Schon 1839 war Adolf Ignaz während einer Durchreise nach Ungarn, das erste Mal nach Wien gekommen. Wir wissen nicht, wie er den Kontakt zum damaligen Bürgermeister Ignaz Czapka aufnehmen konnte, fest steht jedoch, dass dieser ihm den Weg in die Residenzstadt ebnete und bis 1848 in vielen Belangen unterstützte (vielleicht war das durchaus beträchtlichen Vermögen, das A. I. bereits mitbrachte ausschlaggebend). Czapka, der seit 1838 an der Spitze der Stadt stand und 1843 als Ritter von Winstetten in den Adelstand erhoben wurde, brillierte im Gegensatz zu seinen Vorgängern durch sein Fachwissen und bemühte sich sehr um zunehmenden wirtschaftlichen Aufschwung. Er förderte alle, die etwas zum Fortschritt, der Finanzierung und die Industrialisierung der Stadt beitragen konnten und vermittelte Adolf Ignaz die brachliegende Brauerei des Wiener Bürgerspitals im Versorgungshaus St. Marx gegen ein geringes, bis 1844 befristetes Pachtentgelt von 100 Gulden. Zeitzeuge Wilhelm Kisch erzählt, dass 1840 in St. Marx ein schlichter Brauer aus der Provinz erschien, dem die Sorge um die Erziehung seiner Kinder in die Residenz getrieben, um sich hierbleibend niederzulassen. Er hatte genügend Kenntnisse, aber auch den nöthigen Fleiss und Willen, um sich der gesunkenen Bierproduction mit Erfolg anzunehmen. Er pachtete im Frühjahre die St. Marxer Brauerei. Mit rastlosem Eifer, dem selbst die Stunden des Tages nicht genügen konnten, arbeitete er an der Verbesserung der Biererzeugung. Seine Familie, zu der neben Ehefrau Marcelline bereits die drei Söhne Carl Ferdinand, Ludwig und Georg sowie die Töchter Therese, Maria und Emilie gehörten, folgte ein Jahr später mit einem großen, von starken Pferden gezogenen Wagen. Der älteste Sohn Carl Ferdinand war damals sieben Jahre alt und musste an den Raststätten für die kleinen Geschwister Milch holen. In Wien kamen dann noch drei weitere Töchter und ein vierter Sohn, August, zur Welt. Adolf Ignaz wollte seinen Söhnen in der Residenzstadt eine bessere Ausbildung und eine gesicherte Zukunft und seinen Töchtern Ehemänner aus der besseren Gesellschaft bieten, was ihm in Böhmen nicht möglich schien.
Es war dem Bürgermeister sicher ein Anliegen, die darniederliegende Bürgerspitalbrauerei mit einem Fachmann zu besetzen, um einen Beitrag zur Verbesserung des Wiener Bieres zu leisten, das mehreren Quellen zufolge eines der schlechtesten der Monarchie gewesen sein muss: Als Adolf Ignaz Mautner das Brauhaus nach mehrjährigem Stillstand wieder in Betrieb setzte, war für Bier damals eine trübe Zeit. Das Braugewerbe lag darnieder, das Wiener Bier zählte zu den am qualitativ schlechtesten Mittel-Europas und als natürliche Folge dessen war der Bier-Consum ein äußerst gering fügiger, der überdies durch die Concurrenz der so außerordentlich billigen österreichischen Weine noch weiter nachtheilig beeinflusst wurde. Das St. Marxer Bier dürfte einen Beitrag zu diesem schlechten Ruf geleistet haben, denn Maria Waechter berichtet von der Anfangszeit der Brauerei: Als Mautner die Brauerei übernahm und bei verschiedenen Wirten Anfragen hielt, ob sie nicht sein Bier beziehen wollten, erhielt er zur Antwort, dies könne nur geschehen, wenn die Bierfässer zur Nachtzeit eingelagert würden, damit es die Gäste nicht erfahren, dass man ihnen St. Marxer Bier vorsetze.
St. Marx lag damals noch innerhalb des Linienwalls und gehörte somit zu den Vorstädten Wiens. 1850, also zehn Jahre nach dem Eintreffen der Familie in der Residenz, wurde der Ort Teil des 3. Wiener Gemeindebezirks und so beschrieben: Am entferntesten Punkte von Wiens Linien gegen Morgen, steht in stiller Abgeschiedenheit, wie der Vorhof der Ruhe und des Friedens, das Versorgungs-Haus und Spital zu St. Marks. Hier finden wir noch Baureste aus dem Mittelalter, morsche rauchgeschwärzte verwitterte Mauerruinen, über deren Häupter Jahrhunderte dahinzogen. Jeder Stein, jeder Winkel erzählt da von längst verschwundenen Zeiten, von längst versunkenen Geschlechtern, von ihren Sitten und Gewohnheiten, von ihren Wünschen und Gefühlen, von ihren Leidenschaften und Irrthümern und wenn wir nur recht aufzuhorchen verstehen, wird uns alsdann der Geist früherer Jahrhunderte offenbar. Der Professor an der medizinischen Fakultät der Universität und Physikus des St. Marxer Bürgerspital Lorenz Novag erzählte 1826 in seinem Buch, dass Der erste Gegenstand, welcher beym Eintritt in den Hof zu St. Marks unserm Blick begegnet, das niedliche gothische Kircherl mit seinem grauen Thurme ist. Es steht auf einem fast viereckigen Rasenplatze, welchen die Mauern der Bräuhaus-Gebäude umschließen […]. So wie man aus der Kirche tritt, bemerkt man rechts zwey Räder, die manchem, der St. Marks besuchte, auffielen, und die doch nur ganz einfache Winden sind, durch welche aus dem Keller auf einem kleinen Wagen des Bräuers Bier herauf gewunden wird. Wer an der Bräukunst Freude findet, der trifft hier in den Gebäuden genug für seine Neugierde. Ein Pferd, das stets im Kreise geht, und eine Maschine thätig macht, die das Bier kühlt. Vier Ochsen, die immerfort die nähmlichen Tritte treten, und dadurch eine Maschine treiben, wodurch das Malz geschrotet, und das Wasser viele Klafter hochgetrieben wird.
