Im Jahre 1938 hatte die Familie Mautner Markhof die Aktienmajorität der HAUSER & SOBOTKA AG erworben, die sich seit Jahrzehnten nicht nur durch den Vertrieb des Backmittels DIAMALT „in aller Welt“ ausgezeichnet, sondern auch ein vorwiegend bäckereiwissenschaftlich tätiges Laboratorium unterhalten hatte. Darüber hinaus war mittels einem eigens dafür engagierten Chemiker (Dr. Bader) sogar bereits mit der Erzeugung von Enzymen (Alpha-Amylase aus Schweine-Pankreas) begonnen worden. Der neue Hauptaktionär, mit seinem Flaggschiff Brauerei Schwechat, verstand sich hingegen hauptsächlich als Brauer und hatte in seinen Überlegungen mit der Übernahme von Hauser & Sobotka lediglich eine Malzfabrik gekauft, was auch im neuen Firmennamen zum Ausdruck gebracht wurde.
Die Diamalt-Abteilung hingegen, obwohl die Marke Diamalt damals in der Branche weltweit sicherlich den größten Bekanntheitsgrad hatte und das Laboratorium in Stadlau seit Beginn des Jahrhunderts auch Kompetenzzentrum einschlägigen Fachwissens gewesen war, wurde nur mehr als praktisches „Anhängsel“ gesehen, von dem die Sekunda-Gerste verarbeitet wurde, welche den Extraktgehalt des Braumalzes vermindert konnte. Die Funktion des Laboratoriums wurde auf anfallende Betriebsanalysen (Malz, Suppenwürze, Diamalt) reduziert, von der ehemals stolzen Backmittel-Firma war somit nur mehr der Verkauf übergeblieben. Mit dem Ausscheiden der beiden Bäckereiwissenschaftler von Hauser & Sobotka war auch ihr Wissen verlorengegangen und der neue Hauptaktionär hatte an der Materie kein Interesse mehr gezeigt. Auch der 1949 zurück engagierte technisch versierte Chemiker Huber setzte sein Augenmerk nicht mehr auf Grundlagenforschung, sondern konzentrierte sich darauf die Quellmehl-Erzeugung in Gang zu bringen.
Wirtschaftlich ernstzunehmende Mitbewerber waren zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Zwar war die Firma BOEHRINGER als Backhilfsmittel-Konkurrent bereits mit einigen Nebenprodukten in Erscheinung getreten so auch mit ROPAL als Mittel zur Verhinderung des Fadenziehens. Da dieses Mittel patentrechtlich geschützt war und das Fadenziehen damals für die österreichischen Bäcker ein großes Problem darstellte, konnte Boehringer mit diesem Produkt in den Bäckereien Fuß fassen. Hier gelang es im Gegenzug mit dem FADENSICHER ebenfalls ein österreichisches Patent zu bekommen, um dieser Konkurrenz Paroli zu bieten. Ein zaghafter Versuch der Firma KNORR mit dem Malz Mehl MAXIMALTIN streifte m Jahr 1951 schadlos vorüber. Kleine Störfaktoren in den Absatzmärkten machten sich weiterhin von Mal zu Mal breit: 1952 startete die HUBERTUS-Brauerei in Laa an der Thaya mit der Erzeugung von diastatischen Backmalzextrakten und belieferte Bäckereien in ihrem Umfeld. Österreichweit störte die kleine Malzfabrik SALVATOR-Malzkaffee GmbH Deri & Co mit dem Backmalzextrakt SALVOMALT den ungehinderten Diamalt-Verkauf. So beschloss man diese Marke und die Malzextrakt-Erzeugungsanlagen im Geschäftsjahr 1953/54 zu erwerben. Da man von den Anlagen der Malzerzeugung keine Konkurrenz erwartete, blieben sie vom Kauf ausgespart – was sich Jahre später noch bitter rächen sollte.
