Als Adolf Ignaz Mautner Smirice verließ, befand sich Europa bereits im Umbruch. Für noch lange Zeit würde Friede herrschen, die Künste erlebten neue Blüte, das Industriezeitalter hatte längst begonnen. Je stärker jedoch die Industrialisierung fortschritt, desto brennender wurden die sozialen Probleme, da selbst der Staat vom aufkommenden Elend überrascht wurde und nur langsam vermochte die Auswirkungen der industriellen Revolution zu begreifen. Die traditionelle Versorgung innerhalb der Großfamilie geriet ins Wanken, immer mehr Menschen strömten in die Stadt, das Überangebot an Arbeitskräften führte wiederum zu einem furchtbaren Mangel an Wohnungen, die Mietpreise stiegen ins Gigantische. Hunderttausende Arbeiter in Europa sind dankbar, wenn sie als „Bettgeher“ einen Schlafplatz finden. Den meisten Männern der ersten Unternehmergeneration war soziales Denken völlig fremd, meist schon brutal wurde die Notlage der Menschen ausgenützt, Schutzbestimmungen für arbeitende Menschen gibt es so gut wie keine.
So wuchs auch Wien innerhalb nur weniger Jahrzehnte zu einer Millionenstadt an – nicht zuletzt darin lag ja der Grund für den plötzlich gesteigerten Bierabsatz dieses Jahrhunderts. Doch das soziale Elend machte letztlich auch vor den Brauern nicht Halt, die davor zu den eher privilegierten Gruppen unter den Handwerkern gehörten. Im Jahre 1871 gab es in Wien und Umgebung 22 Brauereien, in denen rund 4000 Brauergehilfen beschäftigt waren. Diese große Zahl erklärt sich dadurch, dass die maschinellen Einrichtungen noch äußerst primitiv waren und ungelernte Hilfsarbeiter nicht beschäftigt wurden. Alle Arbeiten, mit Ausnahme der Kutscher und Maschinenbedienung, wurden von Brauern und Bindern geleistet.
Im Fassbindergewerbe wurde durchschnittlich 15 Stunden täglich gearbeitet – eine Arbeitszeit, die nur durch kurze Essenspausen unterbrochen war. Kost und Quartier war Aufgabe des Meisters, Essensqualität Aufgabe der Meisterin. Im Schlafraum standen die Betten in drei bis vier Etagen und es wimmelte nur so vor Ungeziefer. Dies war auch der Grund, warum die Gehilfen es in den Sommermonaten vorzogen unter freiem Himmel zu schlafen. Ihr Wochenlohn betrug zwischen 2 Gulden 50 Kreuzer bis 7 Gulden für die bestqualifizierten Arbeiter. Infolge der langen Arbeitszeit und der Wohnung beim Meister waren die Gehilfen von der Außenwelt abgeschnitten. Die meisten fühlten sich in den Verhältnissen wohl, und hatten keine Ambition selbst auch nur das geringste am Althergebrachten zu ändern. Schließlich gab der Brauerstreik 1871 Anstoß zu einer intensiven Bewegung der Fassbinder, woraufhin sie im Juni die Arbeit niederlegten und folgende Forderungen stellten: Einführung der Akkordarbeitszeit, Verkürzung der Arbeitszeit auf 11 Stunden täglich mit drei Pausen. Lohnforderungen wurden keine gestellt, denn man erhoffte sich bessere Verdienstmöglichkeiten durch Akkordarbeit, die gerne bewilligt wurde, da sie dem Meister reichlich Gewinn brachte – die Gesellen spornten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Es blieb weiterhin bei 13 – 14 Stunden Arbeit, den verwanzten Betten und der kargen Kost. Da jedoch jeder die Möglichkeit sah im Akkord (unter unmenschlicher Plackerei), wenn er fähig war die meisten Fässer herzustellen, einige Gulden mehr zu verdienen, dachte niemand mehr an weitere Verbesserung. Körperlich schwächere Arbeiter wurden nun nur noch umso mehr missachtet, die Meister schürten Hochmut einerseits und Neid andererseits, ein System der sozialen Uneinigkeit entstand. Durch die Hochkonjunktur wurden viele Bindergehilfen in Brauereien, Spiritusfabriken und Weinhandlungen beschäftigt und waren Gegenstand des Spottes und der Verachtung für die dortigen Werkstattgehilfen. Man nannte sie einfach nur Hausknechte. Auf all diese Umstände ist es zurückzuführen, dass die Fassbindergehilfen keine Organisation hatten, nicht einmal den Versuch starteten sich gegen ihre Unterdrücker zu wehren, und gezwungen waren unter miserablen Verhältnissen zu leben und zu arbeiten. Mit der Entwicklung neuer Produktionsweisen und der Rückständigkeit der Meister wurde die Konkurrenz mit der Zeit immer spürbarer, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit waren die Folge.
Was die Brauer betraf, so war die Arbeitszeit mit 365 Tagen im Jahr unbegrenzt, Sonn- und Feiertagsruhe waren gänzlich unbekannte Begriffe. Dafür gab es Freibier im Überfluss, was zur Folge hatte, dass so mancher Arbeiter aus dem Alkohol-Dusel nicht mehr herausfand. Die mit Ungeziefer, Mäusen und Ratten bevölkerten Schlafräume hatten Betten in zwei bis drei Etagen geschlichtet (sogenannte Himmelbetten), sodass es bei dem vielen Biergenuss nicht selten vorkam, dass der in der unteren Etage Schlafende in der Nacht plötzlich einen „Regen“ verspürte. Von der schweren, lang andauernden Arbeit todmüde und vom vielen Biertrinken berauscht, fielen sie irgendwann, meistens in Kleidern und Stiefel auf die Liegestatt, um schon nach wenigen Stunden vom Vize brutal geweckt zu werden. Schimpfworte und Schläge waren an der Tagesordnung, denn das System sah vor, dass der nicht der Fähigste zum Vorderburschen bestimmt wurde, sondern der körperlich Stärkste. Aufgrund der daraus resultierenden inkompetenten Führung mussten sich alle mehr als notwendig plagen, sanitäre Missstände und der permanente Alkoholkonsum leisteten das Übrige, sodass junge kräftige Männer in nur kurzer Zeit dahingerafft wurden. Krankenversicherung gab es keine, die Brauherren zahlten an das Spital der Barmherzigen Brüder eine Pauschale; 80 – 100 Mann lagen dort jahrein, jahraus und wurden zur ewigen Ruhe getragen. Die Verhältnisse erlaubten es keinem zu heiraten, es war beinahe unmöglich eine Familie zu gründen. Diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, dass viele Geschlechtskrank wurden und sich auf diese Art den Todeskeim holten. Nichts desto trotz waren die Brauer, im Gegensatz zu den Fassbindern, von einem starken Zunftgeist durchdrungen, der seinesgleichen suchte.
Eine bemerkenswerte Einrichtung war das Vazierandentum, nichts Vergleichbares findet man in einer anderen Industrie. Jede Brauerei hatte eine Anzahl Brauer, die nur Bier und Schlafstelle, jedoch keinen Lohn bekamen. Wollte sich nun ein mit Lohn angestellter Brauer für einige Stunden freimachen, so war er gezwungen auf einen der Vazierenden zurückzugreifen und ihn selbst dafür zu bezahlen.
Nicht zu beneiden waren damals auch die Bierkutscher. Nicht nur mussten sie den voll beladenen Wagen souverän lenken, sondern auch mit den schweren Fässern beim Auf- und Abladen herumhantieren. Besonders zur Winterzeit, wenn sie bei eisiger Kälte weite Strecken auf holpriger Straße zurücklegen mussten, war ihr einziger Schutz die sogenannten „Bierkutscherstiefel“, klobige Fußwärmer aus geflochtenen Strohmatten.
Abschaffung des Begriffes „Knecht“
Schon die Benennung der Arbeiter in den Brauereien deutete auf eine menschenunwürdige Lage und Behandlung hin. Adolf Ignaz, der sowohl stets ein offenes Auge und einen zur Hilfe geneigten Sinn für die mannigfachen sozialen Missstände seiner Zeit, als auch Dankbarkeit für geleistete Dienste hatte war es, der ihre Bezeichnungen für schändlich empfand und eine eigene Nomenklatur ausarbeitete. Diese unterbreitete er der politischen Behörde, die sie annahm und definitiv einführte. Braubursche, Braugeselle, Brauführer, Obermälzer, Biersieder und wie sie alle heißen verdanken ihm alleine ihre Benennung. Bis zur Einführung seiner Nomenklatur hießen sie alle ausnahmslos „Knechte“, kurze Zeit darauf wird die Bezeichnung in allen österreichischen Brauereien für immer abgeschafft.
Krankenpflege und Altenversorgung
Zur Popularität, die er auf diese Weise schon bald nach seinem Eintreffen in Wien erlangt hatte, trug nicht zuletzt auch die unablässige Sorge um das Wohlergehen seiner Arbeiter bei. Von Beginn an wurden Einrichtungen für die Krankenpflege und Altenversorgung, für Quartier und Verpflegung ins Leben gerufen. Anfangs natürlich in bescheidenem Maße, mit der Zeit und den wachsenden finanziellen Ressourcen jedoch in einer umfangreichen und allen Erfordernissen entsprechenden Dimension. In Krankenständen wurde bis zu drei Monaten der Krankheitsdauer der volle Lohn nebst Arztkosten und Arzneimittel bezahlt. Arbeiter mit geschwächter Gesundheit wurden mit vollen Bezügen zur Erholung in Bäder oder aufs Land geschickt. Witwen und Waisen erhielten im Bedarfsfall ausreichend Unterstützungsgelder – eine obligatorische Lebensversicherung war Teil davon.
Unterkunft und Obdach
War der Begriff „Dienstwohnung“ in jenen Zeiten noch nicht geprägt, so erbaute Adolf Ignaz bereits ein Arbeiterzinshaus für zwölf Familien, jeweils mit Zimmer, Küche und Kabinett, und stellte es seinen Leuten zum Maximalbeitrag von 60 Gulden/Monat – je nach Einkommenslage bis hin zur Zinsfreiheit – zur Verfügung. Auch gehen die Gründung eines Arbeiter-Asyls und eines Invalidenbaues auf das Konto seines visionären sozialen Engagements.
Gewinnbeteiligung
Vor allem im Kontext der Zeit und der herrschenden Umstände war die Gewährung einer prozentuellen Gewinnbeteiligung nicht nur ein sozialer, sondern gleichfalls revolutionärer Akt.
