Peter Rosegger und die Familie Reininghaus
So sehr Johann Peter Reininghaus auch Arbeitsmensch war – gleichzeitig trug er immer einen Band von Mörikes Gedichten bei sich. So ist es auch kein Zufall, der ihm den großen steirischen Dichter Peter Rosegger buchstäblich in die Arme führte. Dr. Swoboda von der „Grazer Tagespost“ hatte ihm von der Begabung dieses Dorfkindes geschrieben, das nichts Anderes als Bücher lesen wollte und von der Ausdrucksmöglichkeit des Wortes wie besessen war. Auf Rosegger aufmerksam geworden, hatte Johann Peter ihm die Werke Schillers geschickt. So stand eines Tages dieser Bauernbub im Hofe der Brauerei vor seinem Spender. Johann Peter reichte diesem Spielmann Gottes die Hand. Der eine war beglückt, in der Sprache des Bauernkindes das zu finden, was er suchte, und der andere brauchte die feste Hand, die ihn verankerte, damit er auf sicherem Grund stehe, um von da aus sein Wirken zu beginnen. Emma Urban-Reininghaus/100 Jahre Reininghaus
Johann Peter schickte Rosegger nach Laibach zu einem Buchhändler in die Lehre, von wo er jedoch von großem Heimweh getrieben alsbald zurückkehrte. So behielt Johann Peter ihn in Graz, verhalf ihm zu einem Studium und – was vielleicht noch ausschlaggebender war – wurde ihm ein wirklicher Freund. Er nahm ihn in die Familie auf, wo sich Therese mütterlich des jungen Dichters annahm. Rosegger hat die tiefe Freundschaft und Verbundenheit zur Familie Reininghaus auch lebenslang in gedenkenden Schriften immer wieder dokumentiert.
„Heimgarten“, Graz.
Mein teurer Freund!
Ich und immer ich habe zu danken. Diesmal eigentlich vor Allem meine Kinder, denen du mit der Nebelbilderanstalt Anm.: ähnlich Laterna magica immense Freude bereitet hast, die alle übrigen ihrer Christbaumfreuden ganz und gar verdunkelte. Wir großen Kinder ergötzen uns nicht minder an den prächtigen Lichtbildern und [es] findet jeden Tag eine sehr gut besuchte Vorstellung statt. Also tausend Dank. Warst du beim Hypnotiseur? Ich will nächstens deine Meinung darüber hören. Es ist möglich, dass ich dieser Tage nach Krieglach gehe, dann sehe ich euch in diesem Jahr nicht mehr. Ich beschließe es mit dem innigen Wunsche, das kommende Jahr möge dir und deiner Familie, die du so treu liebst, zum Heile sein! Übrigens möchte ich diesmal den Silvesterabend daheim bei meinen Kindern zubringen, also nicht nach Krieglach gehen, wo am Ranuihof meine Schwiegereltern und meine Frau das letzte Mal Silvester feiern wollen.
Gott Grüße euch zum neuen Jahre!
Euer Peter Rosegger
Graz, 28.12.1888
„Heimgarten“, Graz.
Mein teurer Freund!
Deiner gestrigen, aus dem gewohnten Humor scharf hervorstechenden Äußerung nach zu schließen, hältst du den öffentlichen Vortrag der „Weiberpeitschen“ für indiskret. In diesem Falle würdest du sie missverstanden haben. Die den Männern entgegengesetzten moralischen Eigenschaften der Frauen sind seit jeher ein beliebter Gegenstand der männlichen Satire u. des drastischen Volkshumors gewesen. Große wie kleine Geister haben sich öffentlich in allen Formen damit befasst, und die Frauen, als die Klügeren, haben stets dazu geschmunzelt im vollen Bewusstsein, dass ihre Herrschaft u. ihr Wert in der Tat dadurch nicht geschmälert wird. Das einzige Gesetz des Satirikers in diesem Falle ist, dass er nicht bestimmte Merkmale bestimmter Frauen kennzeichnet, sondern dass er ihre allgemeinen Charakterfehler geißelt. Von diesem Grundsatze darf er nie abgehen, u. ich glaube denselben in meiner Satire streng befolgt zu haben. Wenn du, mein teurer Freund, dabei Anm.: nicht leserlich an die eigene Frau des vortragenden Dichters gedacht haben solltest, so versichere ich dich, dass keine einzige Strophe in der „Weiberpeitschen“ für meine Frau eine Anwendung finden kann, die über das Allgemeine hinausgeht, ja, dass die Satire gerade auf meine Frau gar nicht passt. Meine ehelichen Leiden – ich deutete sie dir ja einmal an, sind anderer Natur. Ich habe sie in der „Weiberpeitschen“ mit keiner Silbe gestreift. Wenn du die „Weiberpeitschen“ ruhig durchliest (sie steht im Februarheft des Heimgarten), so wirst du finden, dass alles schon tausendmal gesagt, gedruckt, gelesen worden ist, von Besseren, als ich bin, wenn ich auch zugebe, dass die Gedanken in der Volksmundart sich schneidiger ausnehmen als in der verwässerten Schriftsprache. Mir fällt jetzt nur ein, dass ich die Satire für alle Fälle mit den Worten hätte schließen können:
„Weg’n was ihm d’Weiber nit sein g’raten?