Ein Brauhaus hat es vielleicht schon 500 Jahre (1394 wurde das „Bürgerspital zu St. Marks“ in einer Urkunde von Herzog Albrecht III. vom Getränke-Ungeld befreit), sicher aber 200 Jahre vor Adolf Iganz´ Übernahme gegeben. Es gab auch eine Taverne, die in einem Privileg Ferdinands I. aus dem Jahr 1543 erwähnt wird. Dieser Kaiser erlaubte, dass im Siechenhaus Wein und Pier Unngelt und Aller Beschwärung frey ausgeschenkt werden dürfe. 1617 gibt es wieder eine Erwähnung eines möglichen Brauhauses: Manche Reisende blieben gleich nach dem Eintritt durch die Marxer Linie im Bürgerspitalwirtshaus zu St. Marx hängen. Mit Sicherheit wissen wir, dass es ab dem Jahr 1707 eine dem Bürgerspital angeschlossene Zweigbrauerei gegeben hat, für die der dort bestellte Hauspfleger Johann Baptista Küffel dafür eine Jahresabrechnung alda Geld Empfang und Ausgaben von Ersten January bis letzten December anno 1707 erstellt hat.
Ab 1733 wurde die Brauerei nicht mehr in Eigenregie des Bürgerspitals geführt, sondern verpachtet. Der erste Pächter hieß Matthias Erhardt und wir kennen auch acht seiner Nachfolger, die jedoch teilweise mehr durch Raufhändel als durch rechtzeitige Bezahlung der Pacht auffielen, sie waren im Großen und Ganzen als Brauer jedenfalls nicht besonders erfolgreich. So wissen wir von den Herren Karl Kaltner und Franz Gierster, dass sie die Vorgänger von Adolf Ignaz Mautner waren und am Beginn des 19. Jahrhunderts sang- und klanglos in Konkurs gegangen sind. Ein für sehr viele Brauereien der damaligen Zeit auch unbewältigtes Problem war neben der fehlenden Hygiene in der Produktion die negative Beeinflussung der Umwelt. Auch hierfür gibt es einen anschaulichen Text bei Novag: Die Luft ist übrigens in St. Marks aus manchen Ursachen gegenwärtig nicht die beste. Die Senkgruben der großen Artillerie- Caserne, der Krotenbach, in welchen der Unrath fast zweyer Gebäude fließt, der nah gelegene Donau-Arm, der oft die Erdbeer Maß überschwemmt, und stinkende Sümpfe macht, die vielen Küchengärten, in welchen Kohlstrünke u. dgl. der Fäulnis überlassen werden, und einen Gestank verbreiten, der zu ersticken droht, die Stände für jede Gattung Schlachtvieh, die das Spital fast ganz umschließen, die Dünste, die sich im Bräuhaus so verschieden und häufig entwickeln, die Ausdünstungen selbst von mehr als 300 alten Menschen […].
1782 bis 1784 gab es dann große Veränderungen. Kaiser Joseph II. schickte die rund 200 Waisen in die neugegründete Pfarre Maria Geburt am Rennweg zur Obhut und die Kranken, Gebärenden sowie Irrsinnigen in das neu errichtete Allgemeine Krankenhaus in der Alser Straße. Da der Kaiser das Bürgerspital in der Kärntner Straße gänzlich aufhob, wurden die dort untergebrachten städtischen Pfründner in das nun leere St. Marxer Spital verlegt. Es wanderten somit schon im Frühjahre 1785 siebenundachtzig Männer und Weiber aus der Stadt in das Bürgerspital nach St. Marx, wo es nun ein „Versorgungshaus der verarmten Bürger und Bürgerinnen Wiens“ gab. Der wohl berühmteste Bewohner dieses Versorgungshauses war Josef Madersperger, der Erfinder der Nähmaschine, der hier 1850 völlig verarmt starb.
Mit Adolf Ignaz´ Übernahme änderten sich die Verhältnisse rasch und radikal.
1856 wollte er große Investitionen in Höhe von 130.000 Gulden vornehmen und verlangte von der Bürgerspitalswirtschaftskommission einen Zuschuss von 80.000 Gulden. Widrigenfalls drohte er, St. Marx zu verlassen, weil ihm die Gebäude, die ihm zur Verfügung standen, schon zu klein geworden klein waren. Die Kommission hielt es für das Beste, das Objekt an ihn, der sich bis dahin nicht einmal alle notwendigen Reparaturen bezahlen hatte lassen, zu verkaufen. Sie berechnete unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahreserträgnisse aller jener Objekte, die Adolf Ignaz neben dem Brauhaus noch zu erwerben beabsichtigte, einen Kapitalwert von 275.000 Gulden. Beide Teile waren überzeugt, ein sehr gutes Geschäft zu machen. So kam der Kaufvertrag zwischen Adolf Ignaz Mautner, k. k. Landes-Fabrikanten und bisherigem Pächter des Bürgerspitalbrauhauses an der St. Marxer Linie in der Wiener Vorstadt Landstraße und der Bürgerwirtschaftskommission in Vertretung des Bürgerspitalfonds am 1. Oktober 1857 zustande. Er erhielt das Bräuhaus mit Braugerechtigkeit, das Wirtshaus mit Schankgerechtigkeit, das Backhaus mit Backgerechtigkeit, die Schmiede, das Versorgungshaus, die Gärten und Äcker und begann sofort mit umfangreichen Um- und Ausbauarbeiten. Gleichzeitig baute er eine Nutzwasserleitung von der Donau in die Brauerei, die eine der größten des damaligen Wiens war.
Auch alle Räume des Versorgungshauses wurden von Adolf Ignaz adaptierte. Als dann die Insassen des Altenheims in das neue Versorgungshaus in der Währinger Straße übersiedelt wurden, war er endgültig Herr im gesamten Gebäudekomplex. Dieser wurde von der Landstraßer Hauptstraße, dem Rennweg und der Viehmarktgasse begrenzt, wozu noch Lagerkeller in der Schlachthausgasse 39 – 41 und an der Ecke zur Paulusgasse gehörten. Die Brauerei unterschied sich trotzdem von den anderen Wiener Brauereien, weil sie nicht als solche gebaut, sondern erst langsam für industrielle Zwecke adaptiert worden war. Dabei wurde neben dem gesamten Baumbestand auch die gotische Markuskapelle, die aber bereits seit 1784 entweiht war, zerstört. An der Stelle der Kapelle wurde das neue Verwaltungsgebäude errichtet, die ehemalige Gruft wurde stark erweitert und zum „Hausbierkeller“ umgebaut. Die Kapelle wurde einige Jahrzehnte später in sehr ähnlicher Form einige hundert Meter entfernt wieder im Mautner´schen Kinderspital (Elisabeth-Kapelle) aufgebaut. Der alte Spitalsgarten diente als Stallung, Zimmermanns- und Tischlerwerkstätten, die Hausböden des alten Pfründnerhauses als Malztennen und Malzdörren und um Raum zu gewinnen, wurden mehrere Häuser niedergerissen.