1953 war dann das Jahr, als Konkurrenten mit ihren Produkten völlig überraschten. Es waren die Firmen Boehringer und IGLAUER, die Zitronensäure haltige Teigsäuerungsmittel (ULMER BROTHILFE/Iglauer, BOEROL/Boehringer) und mit Lezithin angereicherte „trockene“ Weißgebäckbackmittel (MEISTERGRUSS/Iglauer) und MULTIN/Boehringer) auf den Markt brachten. Boehringer war in Österreich durch die Firma BENDER & Co, welche in erster Linie als Vertriebsfirma der Pharmazeutika von Boehringer bekannt war, vertreten. Die Firma Iglauer war eine Gründung des Chemikers gleichen Namens, der während der Kriegszeit in der Backmittelabteilung von Boehringer/Deutschland tätig war. Er war der Erfinder des oben erwähnten Patentes zum Verhindern des Fadenziehens gewesen. Dr. Iglauer war Österreicher und in seine Heimat Kärnten zurückgekehrt und Lizenznehmer der deutschen Firma ULMER SPATZ (EISELEN). Letztlich war die Gründung der Firma Iglauer auch die Geburtsstunde der später erfolgreich tätigen Backmittelfirma AUGENDOPPLER, denn Alois Augendoppler hatte sein Wirken als Verkaufsleiter dieses Unternehmens begonnen. In der STAMAG musste man erkennen, dass diese Unternehmen über ein Fachwissen verfügten, das selbst nicht vorhanden war. Man stand der Situation völlig hilflos gegenüber und war z. B. völlig überrascht, dass man mit Protosauer auch ein Weizenmischbrot erzeugen konnte. Weder hatte man ein gleichwertiges fachliches Know-how, noch Marketing und vor allem niemanden, der diese Gefahr erkannte bzw. die Situation entsprechend einzuschätzen wusste.
Zwei Faktoren sollten verhindern, dass die STAMAG damals vom Backmittel-Markt verdrängt wurde. Zum einen konnten die Lecithin haltigen Backmittel gegen Diamalt deshalb noch nicht entscheidend „punkten“, weil die zu dieser Zeit in Österreich üblichen Führungen für Weizenkleingebäck (indirekte Führungen = Dampfl, sowie lange Führungen mit Teigruhen von mindestens zwei Stunden) eine sehr große Teigstabilität bewirkten und sich daher die „Emulgator“-Wirkung des Lecithins kaum auswirkte. Als entscheidender Glücksfall sollte sich jedoch vor allem der Eintritt Dr. Karlmann Mautner Markhofs, am 1.8.1952, auswirken, der als Ablöse für den in Pension gehenden Verkaufsleiter ins Haus geholt worden war, und als einziger im Unternehmen die Probleme in ihrer vollen Tragweite erkannt hatte. Nach seiner Einarbeitungszeit bei Diamalt-München übernahm er die Leitung der Backmittelabteilung, die bis dahin ohne richtige Führung mehr oder weniger dahingedämmert hatte. Durch den Aufbau einer schlagkräftigen Vertriebsorganisation und mit intensiver Werbung konnte Karlmann damals den Backmittelabsatz nicht nur stützen, sondern sogar vergrößern. Mit DIAMALT SUPER kreierte man ein Produkt, das allen Konkurrenzprodukten weit überlegen war. Leider wurde wenig später der dafür verwendete Emulgator in den USA für Gebrauch in Lebensmitteln gesperrt. So musste man diesen Emulgator durch Lecithin ersetzen, wobei auch dabei keine Gefahr durch Konkurrenzprodukte drohte. Die Existenz der Backmittel-Abteilung war dadurch nicht nur weiterhin gesichert, sondern sie wurde 1956/57 sogar ausgebaut. Eine den Anforderungen entsprechende Versuchs-Backstube wurde eingerichtet und ein Fachlehrer als Backmeister engagiert. Unverzüglich konnte mit DIAGOLD ein „trockenes“ Mischbackmittel für Weizenteige auf den Markt gebracht werden. In weiterer Folge stimmte die Forschung über Enzyme und Emulgatoren jedoch auch nachdenklich. Wenn Emulgatoren und hochkonzentrierte Enzyme in Zukunft die entscheidende Rolle als Backmittel-Wirkstoffe spielen würden, dann ginge die bisherige Vormachtstellung des Malzes als wirksame Komponente zu Ende und dann würde auch die STAMAG auf den Kauf dieser „neuen“ Wirkstoffe angewiesen sein. Mit einer Verschärfung der Konkurrenz wäre zu rechnen, da jede Firma sich das gleiche fachliche Know-how erwerben könnte, was wiederum den Start für Quereinsteiger sehr erleichtern würde. Man fokussierte sich darauf dem insofern entgegenzuwirken, indem man beschloss, die Backmittel-Abteilung müsse einer drohenden stärkeren Konkurrenz durch eine Erweiterung entgegenwirken.
