea (Engelhart) im Garten errichtete Atelier wurde jedoch 1951 abgerissen. Nach seinem Tod übernahmen dann junge Künstler das Kommando und das Haus Nr. 138 wurde eine Begegnungsstätte der Sezessionisten.
Editha formte den Haushalt völlig um und unter ihrer Fittiche wurden die Töchter bestens auf eine damals standesgemäße Ehe vorbereitet. So ermöglichte sie den fünf älteren Töchtern weitere Ehen mit Adeligen, meist nicht sehr vermögenden Offizieren, es waren wohl kaum Liebesheiraten. Eine Ausnahme war Elisabeth, die Karl Dittl von Wehrberg heiratete, der Gutsherr in Göding war und 1938 auch als Aufsichtsratsvorsitzender im Verwaltungsrat der Vereinigten Brauereien fungierte. Auch Edithas jüngste Stieftöchter Dorothea wehrte sich vehement gegen eine arrangierte Ehe und soll bei ihrer Verlobungsfeier lauthals verkündet haben, dass sie nicht bereit sei, den vorgesehenen, schwer verschuldeten jungen Offizier zum Mann zu nehmen – was für diesen angeblich der Grund für seinen Selbstmord wurde. Sehr zum Schrecken ihres Vaters hatte sie sich in den Maler Josef Engelhart verliebt, der auf dem Nachbargrundstück Steingasse 13–15 ein Atelier besaß und so dem jungen, ebenfalls kunstbesessenen Mädchen „über den Zaun“ nähergekommen war. Für diese war der extravakante Künstler natürlich eine interessante und exotische Abwechslung. Carl Ferdinand versuchte ihr diese Verbindung mit allen Mitteln auszureden und schickte sie zur künstlerischen Ausbildung nach München. Doch die Beiden arrangierten geheime Treffen und Engelhart war dermaßen in Dorothea verliebt, dass er seinem Tagebuch anvertraute: Sollte Doris nicht meine Frau werden können, dann würde ich auch die Kunst wegwerfen, weil ich auch an ihr keine Freude mehr haben könnte. Knapp vor seinem Tod stimmte Carl Ferdinand schließlich doch noch schweren Herzens dieser Heirat zu. Das junge Paar führte dann eine sogenannte Künstlerehe, in der es im Gegensatz zu denen der meisten ihrer Schwestern nicht sehr vornehm zuging. Ihre Tochter Josefine schreibt in der Familienchronik: Da sich mein Vater hauptsächlich im Atelier aufhielt, entstand ein Eigenleben – ja man könnte sagen, daß sowohl der Künstler als auch die Familie eine Art Eigendynamik entwickelte, die zu einer Entfremdung führen musste. Mein Vater war nie ein Familienvater, sondern immer nur Künstler. Im Laufe der Ehe verschlechterte sich auch Engelharts Verhältnis zu seiner Schwiegermutter zusehends, da diese der Meinung war, dass er ihre Tochter zu sehr unterdrückte. Er hätte ihr sogar das Malen untersagt, was in den Augen einer engagierten Frauenrechtlerin natürlich völlig inakzeptabel war. Man erzählt sich, dass Engelhart den Drachen über seinem Haus in der Steingasse 15 Editha „gewidmet“ haben soll. Der Sohn der beiden, Michel, wurde später ein bekannter Architekt und Professor an der Technischen Hochschule, der sich nach 1945 beim Wiederaufbau des Zuschauerraums im Burgtheater, des Tiergartens Schönbrunn und des Palais Schwarzenberg auszeichnete. Engelhart selbst wurde vor allem durch seine zahlreichen Bilder von Wiener Typen bekannt, er war aber auch ein erfolgreicher Bildhauer und entwarf gemeinsam mit Jože Plečnik anlässlich des 60. Geburtstags von Karl Lueger den Karl-Borromäus-Brunnen vor dem Bezirksamt Landstraße und das Waldmüllerdenkmal im Rathauspark. In seinem Atelier trafen sich bei ausschweifenden Festen die „jungen Wilden“ der Wiener Secession, unter anderem Kolo Moser, der auch den Kachelschmuck an der Fassade entworfen hatte.