Das Geld für den Kauf und Ausbau der Gebäude stammte zu einem großen Teil nicht aus der Bierproduktion, sondern aus der Hefeerzeugung.
Victor Mautner von Markhof und die Pferde
/in Victor Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinFreudenau 1916
Neben Gustav v. Springer und Anton Dreher jun. (mit Zylinder und hellem Kurzmantel) zählte auch Victor Mautner von Markhof (stehend 1. v. links) vor dem 1. Weltkrieg seinen riesigen privaten Rennstall zu einem der größten der Donaumonarchie. Errichtet um 1890, im Gut Markhof im niederösterreichischen Marchfeld, zählte der Stall Mautner auch zu den modernsten seiner Zeit. Eine eigens errichtete Trainervilla beherbergte den aus dem englischen Königshaus engagierten Trainer.
„Herr Victor Mautner v. Markhof steht heuer mit 55 gewonnenen Rennen an der Spitze der Rennstallbesitzer. Graf Paul Orssich folgt mit 47 Siegen an zweiter Stelle, nur um einen Sieg weniger haben die Pferde des Baron Springer errungen. Der Szemere- und Dreher-Stall haben in je 41 Rennen die Sieger gestellt.“ Sport und Salon, 2.12.1911
Der Rennstall des Victor Mautner von Markhof
/in Victor Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinVictor Mautner Markhof und sein Rennstall genossen in der Zeit der k. u. k. Monarchie großes Ansehen und so zollte ihm auch der Jockey Club in seinen Annalen seinen Respekt und Tribut.
Victor Ritter Mautner von Markhof
„Der Nestor der österreichischen Brauindustrie“ – Nachruf Adolf Ignaz
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinEHRE SEINEM ANGEDENKEN Gambrinus, Brauerei- und Hopfen-Zeitung, 1. Jänner 1890
Helene und Victor Mautner von Markhof-Gebäude
/in Victor Ritter Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein„Helene-und-Victor-Mautner-von-Markhof-Spital, Salmhof bei Marchegg, Niederösterreich, eröffnet am 20. September 1914″
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„Helene-und-Victor-Mautner-von-Markhof-Pavillon, Gemeinde Baden b. Wien, Niederösterreich, errichtet 1908″
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Mautner Markhof-Pavillon, Baden b. Wien
Mautner Markhof-Pavillon, Baden b. Wien
1989 – Familientreffen anlässlich des 100. Todestages von Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinIm Gedenken an den 100. Todestag von Adolf Ignaz organisierte Georg IV. J. E. Mautner Markhof ein Treffen für alle Nachfahren, von denen sich am 1. Dezember 1989 dann 450 aus aller Welt in Wien Simmering eingefunden hatten.
Adolf Ignaz Mautner und Anton Dreher
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDurch diese beiden Brauherren wurde Bier zum Volksnahrungsmittel. Sie waren die Begründer einer hinsichtlich Qualität und Quantität nachhaltigen Bierrevolution, die ab 1840 das sogenannte „goldene Braujahrhundert“ einläutete und die Weinstadt Wien zu einer Bierstadt wandelte. Dazu kam, dass in den 1820er Jahren in England das Pressglas erfunden wurde und nun auch in Mitteleuropa durchsichtige Biergläser die alten Zinn- und Steinkrüge ablösten. So konnten die Menschen erstmals auch sehen, was sie tranken.
Wie schon erwähnt, gehörte Adolf Ignaz zu einer Gruppe von Brauern, die nach 1840 die Brauverfahren völlig erneuerten. In Schwechat hatte Anton Dreher nach einer Studien- beziehungsweise Betriebsspionagereise nach England in den Jahren 1833 und 1834 Versuche mit untergärigem Bier nach britischen Erkenntnissen gestartet und damit große Erfolge gefeiert. Seine Methoden dürfte er nicht bei sich behalten haben, denn nur so kann man sich erklären, dass die gesamte Bierzunft im räumlichen Umfeld zur selben Zeit begonnen hatte, die Wissenschaft anstelle des „Gefühls“ anzuwenden. Bis dahin hatte man sich gegen jeden Fortschritt gewehrt und jede Investition in die naturwissenschaftliche Forschung verwehrt. Bierbrauen war beinahe Mystik, da es die vier Elemente, nämlich Wasser im Brauwasser, Getreide für Erde, Luft bei der Gärung und Feuer im Brauvorgang vereinte. So berichten die Brauexperten Urban und Hlatky, dass bei einem drohenden Gewitter eine unsägliche Angst den Braumeister und das ganze Personale erfasste, das Bier könne unter den Einflüssen dieser bösen Wetter verderben und dass man Brauer sogar zu den Alchemisten zählte, die bisweilen unter „Zauberverdacht“ gerieten. Sowohl Dreher als auch Mautner arbeiteten wie die Engländer mit Eisen- statt Holzgefäßen, widmeten der Hygiene großes Augenmerk und wendeten völlige neue Kühlungs- und Lagermethoden an. Sie nutzten das Thermometer, um eine konstante Temperatur bei den Brauvorgängen, und das Saccharometer, um einen konstanten Bierwürzgehalt zu erreichen. Bis dahin hatte in Brauerkreisen der Spruch gegolten, dass die Würze so lange sieden sollte, bis der Rosenkranz fünfmal abgebetet ist. 1873 schrieb man in der Zeitung der Wiener Weltausstellung auch, dass es uns heute noch ein Lächeln abnöthigt, wenn wir hören, dass damals Fachleute, sowohl Brauer als auch Wirthe, die Anwendung des Eises scheuten. Außerdem war man innerhalb der Brauerzunft der Meinung, dass jede Ausstoßerhöhung eines Brauers auf Kosten der anderen gehen müsse. So war es ihr Ziel, allen ihren Mitgliedern ein gesichertes Einkommen zu sichern. Mautner und Dreher erkannten jedoch sehr bald, dass der Bierkonsum enorm gesteigert werden könnte, wenn den Wienern Bier besser als Wein schmecken würde; darüber hinaus sahen sie das beginnende Bevölkerungswachstum voraus.
