Franz Conrad von Hötzendorf und Gina von Reininghaus
Virginia „Gina“ Laura Antonia Agujari (* Triest 27.2.1879 / † Semmering 24.11.1961) wurde als Tochter des italienischen Porträtmalers Tito Agujari geboren und heiratete am 21. Jänner 1896 in Hardt bei Graz, im Alter von 16 Jahren, Johann Dietrich „Hans“ von Reininghaus. Bereits neun Monate danach gebar sie ihren ersten Sohn Peter, der ab 1920 die Geschicke der Brauerei für fünf Jahrzehnte lenken sollte. Mit 20 Jahren war sie dreifache Mutter, bis 1906 folgten drei weitere Kinder. Im Winter 1902/1903 übersiedelte das Paar von Graz nach Wien, wo sie als „geistreiche, liebenswürdige Frau“ in kürzester Zeit ein beliebtes Mitglied der Gesellschaft wurde.
»Gina war 28 Jahre jung, bildhübsch, Mutter von sechs Kindern und die Gattin des Großunternehmers Hans von Reininghaus. Franz Conrad von Hötzendorf war 55 Jahre alt und verwitwet, als sich die beiden im Jänner 1907 anlässlich einer Abendgesellschaft im Haus des Baron Kalchberg in Wien trafen. Kalchberg hatte als ehemaliger Präsident des Österreichischen Lloyds auch einen kleinen Triestiner Kreis geladen. Dazu gehörten sowohl die geborene Triestinerin Gina Agujari, verheiratete Frau von Reininghaus, ihr Mann Hans und Franz Conrad von Hötzendorf, ehemals Brigadekommandant von Triest und seit wenigen Wochen Chef des Generalstabes. »Diese Frau wird mein Schicksal«, soll er am Nachhauseweg über Gina gesagt haben. Was an diesem Abend als launiger Ausspruch des mächtigen Generals durchging, sollte sich bald bewahrheiten. Zwei Monate später besuchte Conrad seine Angebetete in ihrer Wiener Wohnung in der Operngasse 8 und machte ihr einen Heiratsantrag. Sieben gute Gründe sprächen gegen die Annahme des Antrags, antwortete Gina: sechs Kinder und ein Ehemann. Als alter Soldat ließ er nicht locker und versuchte weiter, Ginas Herz zu erobern. Vermutlich nach einem Jahr gab Gina dem Werben nach. Franz Conrad von Hötzendorf war ein Ehrenmann. Er wollte keine Geliebte, sondern eine Ehefrau. Den Krieg galt es zu gewinnen, nicht einzelne Schlachten. Weiterkämpfen war die Devise. Er führte dabei auch einen schweren Kampf mit sich selbst. In über dreitausend Briefen, die er von 1907 bis 1915 schrieb, aber nicht abschickte, sondern in einem Tagebuch der Leiden sammelte, phantasierte er über Liebesglück und Liebesleid. Selbst Conrads Gönner, Thronfolger Franz Ferdinand, hatte im Jahr 1908 offenbar das Gefühl, dass sein General nicht ganz bei der Sache war. Im Oktober schrieb Franz Ferdinand an seinen Flügeladjudanten Alexander von Brosch: Bitte bändigen Sie mir nur den unglücklichen Conrad, der zum Schluss noch eine Mordsschlamastik arrangieren wird u. sich mit allen Leuten verzanken wird. Er soll doch dieses ewige Kriegsgehetze aufgeben. …. Bis heute sehen Militärhistoriker Conrads Amour fou kritisch. …. Die Beziehung mit Gina unterhielt er weiter. Hans von Reininghaus duldete die Ménage-à-trois. Erst als Conrad im Jahr 1915 seine Geliebte ein paar Tage ins Armeehauptquartier nach Teschen nachkommen ließ, war es dem Ehemann zu viel. Er verlangte die Scheidung. Die Hochzeit der frisch geschiedenen Frau von Reininghaus mit Conrad von Hötzendorf konnte erst nach einigen Winkelzügen stattfinden. Um heiraten zu können, musste Gina ungarische Staatsbürgerin und Protestantin werden, was in Wien für weiteren Unmut sorgte. Die spätere Kaiserin Zita soll stets wiederholt haben, keine Gräfin Conrad von Hötzendorf zu kennen, sondern nur eine Frau von Reininghaus.