So kam es zur Gründung der HEINZEL-Nahrungsmittel GmbH. Die Idee dahinter war, zuerst mit für Österreich neuartigen Convenience-Produkten die Aufmerksamkeit des Marktes zu erregen und dann der Gastronomie und den Haushalten qualitativ hochwertige „Küchenprodukte“ anzubieten. Für den Einstieg wurden kuchenfertige Mehle, wie sie in den USA gebräuchlich waren, Puddingpulver (die später von OETKER kreierte FLANA Qualität), Fleischmürber und Eispulver entwickelt. Schon der Start hatte nicht unter einem glücklichen Stern gestanden. Es stellte sich heraus, dass die Marke „Heinzel“ schon für die INZERSDORFER NAHRUNGSMITTEL GmbH geschützt war. Die Marke wurde gekauft und dem Geschäftsführer dieser Firma, Herrn Petrusch, ein Sitz im Aufsichtsrat der Stadlauer Malzfabrik eingeräumt. Man kam unter Zeitdruck, weil es damals sehr schwierig war, eine Mühle zu finden, welche die für kuchenfertige Mehle notwendige Spezialqualität in den kleinen Mengen, die dafür gebraucht wurden, herstellen konnte und wollte. Dadurch war es nicht möglich bei der „Sichtigkeit“ der Kuchen an die damalige USA-Qualität herankommen. Man hoffte jedoch mit besseren Mehlen auch ein besseres Volumen zu erzielen. Die Markteinführung übernahm die DIE HAGER, die von Manfred II. Mautner Markhof geleitete Agentur und der Verkauf lief gut an. Verhältnismäßig schnell fanden die Kuchen-Mixe Eingang in die Gastronomie, verständlicherweise langsamer über den Einzelhandel in die Haushalte. Schwierigkeiten durch Reklamationen gab es praktisch keine. Rohstoffe, Maschinen, Verpackung und Werbematerialien für die kommenden Produkte waren schon im Haus, als plötzlich von der Muttergesellschaft das Aus für Heinzel angeordnet wurde. Als Grund nannte man die hohen Verluste, die entstanden waren. In den Akten fand sich zum Abschluss 31.8.1956 ein Verlust von öS 1,673.372,63, doch in der Belegschaft und seitens Karlmann Mautner Markhofs auch Unverständnis darüber, weshalb man erwartet hatte die Anlaufkosten und die kostspielige Vertriebsorganisation schon mit den Erlösen des allerersten Produktes decken zu können.