Wie sehr Adolf Ignaz in späteren Tagen um das Wohl seiner Arbeiter besorgt gewesen ist, ist allbekannt. Weniger bekannt dürfte jedoch sein, dass er dies schon zu einer Zeit getan hatte, als er noch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Dennoch trug er auch damals schon in allererster Linie für seine Arbeiter Sorge, indem er, als er die Brauerei in Smirice nur als Pächter betrieb, für alle länger bei ihm Beschäftigten Einlagen für deren Alter in die allgemeine Versorgungsanstalt machte. Ebenfalls charakteristisch für ihn ist, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren eifrigst Nachforschungen anstellte, um in Erfahrung zu bringen, ob nicht etwa irgendeiner seiner ehemals in Böhmen Bediensteten der Hilfe bedürftig sei. Ihm war es einfach eine Herzensangelegenheit Unterstützung zu gewähren, er wollte dabei auch überraschen und Freude bereiten. Ganze Tage verbrachte er damit, ihm nahestehenden oder auch nur entfernt mit ihm in Berührung gekommenen Personen Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände zu senden, in denen er auch größere Geldbeträge versteckte.
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Den Adel im Herzen
Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal und Carl Ferdinands Töchter
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinEditha Freifrau Sunstenau von Schützenthal, Ehefrau von Carl Ferdinand Mautner von Markhof
Nachdem seine Ehefrau und Mutter seiner ersten sieben Kinder, Johanna Kleinoscheg, 1872 nur 26jährig verstorben war, heiratete Carl Ferdinand 1874, nunmehr als Ritter Mautner von Markhof, die ebenfalls adelige Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal (1846 – 1918), eine bekannte Philanthropin und Förderin der Mädchen- und Frauenbildung in Österreich. Sie war als Tochter von Friedrich, einem k. u. k. Oberstleutnant und Ritter des Maria-Theresien-Ordens, für die Führung eines so großen Haushalts bestens geeignet. Editha war eine engagierte Stiefmutter und schenkte Carl Ferdinand darüber hinaus noch drei weitere Töchter.
Mit ihrem Einzug veränderte sich das Leben im bislang eher bürgerlichen Haushalt grundlegend. Hauslehrer hatte es davor schon gegeben, nun aber kamen auch adelige Gouvernanten hinzu, die sich im Sinne der Mutter auch um eine künstlerische Ausbildung der Mädchen kümmerten. Für eine standesgemäße Residenz eignete sich eine Wohnung in der Brauerei St. Marx nur wenig und so übersiedelte man einige Jahre nach der Hochzeit, zu Beginn der 1890er Jahre in ein neues Haus auf die Landstraßer Hauptstraße. Prominente Gästen waren an der Tagesordnung, unter ihnen der Archäologe Otto Benndorf, der Begründer des Österreichischen Archäologischen Instituts, der ab 1896 die Ausgrabungen in Ephesos erst mit Carl Ferdinands finanzieller Unterstützung beginnen konnte – was man auch heute noch einer Tafel bei den Ausgrabungsstätten entnehmen kann. Auch der Bildhauer Carl Kundmann, der die Grabreliefs auf dem Familiengrab am Zentralfriedhof und eine Büste von Carl Ferdinand anfertigte, die im Kinderspital aufgestellt wurde, war ein regelmäßiger Besucher. Die Frauenrechtlerin Marianne Hainisch, Mutter des späteren Bundespräsidenten, zählte zu Edithas Freundinnen.
Zugleich erwarb Carl Ferdinand auch das angrenzende Grundstück, auf dem sich die kleine Sommerresidenz des Hausarztes von Kaiser Karl VI. befunden hatte. Dort ließ er das heute noch bestehende Palais ähnliche Gebäude bauen. Das für seine künstlerisch begabte Tochter Dorothea (Engelhart) im Garten errichtete Atelier wurde jedoch 1951 abgerissen. Nach seinem Tod übernahmen dann junge Künstler das Kommando und das Haus Nr. 138 wurde eine Begegnungsstätte der Sezessionisten.
Editha formte den Haushalt völlig um und unter ihrer Fittiche wurden die Töchter bestens auf eine damals standesgemäße Ehe vorbereitet. So ermöglichte sie den fünf älteren Töchtern weitere Ehen mit Adeligen, meist nicht sehr vermögenden Offizieren, es waren wohl kaum Liebesheiraten. Eine Ausnahme war Elisabeth, die Karl Dittl von Wehrberg heiratete, der Gutsherr in Göding war und 1938 auch als Aufsichtsratsvorsitzender im Verwaltungsrat der Vereinigten Brauereien fungierte. Auch Edithas jüngste Stieftöchter Dorothea wehrte sich vehement gegen eine arrangierte Ehe und soll bei ihrer Verlobungsfeier lauthals verkündet haben, dass sie nicht bereit sei, den vorgesehenen, schwer verschuldeten jungen Offizier zum Mann zu nehmen – was für diesen angeblich der Grund für seinen Selbstmord wurde. Sehr zum Schrecken ihres Vaters hatte sie sich in den Maler Josef Engelhart verliebt, der auf dem Nachbargrundstück Steingasse 13–15 ein Atelier besaß und so dem jungen, ebenfalls kunstbesessenen Mädchen „über den Zaun“ nähergekommen war. Für diese war der extravakante Künstler natürlich eine interessante und exotische Abwechslung. Carl Ferdinand versuchte ihr diese Verbindung mit allen Mitteln auszureden und schickte sie zur künstlerischen Ausbildung nach München. Doch die Beiden arrangierten geheime Treffen und Engelhart war dermaßen in Dorothea verliebt, dass er seinem Tagebuch anvertraute: Sollte Doris nicht meine Frau werden können, dann würde ich auch die Kunst wegwerfen, weil ich auch an ihr keine Freude mehr haben könnte. Knapp vor seinem Tod stimmte Carl Ferdinand schließlich doch noch schweren Herzens dieser Heirat zu. Das junge Paar führte dann eine sogenannte Künstlerehe, in der es im Gegensatz zu denen der meisten ihrer Schwestern nicht sehr vornehm zuging. Ihre Tochter Josefine schreibt in der Familienchronik: Da sich mein Vater hauptsächlich im Atelier aufhielt, entstand ein Eigenleben – ja man könnte sagen, daß sowohl der Künstler als auch die Familie eine Art Eigendynamik entwickelte, die zu einer Entfremdung führen musste. Mein Vater war nie ein Familienvater, sondern immer nur Künstler. Im Laufe der Ehe verschlechterte sich auch Engelharts Verhältnis zu seiner Schwiegermutter zusehends, da diese der Meinung war, dass er ihre Tochter zu sehr unterdrückte. Er hätte ihr sogar das Malen untersagt, was in den Augen einer engagierten Frauenrechtlerin natürlich völlig inakzeptabel war. Man erzählt sich, dass Engelhart den Drachen über seinem Haus in der Steingasse 15 Editha „gewidmet“ haben soll. Der Sohn der beiden, Michel, wurde später ein bekannter Architekt und Professor an der Technischen Hochschule, der sich nach 1945 beim Wiederaufbau des Zuschauerraums im Burgtheater, des Tiergartens Schönbrunn und des Palais Schwarzenberg auszeichnete. Engelhart selbst wurde vor allem durch seine zahlreichen Bilder von Wiener Typen bekannt, er war aber auch ein erfolgreicher Bildhauer und entwarf gemeinsam mit Jože Plečnik anlässlich des 60. Geburtstags von Karl Lueger den Karl-Borromäus-Brunnen vor dem Bezirksamt Landstraße und das Waldmüllerdenkmal im Rathauspark. In seinem Atelier trafen sich bei ausschweifenden Festen die „jungen Wilden“ der Wiener Secession, unter anderem Kolo Moser, der auch den Kachelschmuck an der Fassade entworfen hatte.
Carl Ferdinand starb nur ein paar Monate nach der Hochzeit von Dorothea. Seine Witwe Editha war als Frauenrechtlerin nach wie vor gegen arrangierte Ehen und konnte ab diesem Zeitpunkt für die anderen noch unverheirateten Mädchen von diesem Prinzip abweichen. Nicht nur ermöglichte sie den jüngeren Töchtern Verbindungen mit bürgerlichen Wissenschaftlern und Künstlern, sie förderte dies sogar. Ihre älteste Tochter Hertha war nicht nur eine gute Pianistin und begeisterte Bergsteigerin, sondern beschäftigte sich unter dem Einfluss von Marianne Hainisch sehr im Sinne ihrer Mutter eingehend mit Frauenfragen. 1906 wurde sie in den Vorstand des Wiener Frauenklubs kooptiert, arbeitete während des Ersten Weltkriegs aktiv als Betreuerin der Säuglingsfürsorge und war jahrzehntelang im Bund österreichischer Frauenvereine tätig. 1898 heiratete sie den Physiker und Universitätsprofessor Gustav Jäger und zog mit ihm ab 1902 in die Villa Landstraße 142. Aus dieser Ehe ging der bekannte Experte für Genealogie und Heraldik Hanns Jäger-Sunstenau hervor.
Die beiden jüngsten Töchter Ditha und Magda waren ebenfalls kunstbegeistert und lernten beim Besuch der Kunstgewerbeschule Koloman Moser, der dort als Professor tätig war, kennen. Editha und Koloman verliebten sich sofort ineinander. Moser schrieb eine Reihe an Liebesbriefen, in denen neben der respektvollen Verliebtheit auch sein Zögern zur Sprache kam, als wesentlich älterer (15 Jahre) Mann und „armer Künstler“ der „höheren Tochter“ aus wohlhabendem Haus Avancen zu machen. Es gab keinen Widerstand der Mutter, vielmehr begleitete sie das junge Paar 1904 bei einer Reise durch Norditalien und beauftragte den bereits sehr bekannten Jugendstilkünstler mit der Neugestaltung ihres Speisezimmers. Sie beauftragte auch Karl Moll mit der Planung einer Villa am Semmering, die mit einem eigenartigen alpinen Stil zu den schönsten Luxusvillen dieser Region zählt und dem jungen Paar als Sommersitz diente. Kolo Moser gehörte der Keimzelle der Wiener Sezession an, war auch an der Gestaltung des Sezessionsgebäudes beteiligt und gründete 1903 mit Josef Hoffmann die Wiener Werkstätte. Ditha ließ sich von Kolo Moser inspirieren, entwarf Kalender, Grußkarten und Tarockkarten, u. a. eine Sonderedition, mit der sie 1906 an die Goldene Hochzeit ihres Großvaters Adolf Ignaz erinnerte. Sie und Koloman verkehrten mit der gesamten Kunstprominenz dieser Jahre und waren auch oft in den berühmten Salon der Alma Mahler geladen. Moser starb 1918 an einem bösartigen Kiefertumor, Ditha heiratete m 23. Februar 1919 in zweiter Ehe den Kaffeehausbesitzer Adolf Hauska, der wiederum 1929 verstarb.