Der Stoff ist Schuld an all den Sachen.
A Männer-Ripp! Ich bitt euch gar schön!
Was lasst sich daraus Gutes machen?“
Das hätte dich ausgesöhnt, hätte aber doch zu viel Öl in die Wunden gegossen, welche die „Weiberpeitschen“ schlagen wollte. Denn Aufgabe der Satire ist es ja, zu geißeln, in eurem vorhandenen moralischen Gebreste einen brennenden Schmerz zu verursachen, damit man des Fehlers sich bewusst wird und darüber nachdenkt. Das öfter Nachdenken über die eigenen Charaktereigenschaften würde den Frauen gar nicht schaden. Müssen doch auch wir Männer unsere moralische Vervollkommnung durch Selbstforschung und Selbsterkenntnis unserer Fehler zu bezwecken suchen, und sind es gerade die Frauen, die uns darüber am leidenschaftlichsten belehren. Ich bin in einer französischen Zeitschrift einmal der „deutsche Frauenlob“ genannt worden. Nun das gäbe mir auch das Recht, einmal eine weniger erbauliche Wahrheit zu sagen. Ohnehin hebt die Weiberpeitsche in der Hand eines Mannes bald an zu grünen, zu blühen, bis sie plötzlich ein – Brautstrauß ist! Meine Frau hat, als ich ihr die „Weiberpeitschen“ vorlas, recht gelacht, also, verehrter Freund, tu auch du denselben Gefallen deinem
P. K. Rosegger
Graz, 25.2.1889
Heimgarten
Graz 29.5.1892
Mein treuer Freund!
Als ich mich heute an von dir verabschieden wollte, schliefst du u. eine Bitte, die ich dir unterbreiten wollte, musste unausgesprochen bleiben. Ich gebe im nächsten Spätherbste ein Buch heraus: „Allerlei Menschliches“, welches über allerhand wichtige menschliche gesellschaftliche, philosophische, literarische Dinge in ernsthafter Weise handeln wird. Es ist ein Buch, welches meinem innersten Wesen entsprungen ist und ich glaube, dass du fast durchgehend mit meinen Erwägungen und Ausführungen einverstanden sein wirst. Und weil mir dieses Buch besonders lieb ist, so möchte ich mit u. in demselben gerne ein kleines Freundesdenkmal setzen, wie es halt eben ein Port setzen kann. Mein erstes hochdeutsches Buch habe ich vor 22 Jahren deiner liebsten Frau gewidmet und sie hat die Widmung angenommen. Wenn ich dich nun schön bitte, die Widmung meines neuesten Werkes: „Allerlei Menschliches“ gütig anzunehmen – was wirst du sagen? Sage in Gottesnamen: Ja. Schau, ich möchte der Welt so gerne einmal zeigen, wie gern ich dich habe, u. nur solche Zueignung ist dafür das schlichteste und zugleich würdigste Mittel. Also wehre es mir nicht.
Die Hitze lähmt mich schier, ich schließe kurz. Gut Heil, mein edler Freund, für den Sommer!
Dein P. K. Rosegger
Metahof, d. 31.5.92
Lieber, teurer Freund!