Conrad von Hötzendorf war kein langes Glück mit Gina beschieden. Er starb nach zehnjähriger Ehe im Alter von 73 Jahren. Erst nach seinem Tod fand Gina im Nachlass ihres Ehemannes die besagten dreitausend Briefe sowie einen Abschiedsbrief mit folgenden Worten: » (…) Ich will Dich – auch wenn ich nicht mehr bin – glücklich wissen! Alles, was Du zu Deinem Glück zu tun vermagst, hat meinen Segen! Du hast ja gewusst, wie lieb ich Dich habe – aber das ganze Maß meiner Liebe hast Du vielleicht doch nicht erahnt – dazu hättest Du mich in den stillen, einsamen Stunden belauschen müssen, in denen ich sehnsuchtsvoll Deiner gedachte. So ist meine Liebe zu Dir von Stunde zu Stunde tiefer und inniger geworden. Deine Nähe war mir Seligkeit!«. Gina überlebte ihren Mann um dreieinhalb Jahrzehnte, sie wurde 82 Jahre alt und hat nicht wieder geheiratet. In den Dreißigerjahren verfasste sie ihre Memoiren.« …. Auszüge aus Wiedersehen im Küstenland, Episode „Zurück in eine glänzende Zukunft“
Gina hatte Franz Conrad von Hötzendorf im Mai 1907 gegenüber eingeräumt, dass sie ihren Mann nicht mehr liebe und mit Ende 1908 waren die beiden eine Liebesbeziehung eingegangen. Da Hans von Reininghaus sich selbst Freiheiten in der Ehe eingeräumt hatte und auch die Möglichkeit sah, persönliche gesellschaftliche Vorteile aus dem Verhältnis zu ziehen, duldete er dies. Mit Kriegsbeginn jedoch hatte sich das gesellschaftliche Leben in Wien verändert, wodurch Hans von Reininghaus nicht mehr im selben Ausmaß von der Beziehung seiner Frau profitierte. Und als nach Ginas Besuch in Conrads Hauptquartier der Klatsch weiter zunahm, verlangte er 1915 die Scheidung. Die gemeinsamen Kinder, die sich um das Glück ihrer Mutter sorgten, waren damit einverstanden.
Die Verbindung der verheirateten Frau von Reininghaus mit dem Generalstabschef stieß zur damaligen Zeit in weiten Kreisen auf Kritik und auch zeitgenössische Historiker schätzen ihren Einfluss auf sein Tun und Handeln im Ersten Weltkrieg als sehr groß ein. Die Bedeutung dieser Beziehung kann man nicht hoch genug veranschlagen; sie stand in den Jahren von 1907 bis zum Kriegsausbruch im Zentrum seines Lebens und verdrängte alle anderen Sorgen, selbst die militärischen und politischen Fragen, die auf seinen Schreibtisch gelangten. Er habe die Beziehung selbst im Juli 1914 mit „derart großer Beharrlichkeit gepflegt“, dass er „nur mit halbem Herzen“ bei der Sache gewesen sein konnte.
Als Gina Conrad von Hötzendorf 1935 in ihrer Autobiographie Mein Leben mit Conrad von Hötzendorf – sein geistiges Vermächtnis auch sehr private Aufzeichnungen von Conrad veröffentlichte, wurde dies von Zeitgenossen als „geradezu peinlich“ kritisiert. Da sie auch seine Meinung über wenig erfreuliche Verhältnisse in der österreichischen Heeres- und Staatsleitung wiedergab, war das Buch in Österreich verboten. In Folge wurde sogar das „Traditionsschutzgesetz“ erlassen.
Gina wurde auf dem Hietzinger Friedhof in Wien im historischen Ehrengrab ihres zweiten Ehemannes Franz Graf Conrad von Hötzendorf beigesetzt.
An den S. H. Herrn K. und K. Leutnant a. D. Gustav v. Reininghaus d. Z. Prag Korps Kommando
Absender: Hans v. Reininghaus Schl. Hardt bei Graz
Danke für d. Karte. Sehe alles ein, nur „nervös“ lasse ich unberufen nicht gelten. –Leider sind wir um Hardy (Anm.: Eberhard „Hardy“ v. Reininghaus, Sohn von Bruder Hugo) in großer Sorge – seit 18. v. D. „vermisst“ – angeblich in serbischer Kriegsgefangenschaft. Großmama weiß nichts! Lass von dir öfter was hören. 1000 Küsse v. Tante Gina, Kindern u. d. O. Hans
Lieber Gusti!
Besser spät als nie! Verzeihe, dass ich Dir heute erst für die so lieben Geburtstagswünsche danke, aber unsere Übersiedlung nach Wien, mit allem was darum und daran hing, trägt Schuld daran.
Jetzt sind wir endlich so weit, dass man zum Schreiben kommen kann. Vor allem lasse Dich aber auch zur glücklich überstanden(en) Operation beglückwünschen, hoffentlich hast Du auch alle Nachwehen schon hinter Dir.
Noch immer bedauere ich mit Gina, dass es nicht zu unserer Fahrt nach Mauern gekommen ist – jetzt trennt uns leider eine größere Entfernung. Wie schwer ich Tirol verlassen habe, kann ich Dir gar nicht schildern – aber es ist Ginas Wunsch in Wien zu leben, und in meinen Jahren hat man keinen Anspruch mehr auf Sonderwünsche. Die Großstadt ist mir ein Greuel; – sei froh, dass Du am Land lebst.
Sag Ilse meinen wärmsten Dank für ihr Gedenken – und nimm für Dich und all die Deinen meine herzlichsten Grüße entgegen.
Dein getreuer Onkel
Franz Conrad
Alle Transkriptionen Ulrike Reininghaus.