Als Adolf Ignaz 1840 nach Wien übersiedelte, waren ihm von Böhmen her Vorgaben der Zunft fremd, dass fehlende Kühlung und die Holzgefäße ein Herd für Infektionen waren und das Bier verdarben, war ihm bereits zuvor bekannt gewesen. Mit Hilfe der Erkenntnisse seines Schwechater Kollegen verfeinerte er in Wien seine unkonventionelle Braumethode, ahmte diese aber nie 1:1 nach, sondern versuchte immer neue, eigene Wege zu beschreiten. Da die Nachfrage nach gutem Bier das Angebot bei weitem übertraf, befand er sich zu Beginn auch keineswegs im Wettstreit mit Anton Dreher, sah diesen nicht als Konkurrenten, sondern vielmehr als großes Vorbild, dessen Produktionsleistung es galt einzuholen.
Fast zeitgleich mit Dreher stellte Adolf Ignaz in St. Marx im Winter 1840/1841 neben dem obergärigen „Märzenbier“ auch ein untergäriges Bier her, dieses aber nach einem anderen Verfahren. Bei seinem „St. Marxer Bier“ handelte es sich um ein sogenanntes „Abzugsbier“, das er von den Gärbottichen in große Lagerfässer pumpen („abziehen“) ließ, wo der Gärprozess beendet wurde. Damit blieb den Wirten das Nachgären in den Kellern erspart, ihnen konnte nun ein Bier geliefert werden, das hefefrei, klar und eiskalt, also unmittelbar consumfähig war. Im ersten Jahr konnte er dieses Bier jedoch nur bis Mai ausliefern, da es ab dann wegen der steigenden Temperaturen nicht mehr genießbar war. Schon in Böhmen hatte er erkannt, dass die bisherige bei den Bräuern allgemein herrschende Meinung, dass jedes Bier durch starke Kälteeinwirkung Schaden leiden müsse, eine vollkommen irrige sei und obgleich sich die Brauer noch immer hüteten, grosse Eismassen in ihre Braukeller einzulagern, machte er dennoch den Versuch, das bisher obergährige Bier in Eiskellern einzulagern. Für die Produktion des untergärigen Bieres musste er jedoch schon bei der Produktion einen Eisapparat erfinden. So konstruierte er ein völlig neues Kühlsystem, das er als „Normal-Bierlagerkeller System Mautner“ patentieren ließ und das dem Bier eine gleichbleibende Lagertemperatur sicherte. Er verringerte den Eisbedarf, konnte ab 1843 den ganzen Sommer hindurch mit dem Natureisvorrat auskommen und die Wirte mit untergärigem Bier beliefern. Das Eis entnahm er dem heute noch Mautner-Wasser genannten alten Donau-Arm im Prater, von dem aus er 1856 eine Nutzwasserleitung in die Brauerei baute. Außerdem sicherte er sich ein Wasserrecht am Wiener Neustädter Kanal, dessen Wasser aus dem Quellgebiet der Leitha und der Schwarza nach Wien kam und deshalb eine recht gute Qualität hatte.
Noch vor Dreher experimentierte Mautner mit einer Vacuum-Eismaschine für die Kälteerzeugung, die sich aber nicht bewährte.
Nicht Dreher, sondern er arbeitete erstmals mit einer Dampfmaschine, ein allerdings nur kleines Modell der Marke „Specker“, die er 1845 bei der Wiener Gewerbeausstellung erwarb und beim Wasserschöpfen, Malzputzen und Schroten verwendete. 1872 setzte er bereits zwölf Dampfkessel zu je 30 PS ein, das waren mehr als Dreher, der aber nur Bier und weder Hefe noch Spiritus erzeugte, in Klein-Schwechat zur Verfügung hatte.
Während Dreher sofort mit dem Bau von Kellern begann, ließ Adolf Ignaz erst 1850 eine größere Anlage bauen, die dem Bürgerspitalfonds 30.000 Gulden kostete und zu dem er einen unbekannten Beitrag leistete.
1886 kaufte Adolf Ignaz seine erste Linde-Maschine für die Würze- und Gärkellerkühlung und 1888 eine zweite für die Lagerkühlung. Auch sonst konnte seine Maschinenausstattung in St. Marx mit Schwechat durchaus mithalten, er passte sie laufend an die rasche Produktionssteigerung an. Sein billiges Abzugsbier (das bis zum Zweiten Weltkrieg ausgeschenkt wurde) hatte in Wien zeitweise einen höheren Marktanteil als das Dreher´sche Lagerbier.
Die St. Marxer Brauerei konnte zwar nie die Produktionswerte der Dreher´schen Brauerei erreichen, war aber schon 1870 die zweitgrößte Brauerei Wiens und bald auch die drittgrößte des europäischen Kontinents. Von 45.000 Hektolitern im Jahr 1850 und 97.000 Hektolitern im Jahr 1860 schnellte der Ausstoß auf 287.000 Hektoliter im Jahr 1870 hinauf. Dreher produzierte in diesem Jahr 397.000 Hektoliter Lagerbier, das allgemein als besser als das Abzugsbier bezeichnet wurde. Aber Adolf Ignaz produziert inzwischen auch andere, durchaus geschätzte Biersorten, wie stark malzhaltige Gesundheitsbiere („Göttertropfen“). Die beiden hatten damit 1870 an der Wiener Bierproduktion Marktanteile von 20 beziehungsweise 15 Prozent, die sie bis zur Jahrhundertwende um jeweils zwei Prozentpunkte erhöhen konnten. Über die Industrie-Ausstellung in London 1862 wird berichtet, dass die Biere von Dreher und Mautner großen Beifall fanden und mit Medaillen ausgezeichnet wurden. Besonders das St. Marxer Salon-Bier war sehr begehrt.