Magda war gemeinsam mit ihrer Mutter Mitbegründerin des „Neuen Wiener Frauenclubs“, verfasste Gedichte und sammelte Kunstwerke, darunter auch von Klimt, welcher sie 1904 skizzierte. 1913 heiratete sie den Innviertler Bauern und Lehrer Alois Grasmayr, der ebenfalls eine künstlerische Ader hatte und dessen Haus auf dem Salzburger Mönchsberg in der Zwischenkriegszeit zum gesellschaftlichen Zentrum für Künstler und Schriftsteller um Stefan Zweig wurde. Mit Hilfe von Magdas Mitgift erwarben sie noch rechtzeitig vor der Inflation 1922 die Hotels Bristol und Stein sowie das bekannte Sternbräu und wurden so zu wohlhabenden Hoteliers.
Hertha (verehel. Jäger v. Sunstenau), Magdalena „Magda“ (verehel. Grasmayr) und Editha „Ditha“ (verehel. Moser)
Harriet (verehel. von Haynau)
Harriet (verehel. von Haynau)
Harriet (verehel. von Haynau)
Harriet (verehel. von Haynau), Magdalena „Magda“ (verehel. Grasmayr), Hertha (verehel. Jäger v. Sunstenau) und Editha „Ditha“ (verehel. Moser)
Harriet (verehel. von Haynau) und Editha „Ditha“ (verehel. Moser)
Christine (verehel. von Wieser) und Dorothea „Doris“ (verehel. Engelhart)
Elisabeth „Elsa“ (verehel. Dittl von Wehrberg), Christine (verehel. Freifrau von Wieser), Dorothea „Doris“ (verehel. Engelhart)
Elisabeth (Elsa), Dorothea (Doris) Christine (Christl) und Cornelia (Lily) mit ihrem Großvater Kleinoschegg
Christine (verehel. Freifrau von Wieser), Elisabeth (verehel. Dittl von Wehrberg), Cornelia (verehel. Schenk zu Castel) und Dorothea (verehel. Engelhart) mit ihrem Großvater Kleinoschegg
Elisabeth, Hertha (stehend), Doris, Ditha, Magda Christine, Gertraud (Mitte) und Cornelia (vorne)
Hochzeitsanzeige Harriet und Ernst Frh.v. Haynau, 1884
Hochzeitsanzeige Harriet und Ernst Frh.v. Haynau, 1884
Harriet und Ernst Frh.v. Haynau, 1884
Ernst Freiherr von Haynau und Harriet, Salonblatt 13.3.1909
Hochzeitsanzeige Gertrud „Gerti“ und Géza v. Szilvinyi, 1884
Géza v. Szilvinyi und Gertrud „Gerti“ Mautner, 1884
Gertrude Mautner Markhof, verehel. von Szilvinyi (Wr. Salonblatt 1.3.1913)
Hochzeitsanzeige Cornelia „Lilly“ und Ludwig Schürer v. Waldheim, 1886
Hochzeit Cornelia Mautner v. Markhof und Ludwig Schenk zu Castel, Wiener Salonblatt, 1. April 1899, S. 8, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Cornelia „Lilly“ und Ludwig Schürer von Waldheim, 1886
Cornelia „Lilly“ (verw. Schürer v. Waldheim) und Ludwig Gf. Schenk zu Castell, 1899
Karl Dittl v. Wehrberg und Elisabeth „Elsa“, 1887
Hochzeitsanzeige Christine „Christl“ und Leopold Frh.v. Wieser, 1889
Hochzeit Christine Mautner v. Markhof und Leopold von Wieser, Wiener Salonblatt, 20. Oktober 1889, S. 1-2,6, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Leopold Freiherr von Wieser und Christine, Salonblatt 20.10.1889
Hochzeit Doris Mautner v. Markhof mit Josef Engelhart, Wiener Salonblatt, 4. Januar 1896, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Dorothea „Doris“ und Josef Engelhart
Editha „Ditha“ und Koloman Moser
Mutter und Tochter mit Gustav Klimt. Editha „Ditha“ Moser und Editha Mautner von Markhof
Hochzeit Christine Mautner v. Markhof und Leopold von Wieser, Wiener Salonblatt, 20. Oktober 1889, S. 1-2,6, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Hochzeit Doris Mautner v. Markhof mit Josef Engelhart, Wiener Salonblatt, 4. Januar 1896, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Hochzeit Cornelia Mautner v. Markhof und Ludwig Schenk zu Castel, Wiener Salonblatt, 1. April 1899, S. 8, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Kaiser Franz Joseph I. dankt Adolf Ignaz Mautner für die Bewahrung des sozialen Friedens während der Revolution 1848
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinIn den Jahren 1846 – 1847 wird Adolf Ignaz Vorsteher der Brauereiinnung und benutzte diese Stelle, um wesentliche Verbesserungen der materiellen Lage der Arbeiter auf dem Wege friedlicher Vereinbarungen zu bewirken.
Es war dann das Jahr 1848, in dem auch Wien, wie weite Teile Europas, durch eine Revolution erschüttert wird. Die Proteste gegen das Regime des österreichischen Staatskanzlers Metternich nehmen ein derartiges Ausmaß an, dass Kaiser Ferdinand I nach Olmütz flüchtet. Die Revolution 1848 fordert liberale Grundrechte, Pressefreiheit, Gewaltentrennung und vor allem eine volksnahe Verfassung. Die Arbeiterschaft Wiens protestiert gegen die asozialen Zustände der Gründerzeit. Sie verlangen Brot, höhere Löhne und nicht mehr als zehn Stunden Arbeit pro Tag. Schlecht bezahlt, gedemütigt und ohne Hoffnung auf Besserung ist die Verbitterung über die Zustände stärker als der Verstand. Unorganisiert und ohne zukunftsweisende Ideologie werden Maschinen zerstört und Fabriken angezündet, wobei die Täter nicht realisieren, dass die Vernichtung des Arbeitsplatzes keinen Wohlstand bringen kann.
Auch die Brauerei St. Marx ist betroffen. „Eine Horde Aufständischer dringt in das Brauhaus St. Marx ein; ein Rädelsführer verlangt in frecher Weise die sofortige Ausfolgung eines größeren Quantums Bier. Als Antwort versetzt ihm Urgroßvater (Adolf Ignaz) eine schallende Ohrfeige und bemerkt, er wisse schon, was er zu tun habe. Der Effekt war verblüffend, die kritische Situation war gemeistert; besonnene Elemente gaben dem Brauherrn recht, dass er sich keine Frechheit habe gefallen lassen, und die Leute warten ruhig auf das Freibier, welches ihnen dann ausgeschenkt wird.“ 1 Neben dem die innere Stadt umspannenden Festungsgürtel bestand ein äußerer Linienwall, welcher Verzehrungssteuerzwecken diente, der von den aufständischen Arbeitern verteidigt wurde. Daher schreiten Feldzeugmeister Windisch-Graetz und Banus Jellačić zur Belagerung der Stadt, der Holzhof der Brauerei wird durch eine Rakete in Brand geschossen. „Da gesellt sich Urgroßvater unter die Arbeiter und macht ihnen klar, dass es unnütz sei, sich für eine verlorene Sache zu opfern, und sie sehen vom Widerstand ab. Die Vorstadt Landstraße ist vor Zerstörung gerettet. Die einzelnen Kroaten werden im Brauhaus bewirtet.“ 1
So gerne er bereitwillig mit offener Hand zu geben vermochte, so unerschütterlich konnte er sein, wenn man etwas widerrechtlich von ihm zu ertrotzen versuchte. „Eine zügellose Herde, die von Etablissement zu Etablissement wanderte und jedes durch Einschüchterung mehr oder minder brandschatzte, erschien auch in St. Marx, und der Wortführer der Bande wandte sich sofort an Adolf Ignaz mit der Forderung, er möge ein paar Eimer zum Besten geben. Adolf Ignaz antwortete ruhig „Nicht einen Eimer werdet ihr von mir bekommen!“ Und dabei blieb es, denn wenn auch der Pöbel, der damals nicht gewohnt war Widerstand zu finden und weniger noch solchen zu dulden, nicht übel Lust zeigte, sich das Verweigerte durch Gewalt zu verschaffen, so hielt er es schließlich doch angesichts der ruhigen aber ebenso kraftvollen als zielbewussten Haltung von Adolf Ignaz und seiner ihm unbedingt ergebenen Leute für angemessener, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.“ 2
Dramatische Szenen bleiben nicht erspart. Als nach der Stürmung des Zeughauses die bewaffneten Arbeiter und Proletarier anmarschieren um Fabriken, so auch St. Marx, zu plündern und zerstören, greifen die Arbeiter der Brauerei zu Holzprügel, eisernen Stäben und sonstigen tauglichen Werkzeugen und es marschierten dreißig bis vierzig Mann den herannahenden Aufständischen entgegen. Da diese befürchteten, dass hinter den zwar schlecht bewaffneten Männern jedoch noch eine größere Anzahl verborgen sei, beschlossen sie abzuziehen, ohne das Gelände zu behelligen. Von nun an wurde eine regelmäßige Bewachung des Etablissements organisiert, nicht nur zum Schutz des wertvollen Materials, sondern auch der größeren Vorräte an Holz und sonstigen brennbaren Gegenständen, die bei der stets vorhandenen Feuergefahr sich hätten verderblich auswirken können.
Adolf Ignaz konnte es in den gefahrvollen Tagen der Revolution sogar wagen, in seinem Haus die strengste Disziplin nicht nur zu verlangen, sondern auch in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. So wurde sein Name im Verlauf der Revolutionszeit zum Synonym für Hort und Zuflucht für Bedrängte. „Unter seiner eigenen Arbeiterschaft aber hat Urgroßpapa in diesen kritischen Tagen strenge Zucht und Ordnung aufrechterhalten, sodass seine Brauerei eine Zufluchtsstätte für ängstliche Gemüter wurde.“ 1 Unter den Fabrikrealitäten waren ausgedehnte Wohnräume vorhanden, in denen Pfründner untergebracht waren. Ebenso waren zahlreiche Ansässige und die Beamten der Finanzexpositur in den Schutz von Adolf Ignaz geflüchtet, der ihnen bereitwillig Obdach gewährte. All dies komplizierte umso mehr die Sorge für die Sicherheit des Ganzen. Freiwillige Männer der Arbeiterschaft bewachten täglich seine Privatwohnung, um das Eindringen von Unbefugten zu verhindern. Wohl geschah es, dass eine oder andere Mal, dass kleinere bewaffnete Haufen St. Marx stürmen wollten, doch wurden sie gewöhnlich durch die Spende einiger Eimer Bier wieder zum gemütlichen Abzug bewogen. Wie sehr ihn seine Leute liebten und verehrten geht auch aus dem Umstand hervor, dass ihn dieselben, als er sich durch die Beschießung durch die Truppen Jellačićs des Öfteren im Hof den feindlichen Projektilen aussetzte, auch gegen seinen Willen, fast mit Gewalt, in Sicherheit brachten.
