Freitod von Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof
Der Freitod Carl Ferdinands erregte naturgemäß größtes Aufsehen und wurde – damals nicht anders als heute – in verschiedenen Medien auf unterschiedliche Art und Weise kommentiert.
Bericht aus dem Wiener Salonblatt vom 6. September 1896
… Nun ist auch der älteste Sohn dieses seltenen Paares, Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof, heimgegangen zu den geliebten Eltern. Es hat sein Ableben in allen Kreisen der Bevölkerung, nicht unter den Industriellen allein, sondern auch in der Gesellschaft und Kunstwelt, schmerzlich berührt. Man wußte es ja sofort in jenen Kreisen, die ihn kannten, daß Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof ein Opfer seines Berufes, seiner angestrengten Tätigkeit geworden ist. Am 16. April 1834 in Smiric in Böhmen geboren, trat er bereits im Alter von 15 Jahren in das Geschäft seines Vaters, in die St. Marder Brauerei, welche Adolf Ignaz Mautner im Jahre 1840 gegründet hatte, ein. Carl Ferdinand ist so recht die Seele des großartigen, ausgedehnten Unternehmens geworden. Er ließ es sich nicht nehmen, alles in seiner Hand zu vereinigen, die komplizierten Fäden des weitverzweigten Geschäftes selbst zu spinnen und, obwohl im tüchtige Beamte und in letzter Zeit auch sein Sohn Victor zur Seite standen, der technische, finanzielle und kommerzielle Leiter des Welthauses zu sein und zu bleiben. Diese aufregende Tätigkeit konnte so lange ohne Schaden für die Gesundheit fortgesetzt werden, als Herr von Mautner noch jung war. Aber vor zwei Jahren bereits stellte sich eine mit quälender Schlaflosigkeit verbundene Nervosität ein, welche seine Angehörigen zwang, ihn zu einer längeren Erholungsreise nach Italien zu veranlassen. In der Tat kehrte Herr von Mautner gekräftigt aus dem Süden heim; aber eine rastlose Natur, wie er war, stürzte er sich, ohne sich zu schonen, abermals Hals über Kopf in die Geschäfte seines Hauses. So konnte er nicht Wunder nehmen, daß das Leiden von Neuem und stärker auftrat und daß die Schlaflosigkeit schließlich unerträglich zu werden begann. Das Mittel, welches die Ärzte dem Kranken zur Beruhigung empfohlen hatte, war ein Trional, ein Gift, das in kleinen Dosen genommen, Erleichterung verschafft, in größeren jedoch sehr verhängnisvoll werden und selbst eine akute Gehirnhautentzündung nach sich ziehen kann. Am Abende vor der Katastrophe hatte nun Carl Ferdinand von Mautner, um Schlaf ringend, in der Tat sieben Gramm Trional, also eine sehr bedeutende Dosis, eingenommen. Daß diese Unvorsichtigkeit die mittelbare Ursache der entsetzlichen Katastrophe gewesen, geht auch daraus hervor, daß der Unglückliche sich am Abend vorher in guter Laune mti seinem Sohn Victor unterhalten hat und keinerlei auf die Tat Bezug habende schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hat. Kommerzialrat von Mautner ist ein gefälliger, liebenswürdiger, kunstsinniger und wohltätiger Mann gewesen. Von seinem Kunstsinne gibt seine Gemäldegalerie, von seinem Wohltätigkeitssinne der von ihm gestiftete und erbaute Isolier-Pavillon für ansteckende Krankheiten im Kronprinz Rudolf-Spitals, dieser eminenten Gründung der Eltern des Verstorbenen, nun beredtes Zeugnis. Man wird sich lange noch seines schlichten Wesens, seines geraden und offenen Charakters und seines ausgeprägten Familiensinnes erinnern. Denn Herrn von Mautners einzige Passion war es, dem Wohle seiner Kinder zu leben und sich ihnen zu widmen. Er war zwar ein trefflicher Jäger und ausgezeichneter Schachspieler, aber am liebsten weilte er unter seinen Kindern. Frühzeitig schon, am 28. Juni 1872, hatte Herr von Mautner seine erste Gattin, Johanna, geb. Kleinoschegg, aus Graz verloren. Sie hatte ihm sieben Kinder geschenkt: Harriet, Gemahlin des Kämmerers und Majors Ernst Freiherrn von Haynau, den einzigen Sohn Victor, welcher kürzlich 31 Jahre alt geworden ist, Gertrude, Gemahlin des Obersten Gera von Szilvinyi, Cornelia, verwitwete Schürer von Waldheim, Elsa, vermählt mit Herrn Karl Ritter Dittl von Wehrburg, Christine, Gemahlin des Regierungsrates Dr. Leopold Freiherrn von