Der Vorsprung, den Dreher in Schwechat in der Biererzeugung erzielte, ist wahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass sich Adolf Ignaz bereits zunehmend der Hefeerzeugung gewidmet hatte. Dieses zweite Standbein seiner unternehmerischen Tätigkeit war genauso wichtig und es warf zudem noch höhere Gewinne ab. Ist Anton Dreher als „Erfinder“ des neuen Wiener Lagerbiers in der Wirtschaftsgeschichte verankert, so gilt Mautner im selben Maße als „Erfinder“ des Wiener Verfahrens, seiner Presshefe-Fabrikationsmethode. Als Wirtschaftspioniere finden sich so beide auf derselben Stufe wieder.
St. Marx – vom Siechhaus zur Erfolgsbrauerei
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinSchon 1839 war Adolf Ignaz während einer Durchreise nach Ungarn, das erste Mal nach Wien gekommen. Wir wissen nicht, wie er den Kontakt zum damaligen Bürgermeister Ignaz Czapka aufnehmen konnte, fest steht jedoch, dass dieser ihm den Weg in die Residenzstadt ebnete und bis 1848 in vielen Belangen unterstützte (vielleicht war das durchaus beträchtlichen Vermögen, das A. I. bereits mitbrachte ausschlaggebend). Czapka, der seit 1838 an der Spitze der Stadt stand und 1843 als Ritter von Winstetten in den Adelstand erhoben wurde, brillierte im Gegensatz zu seinen Vorgängern durch sein Fachwissen und bemühte sich sehr um zunehmenden wirtschaftlichen Aufschwung. Er förderte alle, die etwas zum Fortschritt, der Finanzierung und die Industrialisierung der Stadt beitragen konnten und vermittelte Adolf Ignaz die brachliegende Brauerei des Wiener Bürgerspitals im Versorgungshaus St. Marx gegen ein geringes, bis 1844 befristetes Pachtentgelt von 100 Gulden. Zeitzeuge Wilhelm Kisch erzählt, dass 1840 in St. Marx ein schlichter Brauer aus der Provinz erschien, dem die Sorge um die Erziehung seiner Kinder in die Residenz getrieben, um sich hierbleibend niederzulassen. Er hatte genügend Kenntnisse, aber auch den nöthigen Fleiss und Willen, um sich der gesunkenen Bierproduction mit Erfolg anzunehmen. Er pachtete im Frühjahre die St. Marxer Brauerei. Mit rastlosem Eifer, dem selbst die Stunden des Tages nicht genügen konnten, arbeitete er an der Verbesserung der Biererzeugung. Seine Familie, zu der neben Ehefrau Marcelline bereits die drei Söhne Carl Ferdinand, Ludwig und Georg sowie die Töchter Therese, Maria und Emilie gehörten, folgte ein Jahr später mit einem großen, von starken Pferden gezogenen Wagen. Der älteste Sohn Carl Ferdinand war damals sieben Jahre alt und musste an den Raststätten für die kleinen Geschwister Milch holen. In Wien kamen dann noch drei weitere Töchter und ein vierter Sohn, August, zur Welt. Adolf Ignaz wollte seinen Söhnen in der Residenzstadt eine bessere Ausbildung und eine gesicherte Zukunft und seinen Töchtern Ehemänner aus der besseren Gesellschaft bieten, was ihm in Böhmen nicht möglich schien.
Es war dem Bürgermeister sicher ein Anliegen, die darniederliegende Bürgerspitalbrauerei mit einem Fachmann zu besetzen, um einen Beitrag zur Verbesserung des Wiener Bieres zu leisten, das mehreren Quellen zufolge eines der schlechtesten der Monarchie gewesen sein muss: Als Adolf Ignaz Mautner das Brauhaus nach mehrjährigem Stillstand wieder in Betrieb setzte, war für Bier damals eine trübe Zeit. Das Braugewerbe lag darnieder, das Wiener Bier zählte zu den am qualitativ schlechtesten Mittel-Europas und als natürliche Folge dessen war der Bier-Consum ein äußerst gering fügiger, der überdies durch die Concurrenz der so außerordentlich billigen österreichischen Weine noch weiter nachtheilig beeinflusst wurde. Das St. Marxer Bier dürfte einen Beitrag zu diesem schlechten Ruf geleistet haben, denn Maria Waechter berichtet von der Anfangszeit der Brauerei: Als Mautner die Brauerei übernahm und bei verschiedenen Wirten Anfragen hielt, ob sie nicht sein Bier beziehen wollten, erhielt er zur Antwort, dies könne nur geschehen, wenn die Bierfässer zur Nachtzeit eingelagert würden, damit es die Gäste nicht erfahren, dass man ihnen St. Marxer Bier vorsetze.
St. Marx lag damals noch innerhalb des Linienwalls und gehörte somit zu den Vorstädten Wiens. 1850, also zehn Jahre nach dem Eintreffen der Familie in der Residenz, wurde der Ort Teil des 3. Wiener Gemeindebezirks und so beschrieben: Am entferntesten Punkte von Wiens Linien gegen Morgen, steht in stiller Abgeschiedenheit, wie der Vorhof der Ruhe und des Friedens, das Versorgungs-Haus und Spital zu St. Marks. Hier finden wir noch Baureste aus dem Mittelalter, morsche rauchgeschwärzte verwitterte Mauerruinen, über deren Häupter Jahrhunderte dahinzogen. Jeder Stein, jeder Winkel erzählt da von längst verschwundenen Zeiten, von längst versunkenen Geschlechtern, von ihren Sitten und Gewohnheiten, von ihren Wünschen und Gefühlen, von ihren Leidenschaften und Irrthümern und wenn wir nur recht aufzuhorchen verstehen, wird uns alsdann der Geist früherer Jahrhunderte offenbar. Der Professor an der medizinischen Fakultät der Universität und Physikus des St. Marxer Bürgerspital Lorenz Novag erzählte 1826 in seinem Buch, dass Der erste Gegenstand, welcher beym Eintritt in den Hof zu St. Marks unserm Blick begegnet, das niedliche gothische Kircherl mit seinem grauen Thurme ist. Es steht auf einem fast viereckigen Rasenplatze, welchen die Mauern der Bräuhaus-Gebäude umschließen […]. So wie man aus der Kirche tritt, bemerkt man rechts zwey Räder, die manchem, der St. Marks besuchte, auffielen, und die doch nur ganz einfache Winden sind, durch welche aus dem Keller auf einem kleinen Wagen des Bräuers Bier herauf gewunden wird. Wer an der Bräukunst Freude findet, der trifft hier in den Gebäuden genug für seine Neugierde. Ein Pferd, das stets im Kreise geht, und eine Maschine thätig macht, die das Bier kühlt. Vier Ochsen, die immerfort die nähmlichen Tritte treten, und dadurch eine Maschine treiben, wodurch das Malz geschrotet, und das Wasser viele Klafter hochgetrieben wird.