Es saßen im Innungslokal die Brauherren ziemlich ratlos, während aus der engen Gasse herauf der Lärm und das Toben, der sich heraufdrängenden Gesellen ertönte, die sich durch Schreien und Drohen gegenseitig in immer größere Erbitterung hineinhetzten. Als Deputation drang schließlich eine Anzahl stämmiger Gesellen ein. Der Innungsvorsteher, ein alter schwächlicher Mann, schickte sich nun an sie mit einer Rede zu empfangen, doch aus der Mitte der Gesellen dröhnte es ihm entgegen: „Du sei still, du hast dein Brauhaus mit dem Schweiße der Vazierenden gebaut!“ Erschrocken und eingeschüchtert ließ sich der alte Herr in den Stuhl sinken und bat Adolf Ignaz an seiner Stelle mit den Eindringlingen zu verhandeln. Dieser trat vor und erklärte in kurzen Worten, dass die Meister wohl zur Konzession geneigt seien, eine Verhandlung aber nur dann möglich wäre, wenn Forderungen und Wünsche genau formuliert und Punkt für Punkt von beiden Seiten durchberaten werden können. Da trat ein stämmiger Geselle vor und schrie: „Wenn die Meister unsere Forderungen nicht gewähren wollen, so werden wir mit den Maßscheitern kommen!“ Doch kaum hatte dieser die Worte ausgesprochen, als ihm Adolf Ignaz – die Gefahr, in welcher er sich angesichts der aufgeregten Menge stürzte, nicht achtend – eine Ohrfeige versetzt, worauf dieser in der ersten Überraschung zurücktaumelte. Anstatt die Menge gegen sich zu erbittern, ertönte ein allgemeines: „Bravo! Er hat recht, das ist nicht die Art etwas durchzusetzen.“ Der Hetzer wurde sodann vor die Tür gesetzt und Adolf Ignaz zum Vermittler der Parteien erwählt. Tatsächlich leitete er von da an alle Verhandlungen, die er auch größtenteils zu einem befriedigenden Abschluss bringen konnte.
Nicht nur, dass er innerhalb seiner Berufsgenossen manche Gegensätze zu mildern und auszugleichen wusste, sein Einfluss wirkte auch weit über den Kreis der ihm direkt Schutzbefohlenen hinaus. Als eine große Anzahl bewaffneter Arbeiter durch die Landstraße zog, um zu plündern und zu rauben, sandte er eine Schutzwache von sechs seiner Arbeiter zum Haus des Bürgermeisters Czapka, welches infolgedessen verschont blieb.
Während der letzten Tage der Revolutionszeit hatte ein Bataillon der Mobilgarde St. Marx besetzt, mit der Absicht sich gegen die vorrückenden kaiserlichen Truppen zu verteidigen. Der Kommandant und die Offiziere dieses Bataillons waren schon daran gewohnt, in den meisten Fragen der bewährten Einsicht und Klugheit von Adolf Ignaz zu folgen, sodass es ihm auch hier gelang sie davon zu überzeugen die Waffen niederzulegen und so unnützes Blutvergießen zu verhindern. Er hatte im Vorfeld nicht nur dafür gesorgt, dass den hereinströmenden Truppen in St. Marx kein sinnloser Widerstand geleistet wurde, sondern er ordnete auch alles zum Empfang derselben an, indem er auf Tischen Zigarren für die Offiziere in Bereitschaft stellte und, die Taschen mit Zwanzigern für die Soldaten gefüllt, den Truppen entgegenschritt.
Dies alles blieb auch von Seite der höheren Befehlshaber her nicht unbemerkt, sodass bald nach der Einnahme von Wien seine Majestät persönlich durch Besichtigung der Brauerei St. Marx Zeugnis für ihre Anerkennung gab. „Großvater hatte fleißig in der Bürgergarde exerziert und auch im zivilen Leben in und um St. Marx Ruhe und Ordnung aufrechterhalten. Eine hohe Auszeichnung wurde ihm damals zuteil. Der jugendliche Kaiser Franz Joseph wünschte den Mann, der in Revolutionszeiten so trefflich Ruhe und Ordnung zu wahren wusste, näher kennenzulernen, begab sich nach St. Marx und ließ sich von meinem Großvater herumführen. Stets blieb er meinem Ahnen wohlgesinnt, bestellte ihn zum Pächter der kaiserlichen Besitzungen in Göding und erhob ihn in den Ritterstand mit dem Prädikate „Markhof“.“ 3
1 Gustav Piffl, „Lebenserinnerungen“ / 2 Maria Waechter, “Fleiß und Wille“ / 3 Theodor I. Mautner Markhof „So war´s“
Stadtplan Wien 1835
Landstraße Hauptstraße/Rennweg 1835. Rechts unten das Bürgerspital und die Marcus Linie
Detailaufnahme Bürgerspital mit Marcus Linie, 1835
Freitod von Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDer Freitod Carl Ferdinands erregte naturgemäß größtes Aufsehen und wurde – damals nicht anders als heute – in verschiedenen Medien auf unterschiedliche Art und Weise kommentiert.
Bericht aus dem Wiener Salonblatt vom 6. September 1896
… Nun ist auch der älteste Sohn dieses seltenen Paares, Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof, heimgegangen zu den geliebten Eltern. Es hat sein Ableben in allen Kreisen der Bevölkerung, nicht unter den Industriellen allein, sondern auch in der Gesellschaft und Kunstwelt, schmerzlich berührt. Man wußte es ja sofort in jenen Kreisen, die ihn kannten, daß Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof ein Opfer seines Berufes, seiner angestrengten Tätigkeit geworden ist. Am 16. April 1834 in Smiric in Böhmen geboren, trat er bereits im Alter von 15 Jahren in das Geschäft seines Vaters, in die St. Marder Brauerei, welche Adolf Ignaz Mautner im Jahre 1840 gegründet hatte, ein. Carl Ferdinand ist so recht die Seele des großartigen, ausgedehnten Unternehmens geworden. Er ließ es sich nicht nehmen, alles in seiner Hand zu vereinigen, die komplizierten Fäden des weitverzweigten Geschäftes selbst zu spinnen und, obwohl im tüchtige Beamte und in letzter Zeit auch sein Sohn Victor zur Seite standen, der technische, finanzielle und kommerzielle Leiter des Welthauses zu sein und zu bleiben. Diese aufregende Tätigkeit konnte so lange ohne Schaden für die Gesundheit fortgesetzt werden, als Herr von Mautner noch jung war. Aber vor zwei Jahren bereits stellte sich eine mit quälender Schlaflosigkeit verbundene Nervosität ein, welche seine Angehörigen zwang, ihn zu einer längeren Erholungsreise nach Italien zu veranlassen. In der Tat kehrte Herr von Mautner gekräftigt aus dem Süden heim; aber eine rastlose Natur, wie er war, stürzte er sich, ohne sich zu schonen, abermals Hals über Kopf in die Geschäfte seines Hauses. So konnte er nicht Wunder nehmen, daß das Leiden von Neuem und stärker auftrat und daß die Schlaflosigkeit schließlich unerträglich zu werden begann. Das Mittel, welches die Ärzte dem Kranken zur Beruhigung empfohlen hatte, war ein Trional, ein Gift, das in kleinen Dosen genommen, Erleichterung verschafft, in größeren jedoch sehr verhängnisvoll werden und selbst eine akute Gehirnhautentzündung nach sich ziehen kann. Am Abende vor der Katastrophe hatte nun Carl Ferdinand von Mautner, um Schlaf ringend, in der Tat sieben Gramm Trional, also eine sehr bedeutende Dosis, eingenommen. Daß diese Unvorsichtigkeit die mittelbare Ursache der entsetzlichen Katastrophe gewesen, geht auch daraus hervor, daß der Unglückliche sich am Abend vorher in guter Laune mti seinem Sohn Victor unterhalten hat und keinerlei auf die Tat Bezug habende schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hat. Kommerzialrat von Mautner ist ein gefälliger, liebenswürdiger, kunstsinniger und wohltätiger Mann gewesen. Von seinem Kunstsinne gibt seine Gemäldegalerie, von seinem Wohltätigkeitssinne der von ihm gestiftete und erbaute Isolier-Pavillon für ansteckende Krankheiten im Kronprinz Rudolf-Spitals, dieser eminenten Gründung der Eltern des Verstorbenen, nun beredtes Zeugnis. Man wird sich lange noch seines schlichten Wesens, seines geraden und offenen Charakters und seines ausgeprägten Familiensinnes erinnern. Denn Herrn von Mautners einzige Passion war es, dem Wohle seiner Kinder zu leben und sich ihnen zu widmen. Er war zwar ein trefflicher Jäger und ausgezeichneter Schachspieler, aber am liebsten weilte er unter seinen Kindern. Frühzeitig schon, am 28. Juni 1872, hatte Herr von Mautner seine erste Gattin, Johanna, geb. Kleinoschegg, aus Graz verloren. Sie hatte ihm sieben Kinder geschenkt: Harriet, Gemahlin des Kämmerers und Majors Ernst Freiherrn von Haynau, den einzigen Sohn Victor, welcher kürzlich 31 Jahre alt geworden ist, Gertrude, Gemahlin des Obersten Gera von Szilvinyi, Cornelia, verwitwete Schürer von Waldheim, Elsa, vermählt mit Herrn Karl Ritter Dittl von Wehrburg, Christine, Gemahlin des Regierungsrates Dr. Leopold Freiherrn von Wieser, und Doris, welche sich erst vor ungefähr neun Monaten mit dem talentvollen Maler Josef Engelhart vermählt hat. Am 15. August 1874 verheiratete sich Carl Ferdinand Mautner von Markhof zum zweiten Male mit Freiin Edith Sunstenau von Schützenthal, welcher Ehe weitere Töchter, Hertha, Magdalena und Edith, entsprossen sind. Der Verstorbene war ein Bruder der Herren Dr. Ludwig Ritter Mautner von Markhof in Wien und Georg Ritter Mautner von Markhof in Floridsdorf, der Frau Theresia von Reininghaus, der verwitweten Frau Dr. Marie Willner, der verwitweten Frau Emilie Reininghaus, der verwitweten Freifrau Eleonora von Wächter, der verwitweten Hofrätin Coelestine von Oppolzer und der Frau Sektionschef Johanna Mittag von Lenkheym. Wie beliebt der Besitzer der St. Marxer Brauerei gewesen ist, das zeigte die große Teilnahme aller Kreise der Wiener Gesellschaft am Leichenbegräbnisse, zu einer Zeit, wo die Gesellschaft doch noch größtenteils von Wien abwesend. Es hatten sich Donnerstag in der Kirche zu Maria Geburt auf der Landstraße außer sämtlichen Familienmitgliedern eingefunden, um Herrn von Mautner die letzte Ehre zu erweisen: Freiherr von Merkl, Hofrat Heinrich, Herrenhausmitglied Dr. Millanich, die Professoren Chrobak, Frisch und Bohrmann, Generalkonsul von Biedermann, Gustav Freiherr von Springer, der Vorstand der Künstlergenossenschaft Baurat Deiniger mit mehreren Mitgliedern der Genossenschaft, Bezirksleiter Polizeirat Blog, Architekt Rumpelmayer, Kommerzialrat Stiasny, Hofschauspieler Reimers, zahlreiche Großindustrielle, das Gremium der Wiener Hoteliers, Mitglieder der Genossenschaft der Gastwirte mit dem Obmann Valentin Weiland, Vertreter der Gemeinde, das Kuratorium des Kronprinz Rudolf-Kinderspitals, Deputationen der Städte Göding und Smiric und des Marktes Radon, deren Ehrenbürger Ritter von Mautner war. Nach der Einsegnung wurde der Sarg zur Beerdigung in der Familiengruft auf den Hietzinger Friedhof gebracht.