Carl Ferdinand starb nur ein paar Monate nach der Hochzeit von Dorothea. Seine Witwe Editha war als Frauenrechtlerin nach wie vor gegen arrangierte Ehen und konnte ab diesem Zeitpunkt für die anderen noch unverheirateten Mädchen von diesem Prinzip abweichen. Nicht nur ermöglichte sie den jüngeren Töchtern Verbindungen mit bürgerlichen Wissenschaftlern und Künstlern, sie förderte dies sogar. Ihre älteste Tochter Hertha war nicht nur eine gute Pianistin und begeisterte Bergsteigerin, sondern beschäftigte sich unter dem Einfluss von Marianne Hainisch sehr im Sinne ihrer Mutter eingehend mit Frauenfragen. 1906 wurde sie in den Vorstand des Wiener Frauenklubs kooptiert, arbeitete während des Ersten Weltkriegs aktiv als Betreuerin der Säuglingsfürsorge und war jahrzehntelang im Bund österreichischer Frauenvereine tätig. 1898 heiratete sie den Physiker und Universitätsprofessor Gustav Jäger und zog mit ihm ab 1902 in die Villa Landstraße 142. Aus dieser Ehe ging der bekannte Experte für Genealogie und Heraldik Hanns Jäger-Sunstenau hervor.
Die beiden jüngsten Töchter Ditha und Magda waren ebenfalls kunstbegeistert und lernten beim Besuch der Kunstgewerbeschule Koloman Moser, der dort als Professor tätig war, kennen. Editha und Koloman verliebten sich sofort ineinander. Moser schrieb eine Reihe an Liebesbriefen, in denen neben der respektvollen Verliebtheit auch sein Zögern zur Sprache kam, als wesentlich älterer (15 Jahre) Mann und „armer Künstler“ der „höheren Tochter“ aus wohlhabendem Haus Avancen zu machen. Es gab keinen Widerstand der Mutter, vielmehr begleitete sie das junge Paar 1904 bei einer Reise durch Norditalien und beauftragte den bereits sehr bekannten Jugendstilkünstler mit der Neugestaltung ihres Speisezimmers. Sie beauftragte auch Karl Moll mit der Planung einer Villa am Semmering, die mit einem eigenartigen alpinen Stil zu den schönsten Luxusvillen dieser Region zählt und dem jungen Paar als Sommersitz diente. Kolo Moser gehörte der Keimzelle der Wiener Sezession an, war auch an der Gestaltung des Sezessionsgebäudes beteiligt und gründete 1903 mit Josef Hoffmann die Wiener Werkstätte. Ditha ließ sich von Kolo Moser inspirieren, entwarf Kalender, Grußkarten und Tarockkarten, u. a. eine Sonderedition, mit der sie 1906 an die Goldene Hochzeit ihres Großvaters Adolf Ignaz erinnerte. Sie und Koloman verkehrten mit der gesamten Kunstprominenz dieser Jahre und waren auch oft in den berühmten Salon der Alma Mahler geladen. Moser starb 1918 an einem bösartigen Kiefertumor, Ditha heiratete m 23. Februar 1919 in zweiter Ehe den Kaffeehausbesitzer Adolf Hauska, der wiederum 1929 verstarb.
Magda war gemeinsam mit ihrer Mutter Mitbegründerin des „Neuen Wiener Frauenclubs“, verfasste Gedichte und sammelte Kunstwerke, darunter auch von Klimt, welcher sie 1904 skizzierte. 1913 heiratete sie den Innviertler Bauern und Lehrer Alois Grasmayr, der ebenfalls eine künstlerische Ader hatte und dessen Haus auf dem Salzburger Mönchsberg in der Zwischenkriegszeit zum gesellschaftlichen Zentrum für Künstler und Schriftsteller um Stefan Zweig wurde. Mit Hilfe von Magdas Mitgift erwarben sie noch rechtzeitig vor der Inflation 1922 die Hotels Bristol und Stein sowie das bekannte Sternbräu und wurden so zu wohlhabenden Hoteliers.