Die Brionischen Inseln/Brijuni bilden einen Teil der sogenannten österreichischen Riviera, die sich von Triest nach Pula entlang der Istrischen Küste zog. 1850 machten die Habsburger Lussin zu ihrer Sommerresidenz, 1860 vollendete Erzherzog Maximilian sein Sommerschloss Miramare bei Triest. Paul Kupelwieser kaufte 1893 die Brionischen Inseln, um in dieser Umgebung, begünstigt durch das milde Klima, das eine fast ganzjährige Saison erlaubte, ein neues „Capri“ zu schaffen. Er ließ die Sümpfe trockenlegen, bekämpfte mit Unterstützung Robert Kochs die Malaria, legte Reste einer römischen Kaiservilla frei und schuf Hotelanlagen, einen Jachthafen und sonstige touristische Einrichtungen auf modernstem Niveau. Die Nähe zu den wichtigen Häfen Pula und Triest und die damit einhergehende gute verkehrsmäßige Anbindung trugen zum Erfolg des Kupelwieser’schen Projektes bei. Brioni entwickelte sich bis zum ersten Weltkrieg zu einem der beliebtesten Urlaubsziele der europäischen Haute Volée. Unter Mussolini fielen die Inseln an Italien.
Durch die Eheschließung von Maria Anna Kupelwieser und Manfred I. Mautner Markhof (17. April 1926) wurde die Geschichte Brionis mit der des Hauses Mautner Markhof verbunden.
Auszüge aus den Lebenserinnerungen von Manfred I. Mautner Markhof
Brioni, diese märchenhafte Insel war im Besitz der Familie meiner Frau und eine Gründung des Großvaters, Paul Kupelwieser. Dieser war ein ganz hervorragender Mann. Relativ früh, mit ca. 50 Jahren, zog er sich als Industrieller – er hatte als Generaldirektor von Witkovitz dieses Stahlwerk zur Blüte gebracht- zurück und kaufte die malariaverseuchte, etwa 750 ha große Insel Brioni in der Adria. Mit Hilfe seines Freundes Robert Koch, dem berühmten Malariaforscher, war die Insel in kürzester Zeit fieberfrei, und nichts stand mehr im Wege, dieses Kleinod aufzuschließen. Es entstanden um den kleinen Hafen entsprechende Hotels mit einem großen, gedeckten Schwimmbad mit warmem Meerwasser, damals etwas ganz Außergewöhnliches, über hundert Kilometer chaussierter Straßen, ein 18-Loch-Golfplatz, zwei Poloplätze, Tennisplätze, etc. Auf Anregung von Carl Hagenbeck wurde ein großer Tierpark angelegt, der auch zur Akklimatisierung von frisch gefangenen Tieren Afrikas zur Verfügung stand. Später wurden dann auf der Insel in freier Wildbahn Hasen, Fasane, Rehe, Damwild, Mufflons und Axishirsche ausgesetzt, die sich glänzend vermehrten, allerdings nicht gerade zum Vorteil der herrlichen Flora. Ein dritter Freund Paul Kupelwiesers war Rudolf Diesel, der Erfinder der nach ihm benannten Motoren; dem erlaubte er, in das Schiff, das dem Verkehr mit dem Festland – also mit dem Kriegshafen Pola – dienen sollte, den ersten Dieselmotor, der je in ein Schiff kam, einzubauen. Dieses Fahrzeug, das ca. 100 Personen tragen konnte, versah seinen Dienst in unglaublich verlässlicher Art bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Nach dem Tode Carl Kupelwiesers (1925) – Großvater Paul war bereits 1919 verstorben – ging der Besitz in die Hände meiner Frau und ihrer beiden jüngeren Schwestern über. Die Verwaltung übernahm ein Freund der Familie, ein K. u. K. Marineoffizier, Dipl.-Ing. Pietro Cunoldi.
Die zunehmende Mondänität und das langsame Bekanntwerden der Insel auf der ganzen Welt zwischen den beiden Kriegen brachte es auch mit sich, dass man dort immer wieder bedeutende und äußerst bekannte Menschen antreffen konnte: Beim Polo waren es neben vielen anderen z. B. Lord Mountbatten, der Duca di Spoleto oder Fürst Ulrich Kinsky, der nie einen Helm aufsetzte, sondern immer nur eine rote Seidenkappe, Baron Louis Rothschild und Fürst Otto Windisch-Graetz (Schwiegerenkel des alten Kaisers Franz Joseph). Meine interessantesten Tennispartner waren wahrscheinlich Graf Toni Arco, der den bayrischen Ministerpräsidenten Eisner auf offener Straße in München erschossen hatte und trotzdem mit dem Leben davongekommen war, und Comte Sibour, einer der erfolgreichsten französischen Jagdflieger aus dem Ersten Weltkrieg. Unglaublich interessant ist es, das Gästebuch meiner Schwiegermutter durchzublättern, die eine außergewöhnlich gescheite und sehr anregende Frau war. So ergab es sich einmal, dass sich zum Tee im alten Castell bei meiner Schwiegermutter die damals größten lebenden Geister des geschriebenen Wortes und der Musik einerseits und der gewaltigste Mann der Faust andererseits trafen: George Bernard Shaw – Richard Strauss – Boxweltmeister Gene Tunney. In besonderen Aufruhr gerieten die Insel und insbesondere ihre weiblichen Bewohner immer dann, wenn die englische Mittelmeerflotte Brioni einen Besuch abstattete. Der Anblick von manchmal mehr als zwanzig Einheiten der englischen Kriegsmarine, die im Kanal von Fažana vor der Insel ankerten, war schon sehr eindrucksvoll. Männer, die zu dieser Zeit auf der Insel keine Uniform besaßen, waren deutlich eine Spezies zweiter Klasse. Cocktails, Soupers und Bälle lösten einander ab.