Bericht aus der Böhmische Bierbrauer vom 15. September 1896
Selbstmord eines Brauereibesitzers.
Größtes Aufsehen erregte in Wien der am 1. September d. J. erfolgte Selbstmord des Besitzers der St. Marxer Brauerei Herrn Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof; er hatte sich mit dem Revolver in die rechte Schläfe geschossen. In einem zurückgelassenen Schreiben bezeichnete er als Motiv die Kränkung darüber, daß er in antiliberalen Blättern bei der Besprechung von Gefälligkeitsübertretungen in seinem Brauhause wiederholt in einer Weise verdächtigt worden sei, als ob er selbst in die Sache verwickelt gewesen sei. Die erwähnte gehässigen und auf Unwahrheit beruhenden Angriffe haben ihm das Leben verleidet. Ritter von Mautner, geboren am 16. April 1834 zu Smiritz in Böhmen, war der älteste Sohn des im Jahre 1889 zu Wien verstorbenen Großindustriellen Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof und der 1887 verstorbenen Julie Marcelline von Mautner, geb. Kadisch. Er war Chef der protokollierten Firma Adolf Ignaz Mautner Söhne, k. k. Kommerzialrat, Ritter des Franz Josefs Ordens und Ehrenbürger von Smiritz. Er war in erster Ehe mit Johanna Kleinoschegg aus Graz, in zweiter Ehe mit Edith Freiin von Sunstenau vermählt und hinterließ 10 Kinder; einen Sohn und neun Töchter. Vor zwei Monaten war in den Blättern von Gefällsübertretungen im Marxer Brauhause die Rede; es wurden damals mehrere Bedienstete verhaftet, aber wieder freigelassen. Es ist nicht bekannt, ob die Untersuchung noch fortdauert, oder ob diesselben kein greifbares Resultat ergeben hat. Seit etwa einem Jahr vollzog sich im Wesen Mautners eine tiefgehende Veränderung. Er verlor seine gewohnte, liebenswürdige, wohlwollende Art und wurde täglich gereizter und leidenschaftlicher. Ein nervöses Leiden, das ihn schon vor Jahren einmal befallen, und von welchem er wiederhergestellt worden war, hatte ihn neuerdings ergriffen und wollte nicht weichen. Schmerzliche Ausbrüche gereizter Leidenschaft und dann wieder Stimmungen tiefster Melancholie lösten einander ab. Da kam noch, um seine Zerrüttung zu vollenden, die bekannte Gefällsaffäre.
Dem Andenken von Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof.
Adolf Ignaz Mautner von Markhof – ein Gründerzeitbaron als Pionier sozialer Reformen
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinAls Adolf Ignaz Mautner Smirice verließ, befand sich Europa bereits im Umbruch. Für noch lange Zeit würde Friede herrschen, die Künste erlebten neue Blüte, das Industriezeitalter hatte längst begonnen. Je stärker jedoch die Industrialisierung fortschritt, desto brennender wurden die sozialen Probleme, da selbst der Staat vom aufkommenden Elend überrascht wurde und nur langsam vermochte die Auswirkungen der industriellen Revolution zu begreifen. Die traditionelle Versorgung innerhalb der Großfamilie geriet ins Wanken, immer mehr Menschen strömten in die Stadt, das Überangebot an Arbeitskräften führte wiederum zu einem furchtbaren Mangel an Wohnungen, die Mietpreise stiegen ins Gigantische. Hunderttausende Arbeiter in Europa sind dankbar, wenn sie als „Bettgeher“ einen Schlafplatz finden. Den meisten Männern der ersten Unternehmergeneration war soziales Denken völlig fremd, meist schon brutal wurde die Notlage der Menschen ausgenützt, Schutzbestimmungen für arbeitende Menschen gibt es so gut wie keine.
So wuchs auch Wien innerhalb nur weniger Jahrzehnte zu einer Millionenstadt an – nicht zuletzt darin lag ja der Grund für den plötzlich gesteigerten Bierabsatz dieses Jahrhunderts. Doch das soziale Elend machte letztlich auch vor den Brauern nicht Halt, die davor zu den eher privilegierten Gruppen unter den Handwerkern gehörten. Im Jahre 1871 gab es in Wien und Umgebung 22 Brauereien, in denen rund 4000 Brauergehilfen beschäftigt waren. Diese große Zahl erklärt sich dadurch, dass die maschinellen Einrichtungen noch äußerst primitiv waren und ungelernte Hilfsarbeiter nicht beschäftigt wurden. Alle Arbeiten, mit Ausnahme der Kutscher und Maschinenbedienung, wurden von Brauern und Bindern geleistet.
Im Fassbindergewerbe wurde durchschnittlich 15 Stunden täglich gearbeitet – eine Arbeitszeit, die nur durch kurze Essenspausen unterbrochen war. Kost und Quartier war Aufgabe des Meisters, Essensqualität Aufgabe der Meisterin. Im Schlafraum standen die Betten in drei bis vier Etagen und es wimmelte nur so vor Ungeziefer. Dies war auch der Grund, warum die Gehilfen es in den Sommermonaten vorzogen unter freiem Himmel zu schlafen. Ihr Wochenlohn betrug zwischen 2 Gulden 50 Kreuzer bis 7 Gulden für die bestqualifizierten Arbeiter. Infolge der langen Arbeitszeit und der Wohnung beim Meister waren die Gehilfen von der Außenwelt abgeschnitten. Die meisten fühlten sich in den Verhältnissen wohl, und hatten keine Ambition selbst auch nur das geringste am Althergebrachten zu ändern. Schließlich gab der Brauerstreik 1871 Anstoß zu einer intensiven Bewegung der Fassbinder, woraufhin sie im Juni die Arbeit niederlegten und folgende Forderungen stellten: Einführung der Akkordarbeitszeit, Verkürzung der Arbeitszeit auf 11 Stunden täglich mit drei Pausen. Lohnforderungen wurden keine gestellt, denn man erhoffte sich bessere Verdienstmöglichkeiten durch Akkordarbeit, die gerne bewilligt wurde, da sie dem Meister reichlich Gewinn brachte – die Gesellen spornten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Es blieb weiterhin bei 13 – 14 Stunden Arbeit, den verwanzten Betten und der kargen Kost. Da jedoch jeder die Möglichkeit sah im Akkord (unter unmenschlicher Plackerei), wenn er fähig war die meisten Fässer herzustellen, einige Gulden mehr zu verdienen, dachte niemand mehr an weitere Verbesserung. Körperlich schwächere Arbeiter wurden nun nur noch umso mehr missachtet, die Meister schürten Hochmut einerseits und Neid andererseits, ein System der sozialen Uneinigkeit entstand. Durch die Hochkonjunktur wurden viele Bindergehilfen in Brauereien, Spiritusfabriken und Weinhandlungen beschäftigt und waren Gegenstand des Spottes und der Verachtung für die dortigen Werkstattgehilfen. Man nannte sie einfach nur Hausknechte. Auf all diese Umstände ist es zurückzuführen, dass die Fassbindergehilfen keine Organisation hatten, nicht einmal den Versuch starteten sich gegen ihre Unterdrücker zu wehren, und gezwungen waren unter miserablen Verhältnissen zu leben und zu arbeiten. Mit der Entwicklung neuer Produktionsweisen und der Rückständigkeit der Meister wurde die Konkurrenz mit der Zeit immer spürbarer, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit waren die Folge.
Was die Brauer betraf, so war die Arbeitszeit mit 365 Tagen im Jahr unbegrenzt, Sonn- und Feiertagsruhe waren gänzlich unbekannte Begriffe. Dafür gab es Freibier im Überfluss, was zur Folge hatte, dass so mancher Arbeiter aus dem Alkohol-Dusel nicht mehr herausfand. Die mit Ungeziefer, Mäusen und Ratten bevölkerten Schlafräume hatten Betten in zwei bis drei Etagen geschlichtet (sogenannte Himmelbetten), sodass es bei dem vielen Biergenuss nicht selten vorkam, dass der in der unteren Etage Schlafende in der Nacht plötzlich einen „Regen“ verspürte. Von der schweren, lang andauernden Arbeit todmüde und vom vielen Biertrinken berauscht, fielen sie irgendwann, meistens in Kleidern und Stiefel auf die Liegestatt, um schon nach wenigen Stunden vom Vize brutal geweckt zu werden. Schimpfworte und Schläge waren an der Tagesordnung, denn das System sah vor, dass der nicht der Fähigste zum Vorderburschen bestimmt wurde, sondern der körperlich Stärkste. Aufgrund der daraus resultierenden inkompetenten Führung mussten sich alle mehr als notwendig plagen, sanitäre Missstände und der permanente Alkoholkonsum leisteten das Übrige, sodass junge kräftige Männer in nur kurzer Zeit dahingerafft wurden. Krankenversicherung gab es keine, die Brauherren zahlten an das Spital der Barmherzigen Brüder eine Pauschale; 80 – 100 Mann lagen dort jahrein, jahraus und wurden zur ewigen Ruhe getragen. Die Verhältnisse erlaubten es keinem zu heiraten, es war beinahe unmöglich eine Familie zu gründen. Diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, dass viele Geschlechtskrank wurden und sich auf diese Art den Todeskeim holten. Nichts desto trotz waren die Brauer, im Gegensatz zu den Fassbindern, von einem starken Zunftgeist durchdrungen, der seinesgleichen suchte.