Du hast in deinem lieben Briefe, welchen ich gestern erhielt, schon selbst angedeutet, dass du mich durch die Ehre – denn als solche kann ich es nur betrachten – welche du mir antun willst, und welche du so einfach als eine „Bitte“ bezeichnest, in Verlegenheit setzen würdest. Meine nicht, dass dies nur so eine Redensart von mir sei. Ich habe wirklich die Empfindung, dass Anm.: Folgendes ist durchgestrichen unser stilles, liebes, freundschaftliches Miteinander und u. Zusammen-Leben darunter leiden könnte, wenn es nun so gewissermaßen in die Öffentlichkeit gezogen würde. Anm.: Folgendes ist darübergeschrieben: die Welt nichts mit unserem lieben, freundschaftlichen Miteinander und Zusammenleben zu schaffen haben soll. Du willst mir, deinem uralten Freund, eine Freude machen, u. ich erkenne dies gewiss dankbar an, aber, liebes Peterl, es ist das zu viel für mich, wenn ich nun so auf einmal als Freund eines berühmten Dichters vor der Welt erscheinen soll – also glaube ich, wäre es besser, wir blieben genauso miteinander und beieinanderstehen, wie es bisher immer gewesen ist – unbefangen in treuer Freundschaft und Anhänglichkeit. Ich lege hier einen Wisch bei, auf dem dein Name steht. Der bedeutet, dass ich dir dieser Tage schreiben wollte, irgendetwas; es sollte auch eine Art Bitte sein, an dich, und dieser Wisch war das Erinnerungszeichen, nicht zu lange zu warten; denn die Zeit eilt schnell. Nun getraue ich mich kaum, dir meine Bitte vorzutragen, denn nach der Ehrenstellung, die du mir anweisen willst, bin ich nicht mehr so unbefangen wie früher. Wehren kann ich dir nicht, was du vorhast, aber ich musste dir auch das, was ich darüber denke und dabei empfinde, sagen. Gestern Abend stieg hier ein schweres Gewitter auf, was nach der herrschenden, abnormen Hitze sehr arg zu werden drohte. Nun ist es aber mit einem leichten Regen eingetreten; der gefürchtete steyrische Hagelschlag hat sich nicht eingestellt und die Luft doch abgekühlt. So hoffe, ich, wirst auch du nicht mehr von der argen Hitze zu leiden haben. Aber wenn nun das Gewitter sich zu einem kleinen Landregen ausbilden sollte, so werden die Menschen auch wieder jammern.
Zufrieden – scheint mir – sind nur zwei in der Welt: Gott und sein Peterl! Du!
Sei eilend und vielmals herzlich gegrüßt.
Dein alter treuer Freund
auch ein Peterl
Heimgarten
Krieglach, 5.6.1892
Mein teurer Freund!
Dein lieber Brief ist nicht ganz so, dass ich mir nun so ohne Weiteres erlauben dürfte, dir mein neues Buch „Allerlei Menschliches“ zuzueignen. Also wiederhole ich meine Bitte noch einmal. Das mir liebe Buch würde mir doppelt lieb werden, wenn es mit deinem Namen geschmückt wäre. Aber vergewaltigen möchte ich deinen Zartsinn, den ich ja sehr schätze, nicht. Also will ich es so machen: Wenn diese heutigen Zeilen unbeantwortet bleiben, dann unterlasse ich die Widmung; wenn du mir aber noch einmal schreibst, dass du „nicht als Freund eines berühmten Dichters vor der Welt erscheinen“ willst, dann unterlasse ich sie nicht – dann sollst du nur gestraft werden! Aber freilich, da du deinen angedeuteten Wunsch nur nicht ausgesprochen hast, habe ich kaum das Recht, den meinen so lebhaft zu bekommen. Den ersten Asthmasturm auf dem Lande habe ich bereits hinter mir. Der zweite dürfte an die Reihe kommen. Und doch bin ich froh, hier zu sein u. Ruhe zu haben. Dein Sohn Hans Anm.: Johann Dietrich „Hans“ v. Reininghaus, geb. 1867 ist ein Prachtjunge. Rührend ist’s, wie lieb er als Firmpath mit meinem Hansel Anm.: Sohn Hans Ludwig, geb. 1880 war, wie freundlich er mit dem Knaben den ganzen Vormittag sich abgegeben hat. Der Kleine ist dann auch ganz Feuer und Flamme für seinen Paten. Aber die herrliche goldene Uhr! Dem Knaben macht sie eine riesige Freude, aber mich drückt sie. Eine Kleinigkeit als Andenken wäre mehr als genug gewesen – doch ich muss immer mehr und noch mehr euer Schuldner sein, und du willst mir noch das einzige Mittelchen, das ich habe, nehmen, um meine Dankempfindung auch nur anzudeuten. Schau, ich habe ja nichts als das Wort u. mein Reichtum ist das Wort, und wie ich dir schon einmal geschrieben habe: Am Anfang war das Wort – und das Wort ist Fleisch geworden! So meine ich doch, dass es nicht ganz leerer Schall ist u. dass mein beabsichtigtes Unterfangen, durch ein Wort öffentlich zu sagen: Alter treuer Freund, ich verehre dich, ich hab’ dich gern – doch gerade kein müßiger Übermut ist.
Nun zieht ihr wohl bald auf euren schönen Landsitz, gleichsam auf dein steirisches Stückerl Westfälerland.
Gut Heil!
Dein Rosegger
Mein hochverehrter Freund!