Ein Brauhaus hat es vielleicht schon 500 Jahre (1394 wurde das „Bürgerspital zu St. Marks“ in einer Urkunde von Herzog Albrecht III. vom Getränke-Ungeld befreit), sicher aber 200 Jahre vor Adolf Iganz´ Übernahme gegeben. Es gab auch eine Taverne, die in einem Privileg Ferdinands I. aus dem Jahr 1543 erwähnt wird. Dieser Kaiser erlaubte, dass im Siechenhaus Wein und Pier Unngelt und Aller Beschwärung frey ausgeschenkt werden dürfe. 1617 gibt es wieder eine Erwähnung eines möglichen Brauhauses: Manche Reisende blieben gleich nach dem Eintritt durch die Marxer Linie im Bürgerspitalwirtshaus zu St. Marx hängen. Mit Sicherheit wissen wir, dass es ab dem Jahr 1707 eine dem Bürgerspital angeschlossene Zweigbrauerei gegeben hat, für die der dort bestellte Hauspfleger Johann Baptista Küffel dafür eine Jahresabrechnung alda Geld Empfang und Ausgaben von Ersten January bis letzten December anno 1707 erstellt hat.
Ab 1733 wurde die Brauerei nicht mehr in Eigenregie des Bürgerspitals geführt, sondern verpachtet. Der erste Pächter hieß Matthias Erhardt und wir kennen auch acht seiner Nachfolger, die jedoch teilweise mehr durch Raufhändel als durch rechtzeitige Bezahlung der Pacht auffielen, sie waren im Großen und Ganzen als Brauer jedenfalls nicht besonders erfolgreich. So wissen wir von den Herren Karl Kaltner und Franz Gierster, dass sie die Vorgänger von Adolf Ignaz Mautner waren und am Beginn des 19. Jahrhunderts sang- und klanglos in Konkurs gegangen sind. Ein für sehr viele Brauereien der damaligen Zeit auch unbewältigtes Problem war neben der fehlenden Hygiene in der Produktion die negative Beeinflussung der Umwelt. Auch hierfür gibt es einen anschaulichen Text bei Novag: Die Luft ist übrigens in St. Marks aus manchen Ursachen gegenwärtig nicht die beste. Die Senkgruben der großen Artillerie- Caserne, der Krotenbach, in welchen der Unrath fast zweyer Gebäude fließt, der nah gelegene Donau-Arm, der oft die Erdbeer Maß überschwemmt, und stinkende Sümpfe macht, die vielen Küchengärten, in welchen Kohlstrünke u. dgl. der Fäulnis überlassen werden, und einen Gestank verbreiten, der zu ersticken droht, die Stände für jede Gattung Schlachtvieh, die das Spital fast ganz umschließen, die Dünste, die sich im Bräuhaus so verschieden und häufig entwickeln, die Ausdünstungen selbst von mehr als 300 alten Menschen […].
1782 bis 1784 gab es dann große Veränderungen. Kaiser Joseph II. schickte die rund 200 Waisen in die neugegründete Pfarre Maria Geburt am Rennweg zur Obhut und die Kranken, Gebärenden sowie Irrsinnigen in das neu errichtete Allgemeine Krankenhaus in der Alser Straße. Da der Kaiser das Bürgerspital in der Kärntner Straße gänzlich aufhob, wurden die dort untergebrachten städtischen Pfründner in das nun leere St. Marxer Spital verlegt. Es wanderten somit schon im Frühjahre 1785 siebenundachtzig Männer und Weiber aus der Stadt in das Bürgerspital nach St. Marx, wo es nun ein „Versorgungshaus der verarmten Bürger und Bürgerinnen Wiens“ gab. Der wohl berühmteste Bewohner dieses Versorgungshauses war Josef Madersperger, der Erfinder der Nähmaschine, der hier 1850 völlig verarmt starb.
Mit Adolf Ignaz´ Übernahme änderten sich die Verhältnisse rasch und radikal.
1856 wollte er große Investitionen in Höhe von 130.000 Gulden vornehmen und verlangte von der Bürgerspitalswirtschaftskommission einen Zuschuss von 80.000 Gulden. Widrigenfalls drohte er, St. Marx zu verlassen, weil ihm die Gebäude, die ihm zur Verfügung standen, schon zu klein geworden klein waren. Die Kommission hielt es für das Beste, das Objekt an ihn, der sich bis dahin nicht einmal alle notwendigen Reparaturen bezahlen hatte lassen, zu verkaufen. Sie berechnete unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahreserträgnisse aller jener Objekte, die Adolf Ignaz neben dem Brauhaus noch zu erwerben beabsichtigte, einen Kapitalwert von 275.000 Gulden. Beide Teile waren überzeugt, ein sehr gutes Geschäft zu machen. So kam der Kaufvertrag zwischen Adolf Ignaz Mautner, k. k. Landes-Fabrikanten und bisherigem Pächter des Bürgerspitalbrauhauses an der St. Marxer Linie in der Wiener Vorstadt Landstraße und der Bürgerwirtschaftskommission in Vertretung des Bürgerspitalfonds am 1. Oktober 1857 zustande. Er erhielt das Bräuhaus mit Braugerechtigkeit, das Wirtshaus mit Schankgerechtigkeit, das Backhaus mit Backgerechtigkeit, die Schmiede, das Versorgungshaus, die Gärten und Äcker und begann sofort mit umfangreichen Um- und Ausbauarbeiten. Gleichzeitig baute er eine Nutzwasserleitung von der Donau in die Brauerei, die eine der größten des damaligen Wiens war.