Wieser, und Doris, welche sich erst vor ungefähr neun Monaten mit dem talentvollen Maler Josef Engelhart vermählt hat. Am 15. August 1874 verheiratete sich Carl Ferdinand Mautner von Markhof zum zweiten Male mit Freiin Edith Sunstenau von Schützenthal, welcher Ehe weitere Töchter, Hertha, Magdalena und Edith, entsprossen sind. Der Verstorbene war ein Bruder der Herren Dr. Ludwig Ritter Mautner von Markhof in Wien und Georg Ritter Mautner von Markhof in Floridsdorf, der Frau Theresia von Reininghaus, der verwitweten Frau Dr. Marie Willner, der verwitweten Frau Emilie Reininghaus, der verwitweten Freifrau Eleonora von Wächter, der verwitweten Hofrätin Coelestine von Oppolzer und der Frau Sektionschef Johanna Mittag von Lenkheym. Wie beliebt der Besitzer der St. Marxer Brauerei gewesen ist, das zeigte die große Teilnahme aller Kreise der Wiener Gesellschaft am Leichenbegräbnisse, zu einer Zeit, wo die Gesellschaft doch noch größtenteils von Wien abwesend. Es hatten sich Donnerstag in der Kirche zu Maria Geburt auf der Landstraße außer sämtlichen Familienmitgliedern eingefunden, um Herrn von Mautner die letzte Ehre zu erweisen: Freiherr von Merkl, Hofrat Heinrich, Herrenhausmitglied Dr. Millanich, die Professoren Chrobak, Frisch und Bohrmann, Generalkonsul von Biedermann, Gustav Freiherr von Springer, der Vorstand der Künstlergenossenschaft Baurat Deiniger mit mehreren Mitgliedern der Genossenschaft, Bezirksleiter Polizeirat Blog, Architekt Rumpelmayer, Kommerzialrat Stiasny, Hofschauspieler Reimers, zahlreiche Großindustrielle, das Gremium der Wiener Hoteliers, Mitglieder der Genossenschaft der Gastwirte mit dem Obmann Valentin Weiland, Vertreter der Gemeinde, das Kuratorium des Kronprinz Rudolf-Kinderspitals, Deputationen der Städte Göding und Smiric und des Marktes Radon, deren Ehrenbürger Ritter von Mautner war. Nach der Einsegnung wurde der Sarg zur Beerdigung in der Familiengruft auf den Hietzinger Friedhof gebracht.
Bericht aus der Böhmische Bierbrauer vom Wiener Salonblatt vom 15. September 1896
Selbstmord eines Brauereibesitzers.
Größtes Aufsehen erregte in Wien der am 1. September d. J. erfolgte Selbstmord des Besitzers der St. Marxer Brauerei Herrn Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof; er hatte sich mit dem Revolver in die rechte Schläfe geschossen. In einem zurückgelassenen Schreiben bezeichnete er als Motiv die Kränkung darüber, daß er in antiliberalen Blättern bei der Besprechung von Gefälligkeitsübertretungen in seinem Brauhause wiederholt in einer Weise verdächtigt worden sei, als ob er selbst in die Sache verwickelt gewesen sei. Die erwähnte gehässigen und auf Unwahrheit beruhenden Angriffe haben ihm das Leben verleidet. Ritter von Mautner, geboren am 16. April 1834 zu Smiritz in Böhmen, war der älteste Sohn des im Jahre 1889 zu Wien verstorbenen Großindustriellen Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof und der 1887 verstorbenen Julie Marcelline von Mautner, geb. Kadisch. Er war Chef der protokollierten Firma Adolf Ignaz Mautner Söhne, k. k. Kommerzialrat, Ritter des Franz Josefs Ordens und Ehrenbürger von Smiritz. Er war in erster Ehe mit Johanna Kleinoschegg aus Graz, in zweiter Ehe mit Edith Freiin von Sunstenau vermählt und hinterließ 10 Kinder; einen Sohn und neun Töchter. Vor zwei Monaten war in den Blättern von Gefällsübertretungen im Marxer Brauhause die Rede; es wurden damals mehrere Bedienstete verhaftet, aber wieder freigelassen. Es ist nicht bekannt, ob die Untersuchung noch fortdauert, oder ob diesselben kein greifbares Resultat ergeben hat. Seit etwa einem Jahr vollzog sich im Wesen Mautners eine tiefgehende Veränderung. Er verlor seine gewohnte, liebenswürdige, wohlwollende Art und wurde täglich gereizter und leidenschaftlicher. Ein nervöses Leiden, das ihn schon vor Jahren einmal befallen, und von welchem er wiederhergestellt worden war, hatte ihn neuerdings ergriffen und wollte nicht weichen. Schmerzliche Ausbrüche gereizter Leidenschaft und dann wieder Stimmungen tiefster Melancholie lösten einander ab. Da kam noch, um seine Zerrüttung zu vollenden, die bekannte Gefällsaffäre.