Die Zeiten wurden immer schwieriger. Der amerikanische Börsenkrach 1929 brachte katastrophale Ausfälle im Besuch der Hotels. Aber nicht nur das war der Grund zu großer Sorge, auch ein seit dem Jahre 1919 laufender Prozess wegen der Rückzahlung eines großen Darlehens, das noch während des Ersten Weltkrieges aufgenommen worden war, nahm einen wechselvollen Verlauf. Nachdem unsere Prozessgegner viermal gewechselt hatten, stand uns letzten Endes der italienische Staat gegenüber. Nach sehr schwierigen und von Dipl.-Ing. Cunoldi glänzend geführten Verhandlungen war es dann soweit, dass in einem fast zweistündigen Gespräch, das Cunoldi und ich in Rom mit dem damals zuständigen Minister Suvich führten, die zeitgerechte Rückzahlung des umstrittenen Darlehens anerkannt wurde und damit alles bestens erledigt erschien. Um ganz sicher zu gehen, fertigten wir gleich nach der Unterredung ein italienisch geschriebenes Protokoll an, ließen es vom Sekretär des Minister Suvich, Marcellino Principe del Drago, mit Stempel versehen und die Richtigkeit bestätigen. Mit diesem Dokument fuhr ich mit Triumphgefühlen nach Wien zurück, wo wir voll Freude ein Champagner-Souper gaben. Genau zehn Tage nachher kam die Hiobsbotschaft, dass alles verloren sei. Ich fuhr sofort wieder nach Rom, wo mir der damalige Minister Buffarini den halbmeterdicken Akt zeigte, der Mussolini vorgelegt werden musste, welcher mit Bleistift, wie ich mit eigenen Augen las, quer über den Akt ein „un brutto scherzo“ geschrieben hatte. Nach der herrschenden faschistischen Rechtsauffassung war damit endgültig und inappellabel der Übergang Brionis in italienische Staatshände entschieden Nach Kriegsende ging ganz Istrien, und damit auch Brioni, an den jugoslawischen Staat. Damit fiel auch jede Regressmöglichkeit an Italien wegen erlittener faschistischer Unbill ins Wasser. Auch gegen Jugoslawien ist dadurch natürlich kein begründeter Anspruch vorhanden.
Anlässlich des Besuches von Marschall Tito wurden wir ihm und seiner Frau Jovanka vorgestellt, worauf sich ein längeres Gespräch ergab. Ich sagte ihm völlig aufrichtig, dass der Großvater meiner Frau, Paul Kupelwieser, der Begründer des Inselparadieses Brioni, sich sicher freuen würde, wie schön und gepflegt sich die Insel präsentierte, wenn er dies heute noch sehen könnte. (Wir waren nämlich ein paar Monate davor als Gäste Titos dort gewesen, ohne ihn aber bei dieser Gelegenheit zu treffen, und konnten dabei die ganze Insel besichtigen. Wir reisten aber etwas vorzeitiger wieder ab, obwohl wir mit denkbar größter Gastfreundlichkeit aufgenommen worden waren, da die auf meine Frau einströmenden Erinnerungen doch etwas zu schmerzhaft waren.) Auf diese anerkennenden Worte meinerseits lächelte Tito und sagte: „Ja, aber einen Fehler habe ich gemacht, ich hätte die Hotels nicht wiederaufbauen sollen, die ja im Krieg völlig zerstört worden sind.“ Dieser Ausspruch, gerade aus Titos Mund, hat mich schon sehr unterhalten. Er selbst bewohnt an herrlichem Platz eine neu errichtete große Villa. Völlig unzerstört blieb das alte Castell, das früher von der Familie meiner Frau bewohnt wurde. Dort wurde ein Museum mit mehr oder minder wertvollen Dingen eingerichtet, die auf der Insel bei Ausgrabungen gefunden worden waren. Ein Raum ist als Kupelwieser-Gedächtnisstätte gedacht und mit allen möglichen Bildern und Dokumenten ausgestattet, die natürlich vornehmlich auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückgehen, wo Brioni noch zu Österreich gehörte. Zu unserer größten Überraschung fanden wir dort auch ein Bild unserer Hochzeit auf der Insel aus dem Jahre 1926, offenbar um das Österreichische zu betonen. Dass Brioni jemals italienisches Territorium war, ist aus den gezeigten Dokumentationen nicht ersichtlich.