Eine bemerkenswerte Einrichtung war das Vazierandentum, nichts Vergleichbares findet man in einer anderen Industrie. Jede Brauerei hatte eine Anzahl Brauer, die nur Bier und Schlafstelle, jedoch keinen Lohn bekamen. Wollte sich nun ein mit Lohn angestellter Brauer für einige Stunden freimachen, so war er gezwungen auf einen der Vazierenden zurückzugreifen und ihn selbst dafür zu bezahlen.
Nicht zu beneiden waren damals auch die Bierkutscher. Nicht nur mussten sie den voll beladenen Wagen souverän lenken, sondern auch mit den schweren Fässern beim Auf- und Abladen herumhantieren. Besonders zur Winterzeit, wenn sie bei eisiger Kälte weite Strecken auf holpriger Straße zurücklegen mussten, war ihr einziger Schutz die sogenannten „Bierkutscherstiefel“, klobige Fußwärmer aus geflochtenen Strohmatten.
Abschaffung des Begriffes „Knecht“
Kundmachung der Wiener Bierbrauer-Innung, 1847
Schon die Benennung der Arbeiter in den Brauereien deutete auf eine menschenunwürdige Lage und Behandlung hin. Adolf Ignaz, der sowohl stets ein offenes Auge und einen zur Hilfe geneigten Sinn für die mannigfachen sozialen Missstände seiner Zeit, als auch Dankbarkeit für geleistete Dienste hatte war es, der ihre Bezeichnungen für schändlich empfand und eine eigene Nomenklatur ausarbeitete. Diese unterbreitete er der politischen Behörde, die sie annahm und definitiv einführte. Braubursche, Braugeselle, Brauführer, Obermälzer, Biersieder und wie sie alle heißen verdanken ihm alleine ihre Benennung. Bis zur Einführung seiner Nomenklatur hießen sie alle ausnahmslos „Knechte“, kurze Zeit darauf wird die Bezeichnung in allen österreichischen Brauereien für immer abgeschafft.
Krankenpflege und Altenversorgung
Zur Popularität, die er auf diese Weise schon bald nach seinem Eintreffen in Wien erlangt hatte, trug nicht zuletzt auch die unablässige Sorge um das Wohlergehen seiner Arbeiter bei. Von Beginn an wurden Einrichtungen für die Krankenpflege und Altenversorgung, für Quartier und Verpflegung ins Leben gerufen. Anfangs natürlich in bescheidenem Maße, mit der Zeit und den wachsenden finanziellen Ressourcen jedoch in einer umfangreichen und allen Erfordernissen entsprechenden Dimension. In Krankenständen wurde bis zu drei Monaten der Krankheitsdauer der volle Lohn nebst Arztkosten und Arzneimittel bezahlt. Arbeiter mit geschwächter Gesundheit wurden mit vollen Bezügen zur Erholung in Bäder oder aufs Land geschickt. Witwen und Waisen erhielten im Bedarfsfall ausreichend Unterstützungsgelder – eine obligatorische Lebensversicherung war Teil davon.
Unterkunft und Obdach
War der Begriff „Dienstwohnung“ in jenen Zeiten noch nicht geprägt, so erbaute Adolf Ignaz bereits ein Arbeiterzinshaus für zwölf Familien, jeweils mit Zimmer, Küche und Kabinett, und stellte es seinen Leuten zum Maximalbeitrag von 60 Gulden/Monat – je nach Einkommenslage bis hin zur Zinsfreiheit – zur Verfügung. Auch gehen die Gründung eines Arbeiter-Asyls und eines Invalidenbaues auf das Konto seines visionären sozialen Engagements.
Gewinnbeteiligung
Vor allem im Kontext der Zeit und der herrschenden Umstände war die Gewährung einer prozentuellen Gewinnbeteiligung nicht nur ein sozialer, sondern gleichfalls revolutionärer Akt.
Wie sehr Adolf Ignaz in späteren Tagen um das Wohl seiner Arbeiter besorgt gewesen ist, ist allbekannt. Weniger bekannt dürfte jedoch sein, dass er dies schon zu einer Zeit getan hatte, als er noch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Dennoch trug er auch damals schon in allererster Linie für seine Arbeiter Sorge, indem er, als er die Brauerei in Smirice nur als Pächter betrieb, für alle länger bei ihm Beschäftigten Einlagen für deren Alter in die allgemeine Versorgungsanstalt machte. Ebenfalls charakteristisch für ihn ist, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren eifrigst Nachforschungen anstellte, um in Erfahrung zu bringen, ob nicht etwa irgendeiner seiner ehemals in Böhmen Bediensteten der Hilfe bedürftig sei. Ihm war es einfach eine Herzensangelegenheit Unterstützung zu gewähren, er wollte dabei auch überraschen und Freude bereiten. Ganze Tage verbrachte er damit, ihm nahestehenden oder auch nur entfernt mit ihm in Berührung gekommenen Personen Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände zu senden, in denen er auch größere Geldbeträge versteckte.
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Den Adel im Herzen
Schloss Rodaun, Sommersitz der Familie Mautner Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein1881 erwarb Carl Ferdinand Mautner von Markhof das dreigeschossige Schloss Rodaun, das am 2. März 1405 als „Vest Rodaun“ erstmals urkundlich erwähnt wurde, als Gebäude vermutlich bereits im 12. Jahrhundert bestanden hatte. Es befindet sich an der Willergasse 53 bis 57, im Wiener Stadtteil Rodaun. 1898 wurde das Schloss von der Familie Mautner Markhof um 158.000 Gulden an den 1807 gegründeten röm.-kath. Orden Sta. Christiana (Schwestern der heiligen Kindheit Jesu und Mariä) verkauft, der sich auf Erziehung und Krankenpflege spezialisiert hatte. Der Orden eröffnete im Schloss ein Mädchenpensionat, dessen Schule seit 1902 das Öffentlichkeitsrecht besitzt. Im Nachbarort Kalksburg hatten die Jesuiten bereits seit 1856 mit dem Kollegium Kalksburg ein Knabeninternat betrieben. Im Zweiten Weltkrieg war im Schloss Rodaun eine Panzerkaserne untergebracht. Nach Kriegsende wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen und das Schulzentrum Schloss Rodaun umfasst heute eine Volksschule, eine Kooperative Mittelschule, eine Fachschule mit Aufbaulehrgang und ein Tagesinternat.
Bericht aus der Extrapost, Montagszeitung vom 18. Juli 1897
Der geplante Verkauf des Schloßes Rodaun.
Wie wir hörten, haben die Erben des im vorigen Jahre unter so tragischen Umständen aus dem Leben geschiedenen Besitzers der St. Marxer Brauerei den Beschluß gefaßt, das an sie übergegangene Schloß Radon zu verkaufen. Dieses große, prachtvoll gelegene, Rodaun und dessen Umgebung dominierende Gebäude, an welches sich ausgedehnte Parkanlagen anschließen, gehörte vor Zeiten den regierenden Fürsten Liechtenstein und wurde in stark vernachlässigtem Zustande – es war schließlich nur noch als Magazin benützt worden – von Herrn A. I. v. Mautner um einen sehr billigen Preis, wie es heißt um weniger als 100.000 fl., erworben. Von Seite des Herrn v. Mauten sind indessen bedeutende Summen im Rodauner Schloß investiert worden, so daß der für den großen und wertvollen Besitz geforderte Preis von 180.000 fl. noch immer mäßig ist. Auf Basis desselben unterhandeln, wie wir hören, die Jesuiten über den Ankauf des Rodauner Schloßes. Die Väter der Gesellschaft Jesu sind bekanntlich in dem unmittelbar an Rodaun angrenzenden Kalksburg sesshaft. Sie haben sich daselbst mehr und mehr ausgebreitet, so daß ihnen schon zwei Drittel von Kalksburg gehören. Nunmehr scheint es, daß sie auch Rodaun in den Bereich ihrer segensreichen Wirksamkeit einzubeziehen Willens sind. Vielleicht ist es in der Absicht der Bürger Loyola´s gelegen, die zwei Abteilungen, welche sie in ihrem Kalksburger Konvikt geschaffen haben, und von denen die eine für die Aufnahme von Söhnen aus den höheren, die andere für Sprößlinge aus den niedrigeren Ständen bestimmt ist, völlig zu separieren. Oder sollten sich die Jesuiten etwa mit dem Gedanken tragen, in Rodaun eine Anstalt zur Heranbildung von Lehrern, welche im Geiste des Ebenhoch´schen Schulantrages ihres Amtes walten könnten, zu errichten?
Landstraßer Hauptstraße 136 – 142, der Familiensitz von Carl Ferdinand Mautner von Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinNach der Eheschließung mit Editha Freifrau von Sunstenau und Schützenthal änderte sich das soziale Leben Carl Ferdinands grundlegend und es folgte eine entsprechende räumliche Veränderung. Man gab die Wohnung in der Brauerei St. Marx auf und verlegte den Familiensitz in den frühen 1890er Jahren in den 3. Wiener Bezirk, Landstraße.
Häuserzeile Landstraßer Hauptstraße 142 – 136, die von Carl Ferdinand und seinen Kindern ab 1890 bewohnt wurde (© Alfred Paleczny)
Landstraßer Hauptstraße Nr. 136
Das Haus hat einen Baukern aus dem Jahr 1774, in der heutigen Form stammt es aus dem Jahr 1891 und wurde von Joseph von Wieser, einem Schüler Theophil Hansens, für Editha Mautner von Markhof errichtet. Das Gebäude mit zwei Seitenrisaliten hat eine späthistoristische Fassade in neobarocken Formen.
Joseph von Wieser war ein typischer Vertreter des Späthistorismus. Nachdem sich seine Tätigkeit weitgehend auf den Wohnbau konzentrierte und er auch nur für rund zehn Jahre als Architekt in Erscheinung trat, ist sein Werk von einer relativ großen Homogenität geprägt. Charakteristisch ist der ausgeprägt repräsentative Charakter seiner Bauten, der sich in einer reichen dekorativen Ausgestaltung, wie Schmuckgiebel und Sgrafittomalerei, niederschlägt. Die Üppigkeit des Dekors führte auch manchmal zu manieristischen Auswüchsen, die schon in der zeitgenössischen Fachpresse kritisiert wurden. Im Zuge der Propagierung des Barocks als genuin „österreichischen Stil“ erfährt diese Orientierung schließlich eine sukzessive Steigerung zu einem neobarocken Formenapparat, wie auch bei dem gegenständlichen Mietshaus.
Carl Ferdinands ehemaliger Wohnsitz
Landstraßer Hauptstraße 136
Landstraßer Hauptstraße Nr. 138 – 140
Das Gebäude ist eine unregelmäßige Anlage, die um einen Hof gruppiert ist. Der Kern stammt aus dem 18. Jahrhundert, das Gebäude wurde 1810 und 1831 erweitert. Die Fassade an der Straßenseite ist durch einen Einsprung zweigeteilt, der linke Teil weist eine Rahmengliederung und Plattendekor über einem gebänderten Sockel auf. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass Koloman Moser hier seine Wohnung hatte. In der Einfahrt stehen vier barocke Jahreszeitenputti in Nischen, barocke Figuren und ein barocker Brunnen befinden sich auch im Garten. Ein Gartentrakt aus dem frühen 20. Jahrhundert ist zweigeschossig und weist Pilastergliederung und einen Mittelgiebel auf.
