Kaiser Franz Joseph I. dankt Adolf Ignaz Mautner für die Bewahrung des sozialen Friedens während der Revolution 1848
In den Jahren 1846 – 1847 wird Adolf Ignaz Vorsteher der Brauereiinnung und benutzte diese Stelle, um wesentliche Verbesserungen der materiellen Lage der Arbeiter auf dem Wege friedlicher Vereinbarungen zu bewirken.
Es war dann das Jahr 1848, in dem auch Wien, wie weite Teile Europas, durch eine Revolution erschüttert wird. Die Proteste gegen das Regime des österreichischen Staatskanzlers Metternich nehmen ein derartiges Ausmaß an, dass Kaiser Ferdinand I nach Olmütz flüchtet. Die Revolution 1848 fordert liberale Grundrechte, Pressefreiheit, Gewaltentrennung und vor allem eine volksnahe Verfassung. Die Arbeiterschaft Wiens protestiert gegen die asozialen Zustände der Gründerzeit. Sie verlangen Brot, höhere Löhne und nicht mehr als zehn Stunden Arbeit pro Tag. Schlecht bezahlt, gedemütigt und ohne Hoffnung auf Besserung ist die Verbitterung über die Zustände stärker als der Verstand. Unorganisiert und ohne zukunftsweisende Ideologie werden Maschinen zerstört und Fabriken angezündet, wobei die Täter nicht realisieren, dass die Vernichtung des Arbeitsplatzes keinen Wohlstand bringen kann.
Auch die Brauerei St. Marx ist betroffen. „Eine Horde Aufständischer dringt in das Brauhaus St. Marx ein; ein Rädelsführer verlangt in frecher Weise die sofortige Ausfolgung eines größeren Quantums Bier. Als Antwort versetzt ihm Urgroßvater (Adolf Ignaz) eine schallende Ohrfeige und bemerkt, er wisse schon, was er zu tun habe. Der Effekt war verblüffend, die kritische Situation war gemeistert; besonnene Elemente gaben dem Brauherrn recht, dass er sich keine Frechheit habe gefallen lassen, und die Leute warten ruhig auf das Freibier, welches ihnen dann ausgeschenkt wird.“ 1 Neben dem die innere Stadt umspannenden Festungsgürtel bestand ein äußerer Linienwall, welcher Verzehrungssteuerzwecken diente, der von den aufständischen Arbeitern verteidigt wurde. Daher schreiten Feldzeugmeister Windisch-Graetz und Banus Jellačić zur Belagerung der Stadt, der Holzhof der Brauerei wird durch eine Rakete in Brand geschossen. „Da gesellt sich Urgroßvater unter die Arbeiter und macht ihnen klar, dass es unnütz sei, sich für eine verlorene Sache zu opfern, und sie sehen vom Widerstand ab. Die Vorstadt Landstraße ist vor Zerstörung gerettet. Die einzelnen Kroaten werden im Brauhaus bewirtet.“ 1
So gerne er bereitwillig mit offener Hand zu geben vermochte, so unerschütterlich konnte er sein, wenn man etwas widerrechtlich von ihm zu ertrotzen versuchte. „Eine zügellose Herde, die von Etablissement zu Etablissement wanderte und jedes durch Einschüchterung mehr oder minder brandschatzte, erschien auch in St. Marx, und der Wortführer der Bande wandte sich sofort an Adolf Ignaz mit der Forderung, er möge ein paar Eimer zum Besten geben. Adolf Ignaz antwortete ruhig „Nicht einen Eimer werdet ihr von mir bekommen!“ Und dabei blieb es, denn wenn auch der Pöbel, der damals nicht gewohnt war Widerstand zu finden und weniger noch solchen zu dulden, nicht übel Lust zeigte, sich das Verweigerte durch Gewalt zu verschaffen, so hielt er es schließlich doch angesichts der ruhigen aber ebenso kraftvollen als zielbewussten Haltung von Adolf Ignaz und seiner ihm unbedingt ergebenen Leute für angemessener, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.“ 2
Dramatische Szenen bleiben nicht erspart. Als nach der Stürmung des Zeughauses die bewaffneten Arbeiter und Proletarier anmarschieren um Fabriken, so auch St. Marx, zu plündern und zerstören, greifen die Arbeiter der Brauerei zu Holzprügel, eisernen Stäben und sonstigen tauglichen Werkzeugen und es marschierten dreißig bis vierzig Mann den herannahenden Aufständischen entgegen. Da diese befürchteten, dass hinter den zwar schlecht bewaffneten Männern jedoch noch eine größere Anzahl verborgen sei, beschlossen sie abzuziehen, ohne das Gelände zu behelligen. Von nun an wurde eine regelmäßige Bewachung des Etablissements organisiert, nicht nur zum Schutz des wertvollen Materials, sondern auch der größeren Vorräte an Holz und sonstigen brennbaren Gegenständen, die bei der stets vorhandenen Feuergefahr sich hätten verderblich auswirken können.