Auch alle Räume des Versorgungshauses wurden von Adolf Ignaz adaptierte. Als dann die Insassen des Altenheims in das neue Versorgungshaus in der Währinger Straße übersiedelt wurden, war er endgültig Herr im gesamten Gebäudekomplex. Dieser wurde von der Landstraßer Hauptstraße, dem Rennweg und der Viehmarktgasse begrenzt, wozu noch Lagerkeller in der Schlachthausgasse 39 – 41 und an der Ecke zur Paulusgasse gehörten. Die Brauerei unterschied sich trotzdem von den anderen Wiener Brauereien, weil sie nicht als solche gebaut, sondern erst langsam für industrielle Zwecke adaptiert worden war. Dabei wurde neben dem gesamten Baumbestand auch die gotische Markuskapelle, die aber bereits seit 1784 entweiht war, zerstört. An der Stelle der Kapelle wurde das neue Verwaltungsgebäude errichtet, die ehemalige Gruft wurde stark erweitert und zum „Hausbierkeller“ umgebaut. Die Kapelle wurde einige Jahrzehnte später in sehr ähnlicher Form einige hundert Meter entfernt wieder im Mautner´schen Kinderspital (Elisabeth-Kapelle) aufgebaut. Der alte Spitalsgarten diente als Stallung, Zimmermanns- und Tischlerwerkstätten, die Hausböden des alten Pfründnerhauses als Malztennen und Malzdörren und um Raum zu gewinnen, wurden mehrere Häuser niedergerissen.
Das Geld für den Kauf und Ausbau der Gebäude stammte zu einem großen Teil nicht aus der Bierproduktion, sondern aus der Hefeerzeugung.
Kindheit und Jugend von Adolf Ignaz Mautner
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinEs begann in Smiřice/Böhmen, an der Elbe zwischen Königgrätz und Josefsstadt. Hier stand im 18. Jahrhundert ein ebenerdiges Gebäude, das in seinen beschränkten Räumlichkeiten nicht nur eine Spiritus-Brennerei und den dazugehörigen Verkaufsladen beherbergte, sondern auch einer mit Kindern reich gesegneten Familie Unterkunft gewähren musste. Leicht war es damals nicht und es waren bescheidene Verhältnisse unter denen Adolf Ignaz Mautner am 26. Dezember 1801 das Licht der Welt erblickte.
Sein Vater war Pächter der Brennerei, Ökonomie und eines Kaufladens des dortigen Großgrundbesitzers. Seine Mutter, eine geborene Winternitz, stand täglich um halb zwei Uhr morgens auf, um das Frühstück für die Viehmelker zu kochen. Während der Vater sich redlich mühte den Unterhalt für seine große Familie zu erwerben, war es die Mutter, welcher nicht nur die ganze Sorge für den Haushalt, sondern auch für die Erziehung der zahlreichen Kinder oblag. „Denn sie ging ihnen, nicht bloß ein leuchtendes Muster selbstlosester Pflichterfüllung mit gutem Beispiel voran, sie war auch stets beflissen mit strengster Disziplin den Charakter derselben zu bilden, so wie auch mit einer, vor keinen Aufgaben zurückschreckenden Selbstaufopferung, deren Wissen so weit als tunlich zu vermehren. Wohl konnte die Summe dieses Wissens bei den damaligen Zeitverhältnissen im Allgemeinen, und bei denen eines von jedem Verkehr abseits gelegenen böhmischen Landstädtchens insbesondere, keine nennenswerte sein, aber was mehr als das Wissen selbst bedeutete, der Drang nach Wissen, das Streben nach Klarheit und Gründlichkeit wurde der Seele des Kindes eingepflanzt. Und so sehen wir den jungen Adolf Ignaz schon im zarten Kindesalter eifrig bestrebt, sich nach jeder Richtung hin Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben.“1 Dass Adolf Ignaz bereits als Knabe einen durchdringenden Verstand mit schneller Kombinationsgabe verband, beweist der Umstand, dass er sich schon im zarten Alter von neun Jahren zum Schachspieler herausgebildet hatte, der den Lehrer, welcher ihm den ersten Unterricht gegeben hatte, nicht selten „matt“ zu setzen vermochte.
„Sein Streben, Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, äußerte sich vorerst darin, sich in allen Fertigkeiten, der in der kleinen Stadt Smiric vertretenen Handwerker (Schlosser, Schmied, Tischler, Drechsler, Uhrmacher) zu üben, sodass er später nicht nur fähig war die Leistungen der einzelnen Handwerker zu beurteilen, sondern auch mitunter ratend oder selbst Hand anlegend, zur Seite sehen konnte.“ 1 Dieses Streben zeigte sich auch darin, dass er für praktische Aufgaben auch immer nach praktischen Lösungen suchte und bei jeder Gelegenheit danach trachtete der Sache auf den Grund zu kommen. Diese Fähigkeit erlaubte es ihm ungeahnte Erfolge auch dort zu erzielen, wo mancher andere kaum einen Versuch gewagt hätte. „Schon beim Knaben gesellte sich zu dem Drang nach Wissen auch ein unerschütterliches Pflichtgefühl, gepaart mit eisernem Willen, sowie das Bestreben jedem nach Kräften hilfreich zu sein.“ 1 Eine Begebenheit zeigt, dass er vor keiner Schwierigkeit zurückschreckte, wenn es galt das umzusetzen, was er für richtig erkannt hatte: In Smiric war eine Rinderseuche ausgebrochen und eine größere Anzahl Rinder, die seinen Eltern gehörte, sollte entweder getötet oder in eine durch mehrere Wochen andauernde strenge Quarantäne gesetzt werden. Da sich niemand zu deren Pflege bereit erklären wollte und die Quarantäne zu beziehen, um sich in Isolation durch Wochen hindurch einzig und allein der Pflege der Tiere zu widmen, übernahm Adolf Ignaz diese Aufgabe. So rettete er nicht nur den Tieren das Leben, sondern auch seinen Eltern eine beträchtliche Summe, die sonst verloren gegangen wäre. Dass Adolf Ignaz, wo es galt zwischen seinem eigenen und dem Vorteil eines anderen die Wahl zu treffen, erst in zweiter Linie an sich selbst dachte, beschreibt auch eine weitere charakteristische Episode aus seiner Jugendzeit: „Eine kleine Fabrik war zu pachten, und mit dem Pachtvertrag in der Tasche machte er sich auf den Weg dieselbe zu übernehmen. An Ort und Stelle angelangt, traf er auf den bisherigen Pächter, der durch die Auflassung des Vertrages mit Weib und Kindern an den Bettelstab gebracht worden war. Als Adolf Ignaz dann auch die Verhältnisse näher kennengelernt hatte und zur Erkenntnis gekommen war, dass sein Pachtantritt für jenen die Vernichtung der Existenz bedeutete, zerriss er den Pachtvertrag und trat von dem Geschäft zurück.“ 1 Er war damals auf eine Pottasche Siederei gestoßen, die nicht rentabel war und wie er hörte, demnächst außer Betrieb kommen sollte. Er sah sich die Sache genauer an und meldete dem Besitzer seinen profitablen Plan. Die Ausführung wurde ihm sodann übertragen und die Sache bewährte sich glänzend. Doch es fiel ihm schwer ums Herz, als er merkte, dass der bisherige Verwalter entlassen werden sollte. Rasch entschlossen ging er zum Besitzer, versprach ihm den alten Verwalter bestens einzuführen, und bat um seine eigene Entlassung.