Gedenktafel Koloman Moser, Landstraßer Hauptstraße 138-140
Gedenktafel Landstraßer Hauptstraße 138
Einfahrt Landstraßer Hauptstraße 138
Landstraßer Hauptstraße 138
Landstraßer Hauptstraße Nr. 142
Die Villa Mautner-Jäger in barockklassizistischen Formen mit Mansarddach wurde 1902 von Franz von Neumann für Hertha Mautner von Markhof und ihren Mann Gustav Jäger erbaut und ist ein beispielhaftes Produkt der Belle Époque. Bekannt für seine aufwändigen späthistoristischen Fassaden war Neumann der Überzeugung, “dass die Formen der Vergangenheit konsequent fortentwickelt und weitergebildet werden müssen, damit die Architektur zu zeitgemäßen Formulierungen gelangt.” Der Villencharakter des Gebäudes ist insgesamt für die Straße völlig untypisch. Seitlich abgetrennt befindet sich ein Portierhaus und im Garten eine Kegelbahn, die 1907 von Paul Hoppe erbaut wurde.
Diskussion um Sanierung der Villa Mautner-Jäger in Wien Landstraße, Beitrag des ORF vom 26.04.2022
Landstraßer Hauptstraße 142, Villa Mautner-Jäger
Skizze zu Hertha von Jägers Salon, Anton Kling
In den Folgejahren wurde die Häuserzeile in der Landstraße zu einem der Anziehungspunkte für die jungen Künstler der Wiener Secession. Im Jahre 1906 hatten drei der führenden Gründungsmitglieder ihren Lebensmittelpunkt in oder neben der Villa Mautner Markhof. Bereits 1895 hatte der Maler Josef Engelhart Doris geheiratet, eine der drei künstlerisch tätigen Töchter Carl Ferdinands, sein Atelierhaus befand sich in der angrenzenden Steinfeldgasse 15. Josef Engelhart war der Sohn des Fleischhauers Josef Anton Engelhart (1838 – 1900) und dessen Frau Maria Apfelthaler (1842 – 1933). Eine Anekdote besagt, dass Engelharts Mutter eine eher herrische Frau gewesen war und sich ihr Sohn anlässlich seiner Heirat einen besonderen Schabernack hatte einfallen lassen. Über dem Portal seiner ehelichen Wohnstätte ließ er eine weibliche Drachenfigur anbringen, die hinter Gitterstäben gleichsam in Schranken gehalten wird. Doris Schwiegermutter soll es mit Humor genommen haben. 1905 heiratete Ditha ihren Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule, den Maler Koloman Moser, und sie zogen in eine von ihm im Gartentrakt der elterlichen Villa eingerichtete Wohnung. Ein weiteres Gründungsmitglied der Secession, der Maler und Bühnenbildner Alfred Roller, lernte im Hause Mautner Markhof seine Schülerin Mileva Stoisavljevic näher kennen, mit der er sich 1906 vermählte. Das Ehepaar mietete auf Nr. 136 eine Wohnung. 1904 gestaltete Josef Hoffmann zusammen mit Koloman Moser ein Speisezimmer für Editha Mautner von Markhof. Das von der Secession propagierte künstlerische Ideal des Gesamtkunstwerks setzte Hoffmann in den für Magda geschaffenen Räumen um. Dafür unterwarf Hoffmann die vorhandene Raumsubstanz seinem eigenen strengen architektonischen Konzept. Die Möbel waren keine beliebig auswechselbaren Einrichtungsgegenstände, sondern Teil eines klar durchdachten Raumerlebnisses. Der Raum wurde durch sie definiert. Besonders deutlich wird dies im Fall des Schlafzimmerschranks. Mit seiner Hilfe zog Hoffmann einen einheitlichen Horizont ein, der unter anderem die Höhe der Türen, der Gaskaminnische und des Bettvorhangrahmens aufnahm.
Josef Engelharts ehemaliges Atelier im Hof Steingasse 15
Portal zu Engelharts „Drachenhaus“, Steingasse 15
Josef Hoffmann, Schrank für Magda Mautner von Markhof
Nobilitierung von Adolf Ignaz Mautner
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinAdolf Ignaz´ Antrag zur Nobilitierung – von ihm persönlich verfasst – ist uns original handschriftlich erhalten.
Hohes k. k. Ministerium des Inneren!
Adolf Ignaz Mautner, Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Classe und des Franz Josefs Ordens, wohnhaft in Wien, Stadt, Franziskanerplatz No.1, bittet um Verleihung des österreichischen Ritterstandes auf Grund der Statuten des kaiserlich österreichischen Ordens der eisernen Krone.
Mit allerhöchster Entschließung dto 19. April 1872 wurde mir für die Leistungen auf industriellem und humanitärem Gebiete mit Diplom vom selben Datum der Orden der eisernen Krone III. Classe verliehen. Nachdem laut Artikel XXI der Statuten des Ordens der eisernen Krone dem Ritter III. Classe dieses Ordens gestattet ist, die Allerhöchste Verleihung des Ritterstandes für sich und seine Nachkommen zu erbitten, so stelle unter Anschluss meines kurzen Lebenslaufes die ergebene Bitte:
Das hohe k. k. Ministerium des Inneren solle für mich und meine ehelichen Nachkommen bei seiner Kaiserlichen und Königlichen Apostolischen Majestät die Allergnädigste Verleihung des österreichischen Ritterstandes und des Prädicates „von Markhof**“ sowie der Führung des beiliegend abgebildeten und beschriebenen Wappens gnädigst erwirken.
Wien, am 4. Mai 1872
Adolf Ignaz Mautner
Adolf Ignaz Mautner, zu Smirice in Böhmen am 26ten October* 1801 geboren, widmete sich dem Geschäfte der Landwirtschaft und Bierbrauerei, anfangs als Pächter der landesherrschaftlichen Betriebe und der Brauerei der Cameral Herrschaft Smiric, dann von 1840 bis 1857 als Pächter und seither als Eigentümer der Brauerei und der Spiritus und Presshefe Fabrik zu St. Marx in Wien. Durch unermüdlichen Eifer gelang es ihm erstaunliche Verbesserungen und Erfindungen in der Bierwürzung und Presshefefabrikation zu erreichen, so daß das Fabriksetablissement zu St. Marx unter ihm zu einem der blühendsten der Monarchie angehoben wurde.
In Anbetracht der Qualität seiner Erzeugnisse wurde ihm nebst vieler Medaillen von Weltausstellungen auch die große goldene Medaille des n. ö. Gewerbevereins und der ausgeschriebene Preis der Wiener Bäcker Innung verliehen. Die Qualitätsvorzüge führten zu einem solchen Absatz im In- und Ausland, daß er zwei Filialfabriken zu Simmering und Göding gründen konnte.
Außerdem betreibt derselbe ein Kupferbergwerk zu Fergove in der Militärgrenze und ist es ihm auch hier gelungen, einen seit Jahrzehnten verfallenen Blei- und Silberabbau wieder ins Leben zurückzurufen. Weiters errichtete er eine Flachsspinnerei zu Troppau, die ein blühender Betrieb ist.
Aber nicht nur industriellen, sondern auch patriotischen und humanitären Zwecken hat er sich gern gewidmet.
Im Jahr 1848 war sein Haus Zufluchtstätte vieler durch die Zeitverhältnisse bedrängter Familien; er sorgte für die Verpflegung des k. k. Militärs, trug viel zur Beruhigung der Gemüther und insbesondere auch zur Erhaltung des St. Marxer Bürgerspitals vor Brandschäden während der Beschießung des Liniengebäudes bei, wofür ihm schriftliche Anerkennungen der k. k. und Communalbehörden und sogar das Glück zu Teil wurde, im Juni 1849 von seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät in Gegenwart vieler hunderter Personen belobt zu werden.
In den Kriegsjahren 1859, 1864 und 1866 wurden in seinen Fabriken Militärspitäler errichtet, wo zahlreiche Verwundete unentgeltlich die sorgfältige ärztliche und sonstige Verpflegung fanden.
In humanitärer Beziehung sei erwähnt, daß er im Jahr 1862 sein Vaterhaus in Smirice, welches dem Cameral-Ärar gehörte, angekauft, umgebaut und für arme Familien eingerichtet und mit einem Erhaltungsfonds versehen hat. Dieser Stiftung schließen sich an eine zu Baden für arme Schulkinder und eine andere für kranke Arbeiter zu St. Marx. Ferner der Beitritt als Stifter des Kronprinz Rudolfshofes, der Erzherzog Albrecht- und der Franz Josefs-Stiftung sowie die Mitgründerschaft der Wiener Handelsakademie und die Errichtung und Erhaltung einer Schule für die Kinder seiner Bergleute zu Fergova.
Durch eine Reihe von Jahren hat er in der Gemeinde Landstraße als Armenvater und Orts-Schulaufseher gewirkt und wurde hiefür vom Wiener Gemeinderat mit der großen goldenen Salvator-Medaille ausgezeichnet.
Seine Majestät, unser allergnädigster Kaiser haben geruht, ihm für die Leistungen auf industriellem und humanitärem Gebiet im Jahre 1867 das Ritterkreuz Allerhöchst Seines Franz Josefs Ordens und mit allerhöchster Entschließung vom 19. April 1872 den Orden der eisernen Krone III. Classe allergnädigst zu verleihen.
Adolf Ignaz Mautner
Orden der Eisernen Krone III. Klasse
*siehe Geburtsdatum Adolf Ignaz
Die Übertragung aus der Kurrentschrift von Alfred Paleczny
**Adolf Ignaz verfügte als Brauereibesitzer nicht über eine klassische „Herrschaft“. Aus der Region St. Markus, auf der sich sein Sitz, die Brauerei befand, wurde im Volksmund St. Marx. Das Wohngebäude im Hof war also korrekter Weise der St. Markus Hof = Markushof = zwecks Aussprache der Markhof.
Die Familie Mautner Markhof – Ehrenbürger von Baden bei Wien
/in Familienchronik /von Beate HemmerleinNach 1860 entdeckte Adolf Ignaz das mit der Bahn rund eine Stunde entfernte Baden/Wien als Sommerfrischeort. So wie bei der Aristokratie erfreute es sich auch beim Wiener Bürgertum während der heißen Sommermonate zunehmend an Beliebtheit.