Adolf Ignaz konnte es in den gefahrvollen Tagen der Revolution sogar wagen, in seinem Haus die strengste Disziplin nicht nur zu verlangen, sondern auch in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. So wurde sein Name im Verlauf der Revolutionszeit zum Synonym für Hort und Zuflucht für Bedrängte. „Unter seiner eigenen Arbeiterschaft aber hat Urgroßpapa in diesen kritischen Tagen strenge Zucht und Ordnung aufrechterhalten, sodass seine Brauerei eine Zufluchtsstätte für ängstliche Gemüter wurde.“ 1 Unter den Fabrikrealitäten waren ausgedehnte Wohnräume vorhanden, in denen Pfründner untergebracht waren. Ebenso waren zahlreiche Ansässige und die Beamten der Finanzexpositur in den Schutz von Adolf Ignaz geflüchtet, der ihnen bereitwillig Obdach gewährte. All dies komplizierte umso mehr die Sorge für die Sicherheit des Ganzen. Freiwillige Männer der Arbeiterschaft bewachten täglich seine Privatwohnung, um das Eindringen von Unbefugten zu verhindern. Wohl geschah es, dass eine oder andere Mal, dass kleinere bewaffnete Haufen St. Marx stürmen wollten, doch wurden sie gewöhnlich durch die Spende einiger Eimer Bier wieder zum gemütlichen Abzug bewogen. Wie sehr ihn seine Leute liebten und verehrten geht auch aus dem Umstand hervor, dass ihn dieselben, als er sich durch die Beschießung durch die Truppen Jellačićs des Öfteren im Hof den feindlichen Projektilen aussetzte, auch gegen seinen Willen, fast mit Gewalt, in Sicherheit brachten.
Es saßen im Innungslokal die Brauherren ziemlich ratlos, während aus der engen Gasse herauf der Lärm und das Toben, der sich heraufdrängenden Gesellen ertönte, die sich durch Schreien und Drohen gegenseitig in immer größere Erbitterung hineinhetzten. Als Deputation drang schließlich eine Anzahl stämmiger Gesellen ein. Der Innungsvorsteher, ein alter schwächlicher Mann, schickte sich nun an sie mit einer Rede zu empfangen, doch aus der Mitte der Gesellen dröhnte es ihm entgegen: „Du sei still, du hast dein Brauhaus mit dem Schweiße der Vazierenden gebaut!“ Erschrocken und eingeschüchtert ließ sich der alte Herr in den Stuhl sinken und bat Adolf Ignaz an seiner Stelle mit den Eindringlingen zu verhandeln. Dieser trat vor und erklärte in kurzen Worten, dass die Meister wohl zur Konzession geneigt seien, eine Verhandlung aber nur dann möglich wäre, wenn Forderungen und Wünsche genau formuliert und Punkt für Punkt von beiden Seiten durchberaten werden können. Da trat ein stämmiger Geselle vor und schrie: „Wenn die Meister unsere Forderungen nicht gewähren wollen, so werden wir mit den Maßscheitern kommen!“ Doch kaum hatte dieser die Worte ausgesprochen, als ihm Adolf Ignaz – die Gefahr, in welcher er sich angesichts der aufgeregten Menge stürzte, nicht achtend – eine Ohrfeige versetzt, worauf dieser in der ersten Überraschung zurücktaumelte. Anstatt die Menge gegen sich zu erbittern, ertönte ein allgemeines: „Bravo! Er hat recht, das ist nicht die Art etwas durchzusetzen.“ Der Hetzer wurde sodann vor die Tür gesetzt und Adolf Ignaz zum Vermittler der Parteien erwählt. Tatsächlich leitete er von da an alle Verhandlungen, die er auch größtenteils zu einem befriedigenden Abschluss bringen konnte.
Nicht nur, dass er innerhalb seiner Berufsgenossen manche Gegensätze zu mildern und auszugleichen wusste, sein Einfluss wirkte auch weit über den Kreis der ihm direkt Schutzbefohlenen hinaus. Als eine große Anzahl bewaffneter Arbeiter durch die Landstraße zog, um zu plündern und zu rauben, sandte er eine Schutzwache von sechs seiner Arbeiter zum Haus des Bürgermeisters Czapka, welches infolgedessen verschont blieb.
Während der letzten Tage der Revolutionszeit hatte ein Bataillon der Mobilgarde St. Marx besetzt, mit der Absicht sich gegen die vorrückenden kaiserlichen Truppen zu verteidigen. Der Kommandant und die Offiziere dieses Bataillons waren schon daran gewohnt, in den meisten Fragen der bewährten Einsicht und Klugheit von Adolf Ignaz zu folgen, sodass es ihm auch hier gelang sie davon zu überzeugen die Waffen niederzulegen und so unnützes Blutvergießen zu verhindern. Er hatte im Vorfeld nicht nur dafür gesorgt, dass den hereinströmenden Truppen in St. Marx kein sinnloser Widerstand geleistet wurde, sondern er ordnete auch alles zum Empfang derselben an, indem er auf Tischen Zigarren für die Offiziere in Bereitschaft stellte und, die Taschen mit Zwanzigern für die Soldaten gefüllt, den Truppen entgegenschritt.
Dies alles blieb auch von Seite der höheren Befehlshaber her nicht unbemerkt, sodass bald nach der Einnahme von Wien seine Majestät persönlich durch Besichtigung der Brauerei St. Marx Zeugnis für ihre Anerkennung gab. „Großvater hatte fleißig in der Bürgergarde exerziert und auch im zivilen Leben in und um St. Marx Ruhe und Ordnung aufrechterhalten. Eine hohe Auszeichnung wurde ihm damals zuteil. Der jugendliche Kaiser Franz Joseph wünschte den Mann, der in Revolutionszeiten so trefflich Ruhe und Ordnung zu wahren wusste, näher kennenzulernen, begab sich nach St. Marx und ließ sich von meinem Großvater herumführen. Stets blieb er meinem Ahnen wohlgesinnt, bestellte ihn zum Pächter der kaiserlichen Besitzungen in Göding und erhob ihn in den Ritterstand mit dem Prädikate „Markhof“.“ 3
1 Gustav Piffl, „Lebenserinnerungen“ / 2 Maria Waechter, “Fleiß und Wille“ / 3 Theodor I. Mautner Markhof „So war´s“