Mich verlangt es, dich zu grüßen. Möge der Sommer dich auf deinem schönen, friedsamen Sommersitz erquicken. Schließen wir Ohr und Augen vor dem, was nicht gut und schön ist. So muss ich es machen, um nicht verzagt zu werden, denn mich hat’s wieder recht schlimm auf der Brust. Du wirst mir auch nicht mehr vorhalten können, dass ich zu viel sitze und arbeite; du wirst eher Ursache haben, mich auszuzanken, dass ich gar nichts mehr arbeite seit vielen Wochen.
Wenn’s das Befinden erlaubt, mache ich Bergpartien, das Angenehmste, was ich noch auf der Welt kann. Aber wenn dann wieder Husten und Atemnot ist, muss ich liegen. Dass ich nicht schlafen kann, ist das Schlimmste, helfe mir aber damit, dass ich an lauter angenehme Dinge und liebe Menschen denke und da bist du, mein Freund, nicht selten mein Genosse in schlaflosen Nächten.
Sepp und Hans sind noch in Graz, die übrigen sind wir alle hier versammelt u. ist somit nichts Schlimmes zu berichten. Lass mir einmal ein paar Zeilen schreiben, wie ihr alle beisammen seid und den Sommer zubringen wollt. Ich denke mir, dass du einen Teil deines Nachsommers damit zubringen wirst, dich über deine liebe Familie, über deine großen Lebensschöpfungen zu freuen u. interessante Memoiren niederzuschreiben. Ich habe im Vergleich zu dir so wenig erlebt u. so viel geschrieben!
Die herzlichsten Grüße von Haus zu Haus, besonders von deinem
Peter
Krieglach, 27.6.97
Hochverehrter Freund!
Es ist eigentlich banal, jemandem, den man sehr lieb hat, ausdrücklich Glück zu wünschen. Und andererseits ist’s doch gut, dass sich manchmal Gelegenheit ergibt, das, was man immerwährend empfindet, auszusprechen. Also mein verehrter, teurer Freund, ich wünsche dir noch eine lange und gesegnete Dauer deines fruchtreichen Erdenlebens! Bei uns nichts Neues – ich bin im Sommer mit einzelnen Familienmitgliedern viel in den steirischen, salzburgischen, tirolischen, ja selbst italienischen Alpen herumgestiegen. Habe mich dabei teilweise erholt, aber einen gewissen Rost noch nicht ganz von der Seele gebracht. Nun ist die Zeit, dass ich nicht mehr so viel gebückt am Schreibtisch sitze, denn mir macht seit einer Weile das Schreiben physisch große Anstrengung. In wenigen Wochen ziehen wir nach Graz, wo wir im Oktober wieder in unsere frühere Wohnung, Burggasse 12, übersiedeln, die uns vor 4 Jahren zu klein geworden war, nun aber durch Vereinigung mit einer Nachbarswohnung groß genug geworden ist. Mich hat’s immer wieder in mein trautes Zimmer zurückgezogen, wo ich so viele Jahre in Glück und Leid zugebracht. Nun wird´ ich’s mit Gotteswillen wiederhaben.
Tausend Grüße von Haus zu Haus. In der Hoffnung auf baldiges frohes Wiedersehen
Dein Peter Rosegger
Krieglach, 30.9.1897
Herr! Ihr könnt es nie und nimmer verantworten, was Ihr aus mir gemacht habt! Einen Trunkenbold! Morgen dürften in mir sich 3 Räusche collidieren: der von gestern, der von heute und der von morgen früh. Da zudem morgen auch meine Frau nach Krieglach abreisen dürfte, kann ich wahrscheinlich nicht zum Essen kommen. Sollte ich am nächsten Donnerstag abends nüchtern sein, so erscheine ich. Einstweilen tausend Dank für alle Spitze, Wichschen, Äffchen, Haarbeutel, Fetzen u. Mugels, die ich hinter mir habe und die mir noch bevorstehen. O Christkindl, was hast du da gemacht!
Vielen Dank! Mir hat der Mittwoch Anm.: durchgestrichen Donnerstag Abend sehr wohlbekommen. Wenn’s der Falb’sche Anm.: Rudolf Falb, Forscher und Meteorologe Schneesturm erlaubt, muss ich morgen nach Wien.
Herzlich grüßt dein
Graz 12.3.1892
Hochverehrter Freund! Herzlichen Dank für deine lieben Zeilen. Schone dich nur, dass du am nächsten Dienstag recht frisch und froh bist. – Ich komme jetzt wenig raus, Heimgarten drängt! – Deine liebe Frau hat uns wieder Bier schicken lassen. Vergelt´s Gott tausendmal!
Euer
Graz 20.4.1892
Sehr gerne, lieber Herr v. Reininghaus, erfülle ich Ihnen die kleine Bitte u. grüße Sie herzlichst.
Alle Transkriptionen Ulrike Reininghaus.