Adolf Ignaz kaufte ein Anwesen in der Berggasse 172 (seit 1913 Marchetstraße 76), das auf dem Weg zum Helenental lag und auch heute noch weitgehend erhalten geblieben ist. Die Hauptvilla stammt aus dem Jahr 1846 und es gab schon vor 1860 eine Vielzahl von Nebengebäuden, wie sie für barocke und romantische Schlossbauten kennzeichnend war. Die Familie ließ 1865 einen freistehenden Pavillon im Garten, der nicht mehr besteht, und im ersten Stock einen Anbau für ein Billardzimmer errichten. Später wurde die Fassade neu gebaut, sie erinnert mit ihren eisernen Bestandteilen stark an den Österreich-Pavillon bei der Weltausstellung in Paris und an den Mautner-Pavillon bei der Weltausstellung 1873. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gab es ab 1873 ein Stallgebäude für acht Pferde und einen kleinen Kuhstall. Diese Villa, stand im Besitz von Julie Marcelline und ging nach ihr an ihre Tochter Eleonore Waechter über, in deren Familienbesitz sie bis zur Jahrhundertwende blieb.
Berggasse 172, 1860
Marchetstraße 76
Den Namen Mautner-Villa trug dann das Haus Nr. 72, das Georg Heinrich 1883 in unmittelbarer Nähe gekauft hatte und als dessen Eigentümer seine Frau Charlotte im Grundbuch aufschien. Er gestaltete dieses Haus 1884 weitgehend so um, wie man es heute noch in der Marchetstraße sieht. Gegenüber (heute Nr. 67) wurde ein Pavillon mit einer Kegelbahn errichtet. Die Mautner-Villa musste 1922 in der für die Familie schwierigen Zeit verkauft werden.
Marchetstraße 72
Auch Carl Ferdinand besaß in der Wilhelmstraße 13 eine Villa, die er jedoch wieder veräußerte, als er nach Rodaun übersiedelte.
Victor verbrachte die Sommer mit seiner Frau Helene in der Christalnigg-Gasse 7.
Sowohl Adolf Ignaz als auch Georg Heinrich und deren Frauen zeigten sich auch in ihrem Sommersitz Baden als Wohltäter. Das Ergebnis der umfangreichen Spendentätigkeit war die Verleihung von Ehrenbürgerurkunden an Adolf Ignaz im Jahr 1879, an Julie Marcelline im Jahr 1887 sowie an Georg Heinrich und seine Frau Charlotte im Jahr 1890. Eine Gedenktafel für Julie Marcelline, die bis in die 1930er Jahre im Kurhaus angebracht war, ist erhalten geblieben und wartet derzeit auf eine neue Verwendung.
Gedenktafel der Stadtgemeinde Baden für Julie Marcelline Mautner von Markhof
Gedenktafel für Julie Marcelline Mautner v. Markhof, Badener Bezirks-Blatt, 26. Juli 1887, S. 2, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Die erste Spende tätigte Adolf Ignaz 1870, als er den Betrag von 2000 Gulden für die Bekleidung armer Schulkinder spendete. Die Kinder lagen der Familie immer sehr am Herzen und 1887 stellte Julie Marcelline den Grund für ein Waisenhaus zur Verfügung, zu dessen Unterhalt ihr Mann eine Stiftung von 54.000 Gulden errichtete, in die auch ihr Sohn Georg Heinrich weitere Beträge einzahlte. Dieses Waisenhaus konnte erst 1908 eröffnet werden und trug den Namen des Kaisers, der damals sein 60-jähriges Thronjubiläum feierte. Es ist nicht mehr erhalten.
1889 erwarb Adolf Ignaz knapp vor seinem Tod von der Gräfin Christalnigg einen Grund in der Bahnstraße 29, den er für die Ausspeisung armer Kinder und die Errichtung eines Kindergartens zur Verfügung stellte. Auch dafür gab es eine Stiftung, zu der seine Geschwister aus der Erbschaft je 3000 Gulden zuschießen mussten. Die Ausspeisungen für Kinder aller Konfessionen (wie im Wiener Kinderspital) begannen noch 1889, der Kindergarten eröffnete am 2. Jänner 1890. Dieses Haus auf dem Hötzendorfplatz 11 steht auch heute noch, es beherbergt die städtische Musikschule, auf dem Giebel sieht man noch das Familienwappen.
Mautner von Markhof-Stiftung 1889 zur Speisung armer Schulkinder, heute städtische Musikschule Baden
Im Berggasthaus Rudolfshof, 1881 anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen erbaut, stammt die Einrichtung größten Teils von Adolf Ignaz. Vom Rudolfshof weg führen ein Ignaz- und ein Marcellinenweg, ein Stück bergab haben Victor und seine Gattin Helene einen Pavillon für müde Wanderer errichten lassen.
Rudolfshof mit Gedenktafel Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof
Gedenktafel Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof anlässlich der Erbauung des Rudolfhofs
Helene und Victor Mautner von Markhof Pavillon
Als 1885 die Stadtpfarrkirche regotisiert wurde, spendete die Familie zwei Glasfenster. Das eine zeigt wie in der Elisabethkapelle ihre Namensheiligen Adolf und Julia, das andere den heiligen Augustinus und erinnert an den 1883 im Alter von 40 Jahren verstorbenen Sohn August. Die Widmungen sind im Gegensatz zu den Glasfenstern der Wiener Kapelle sehr dezent, obwohl andere Spender sich in dieser Kirche sehr prominent selbst abgebildet haben. Als die Einfassungen der Fenster 1960 generalüberholt werden mussten, übernahm die Kosten für diese beiden Fenster ein Ururenkel von Adolf Ignaz.
Gedenkfenster August Ritter Mautner von Markhof, Stadtpfarrkirche Baden bei Wien
Gedenkfenster August Ritter Mautner von Markhof, Stadtpfarrkirche Baden bei Wien
Gedenkfenster Adolf Ignaz und Julie Marcelline Mautner von Markhof, Stadtpfarrkirche Baden bei Wien
Gedenkfenster Adolf Ignaz und Julie Marcelline Mautner von Markhof, Stadtpfarrkirche Baden bei Wien
Die Familie beteiligte sich auch am Badener Leben und als 1880 das 400-jährige Stadtjubiläum gefeiert wurde, hieß es: Die bestilluminiertesten Häuser waren unstreitig die der Bergstraße; von diesen wieder zeichnete sich die Villa des Herrn von Mautner aus. Baden kann stolz sein auf diesen Ehrenbürger; indem er diesen Anlaß benützte, eine Illumination zu inscenieren, wie sie hier wohl noch nie gesehen wurde, hat er nur die Stadt Baden geehrt, was allgemein gut vermerkt wurde und in aller Gedächtniß bleiben wird Hildegard Hnatek, Liebste Adele. Frauen in Baden 1848–1914, Bruck an der Leitha 2003, 196.
Als Georg Heinrich 1895/1896 eine Reise nach Ägypten machte, erwarb er eine Mumie (Fundort Gizeh), die er dem Badener Heimatmuseum zur Verfügung stellte. Auch heute noch kann man im Rollett-Museum einen 2.200 Jahre alten altägyptischen Mann bewundern, der wohl nie im Leben daran gedacht hatte, einmal in Baden bei Wien seine letzte „Ruhestätte“ zu finden.
Mumie Ptolemäerzeit 3./1. Jh. v. Chr., Ankauf 1896 durch Georg Heinrich Ritter Mautner von Markhof
Adolf Ignaz starb am Heiligen Abend 1889 im hohen Alter von 88 Jahren auf dem Franziskanerplatz. In seinem Sommersitz, wo er Ehrenbürger war, fand noch während der Weihnachtsfeiertage eine außerordentliche Gemeinderatssitzung statt, bei der Bürgermeister Franz Breyer ausführte „Er hat sich in unserem dankbaren Herzen ein unvergängliches und bleibendes Denkmal der Pietät und Erinnerung errichtet und er hat durch seinen Wohltätigkeitssinn angeregt, den Armen und Bedürftigen Badens durch eine Reihe von Jahren reichliche Spenden zugewendet und damit diesen Enterbten des Glückes gar oft und insbesondere zur Weihnachtszeit frohe und glückliche Stunden bereitet“ Badener Bezirksblatt, 28. Dezember 1889, 2.
Mit der Mautner Markhof-Straße drückt die Stadt Baden ihren Ehrenbürger auch heute noch auf besonders nachhaltige Art und Weise ihre immerwährende Sympathie und Dankbarkeit aus.
Straßenschild Baden/Wien
Mautner Markhof Straße, Baden bei Wien
Hugo Reinhold komponiert für Editha Mautner von Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDer österreichische Komponist Hugo Reinhold widmete der zweiten Frau von Carl Ferdinand Mautner von Markhof, Editha (*9. Juni 1846 Krakau, † 17. Dezember 1918) geborene Freiin Sunstenau von Schützenthal, das Werk 4 Piano Pieces.
Hugo Reinhold: Klavierstücke op. 52/2: Etude (Am Springbrunnen). Mit eingedruckter Widmung „An Frau Editha Mautner von Markhof geb. Baronin Sunstenau“. Wien, Doblinger [VN D. 1902] (um 1894). 5 Seiten.
Hugo Reinhold
3. 3. 1854 –
4. 9. 1935
Das „Papstfenster“ der Familie Mautner Markhof
/in Allgemein /von Beate HemmerleinGianangelo Graf Braschi (*1717 – †1799), Papst Pius VI., war der erste amtierende Papst, der Wien besuchte. Dazu veranlasst sah er sich aufgrund der reformistischen Pläne Joseph II., der im josephinistischen Habsburgerreich das Prinzip der Staatskirche einführen wollte, was erhebliche Beschränkungen des päpstlichen Einflusses – selbst in geistlichen Fragen – zur Folge gehabt hätte.
Am Weg zur Kirche Maria Geburt absolvierte er am 11. April 1782 einen Aufenthalt in St. Marx, wo er von einem Fenster aus die davor versammelte Menschenmenge segnete.
St. Marx im 18. Jahrhundert
In Gedenken an diesen Besuch ließ Adolf Ignaz besagtes Fenster später kunstvoll umrahmen.
Papstfenster (links) Brauerei St. Marx
Beim Abriss von St. Marx wurde diese wunderschöne Umrandung abmontiert und in der Familie erhalten. Sie schmückte seitdem ein Fenster der Villa von Manfred I. Mautner Markhof, begrüßte die Besucher beim Eintritt in den Rosenhof und ziert im 21. Jahrhundert die Hausfassade von Theodor II. Heinrich Mautner Markhof.
Papstfenster Dittmanngasse 5 (Manfred I. Mautner Markhof)
Papstfenster Rosenhof
Papstfenster Rosenhof
Papstfenster Dittmanngasse (Theodor II. Heinrich Mautner Markhof)