Wenn es galt eine Sache zu untersuchen, so ließ Adolf Ignaz auch niemals das „Nebensächliche“ außer Acht, denn hatte seine Erfahrung ihn bereits belehrt, dass gerade das, was oft als nebensächlich betrachtet wurde häufig das Ausschlaggebende war. Dieser Gründlichkeit und seinem Scharfblick verdankte er auch seine späteren Erfolge.
Sein kranker Vater, den er rührend gepflegt und betreut hatte, stirbt mit 68 Jahren, am 14. April 1830. „Er hatte stets mittags und abends ein Glas Bier getrunken und sich wohl befunden, bis ihm der Doktor die kleine Lebensfreude untersagte, was auch den raschen Verfall der Kräfte zur Folge hatte.“ 2 So übernahm Adolf Ignaz Brennerei und Kaufladen und in späterer Folge auch eine Brauereipachtung. Arbeit und Sorgen gab es genug, auch war zu wenig Geld im Betrieb vorhanden. Ein Onkel gewährte finanzielle Unterstützung, ein anderer verweigerte die Einschulung zum Bierbrauer. So musste sich Adolf Ignaz dieses Wissen empirisch erwerben. „Trotzdem war das Bier bald das beste in der ganzen Umgebung, es bekam einen solch´ guten Ruf, dass die Abnehmer auf eine Zustellung verzichteten und es selbst aus dem Brauhaus holten, um nur ja eines zu bekommen und auch schließlich einen Überpreis von zwei Gulden bezahlten.“ 2 Damals wurde der Grundstein zum Familienvermögen gelegt.
Ein erfolgreicher Brauer namens Nowotny bat eines Tages seinem Bruder den Pachtvertrag für einen wirtschaftlich sehr unrentablen Standpunkt an. Als Adolf Ignaz das Objekt gemeinsam mit Eigentümer und Bruder Eduard (später umbenannt in Eduard Malburg) besichtigte, tat er schon kurz darauf den Ausspruch, dass unter den vorherrschenden Verhältnissen eine gute Leistung ganz unmöglich sei. Erstaunt und ungläubig wollte der Eigentümer wissen, wie Adolf Ignaz dies nach einer oberflächlichen Besichtigung mit einer solchen Sicherheit behaupten könnte, während erfahrene Brauer selbst nach eingehender Untersuchung ratlos geblieben waren. Als er daraufhin Herrn Nowotny auf einen wesentlichen, in der baulichen Anlage liegenden Fehler hinwies, welcher die Herstellung eines guten Bieres unmöglich machte, imponierte diesem das in einer solchen Weise, dass er dem noch jungen Mann spontan den Vorschlag machte, mit ihm gemeinsam eine Brauerei in Ungarn zu errichten. In Folge begab sich Adolf Ignaz nach Pest. Zum Bau der geplanten Brauerei kam es aufgrund zu großer gesetzlicher Hindernisse nicht, aber bei seiner Durchreise durch Wien erfuhr er, dass die Maut über die damalige Taborbrücke zu vergeben sei. Er beteiligte sich an der Versteigerung und erstand sie. Obwohl er die gepachtete Maut nicht selbst verwaltete, so war ab diesem Zeitpunkt doch die Veranlassung gegeben, mit Wien in Kontakt zu bleiben. „Er befreundete sich immer mehr mit dem Gedanken, für immer nach Wien zu ziehen.“ 1
1 Maria Waechter, „Fleiß und Wille“ / 2 Theodor I. Mautner Markhof, „So war´s“
Schach dem General – Adolf Ignaz und Napoleon Bonaparte
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDass Adolf Ignaz bereits als Knabe einen durchdringenden Verstand mit schneller Kombinationsgabe verband, beweist der Umstand, dass er sich schon im zarten Alter von neun Jahren zum Schachspieler herausgebildet hatte, der den Lehrer, welcher ihm den ersten Unterricht gegeben hatte, nicht selten „matt“ zu setzen vermochte. Das Schachspiel, dem er noch bis in die letzten Tage seines hohen Alters huldigte, versetzte ihn auch bereits mit acht Jahren in die Lage, sein Elternhaus vor arger Bedrängnis und Schädigung zu bewahren.
„Bei meinen Urgroßeltern ist ein französischer General eingemietet. Niemand kann mit ihm reden, er hat die Adjutanten weggeschickt und sitzt scheinbar gelangweilt in der guten Stube. Da nimmt der achtjährige Adolf Ignaz ein Schachbrett, stellt es vor den General und spielt mit ihm stundenlang Schach, das der frühreife Junge schon gut beherrscht.“ 1
Die Folge davon war, dass sein Elternhaus nicht nur vor jeder Einquartierung verschont blieb, sondern darüber hinaus auch eine Ehrenwache erhielt.
1 Theodor I. Mautner Markhof, „So war´s„
„Fleiss und Wille“ von Maria Waechter
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinMaria „Mizzi“ Freifrau von Waechter (1864 – 1924), als älteste Tochter von Georg Heinrich eine geborene Mautner von Markhof, ehelichte ihren Cousin Rudolf Freiherrn von Waechter (1861 – 1925), den Sohn ihrer Tante Eleonora.
Freiherr Rudolf und Freifrau Maria von Waechter, geb. Mautner von Markhof