Von diesen Problemen unberührt ging in der Backmittelabteilung der Abwehrkampf gegen die immer stärker in Erscheinung tretende Konkurrenz weiter, aber doch unter besser gewordenen Voraussetzungen. Karlmann hatte mit großem persönlichen Engagement eine einsatzfreudige, wirkungsvolle Vertriebsorganisation aufgebaut und auch das Fachwissen war inzwischen auf dem letzten Stand der Technik. Der Konkurrenz war es nicht gelungen, einen durchschlagenden Einbruch in den österreichischen (Weißgebäck-)Markt zu erzielen, das Absatzniveau konnte noch viele Jahre gehalten werden. Zwei Faktoren sicherten die Stellung als „Platzhirsch“: Die bessere Qualität der Produkte und der Kundenservice. Die bessere Produktqualität resultierte daraus, dass zu Beginn jeder neuen Weizenernte die zu erwartende Mehlqualität eingehend recherchiert und die Rezeptur der Produkte darauf eingestellt wurde, während die Konkurrenz mit einer Einheitsrezeptur den damals meist schwankenden Merkmalen des Rohstoffes nicht immer so gut entsprach. Die Vorteile des Kundenservice dagegen kamen auf dem (Roggen-)Brot-Sektor zum Tragen, als es in den 1950er Jahren öfters zu Auswuchsschäden beim Roggen kam. Nach Einsendung eines Mehlmusters und Bekanntgabe der Teigführung bekam der Bäcker genaue Anweisungen, wie er sein Mehl am besten verarbeiten könnte.
1962 erhielt Karlmann von der HUBERTUS BRAUEREI die Zusicherung, dass diese sich bis auf wenige Ausnahmen vom Backmalzextrakt-Verkauf zurückziehen würde. Ein Überblick über die wichtigsten Produkte, die in der Zeit bis 1967 entwickelt wurden: Eispulver wurde in 2 verschiedenen Varianten (Softeis-/Spateleis-Maschinen), in verschiedenen Geschmacksrichtungen fortgesetzt und das Produkt KALTGELEE stand am Anfang der Erzeugungspalette. Mitte der 60er Jahre wurde mit der Erzeugung von Glasur- und Tunkmassen begonnen. Die Erzeugung von Backpulver und Vanillinzucker ergab sich dann durch die enger gewordenen Geschäftsverbindungen mit Konditoren von selbst.
Inzwischen wechselten mehr und mehr Bäcker vom Backmalzextrakt Diamalt zum Trockenprodukt Diagold, was zur Folge hatte, dass es ihnen von da an leichter gefallen war weiter zu einem Trockenprodukt der Konkurrenz zu wechseln. Ab diesem Zeitpunkt war die STAMAG in ungewohnt schwierige Konkurrenzkämpfe verwickelt, was sich auf den Absatz noch nicht gravierend ausgewirkt hatte. Gute Geschäfte brachten im Laufe der Jahre das 1964 auf den Markt gebrachte „Trennmittel“ (für auf Blechen gebackene Produkte) CARLO der holländischen Firma ZEELANDIA.
Der heimische Braumalz-Markt hatte sich für die STAMAG inzwischen zunehmend verschlechtert. Wie erwähnt war beim Kauf der Salvator-Extraktanlage entschieden worden, dass die kleine Malzfabrik uninteressant wäre, da sie ja niemals echte Konkurrenz bedeuten würde. Doch diese Malzfabrik verkaufte bei Vollauslastung so gut, dass ihr Besitzer in der Lage war, an einem weiteren Standort eine neue und nach System LAUSMANN moderner, als die der STAMAG. Im Konzern hingegen wurden die Ressourcen nicht gebündelt. Während die Malzfabrik in Stadlau nur in kleinen Schritten modernisiert wurde, baute man gleichzeitig in Schwechat eine neue. Auch wurde in Simmering das MAUTNER FERMENT entwickelt, quasi ein Konkurrenzprodukt zu Backmitteln.
1968/69 traten in Österreich erstmals Backmittel mit einem synthetisierten Emulgator (ein Diazetyl-Weinsäure-Ester von Fettsäure-Glyceriden) in Erscheinung. Die STAMAG führte ihr Emulgator-Backmittel GIGANT problemlos ein. Die Absatzzahlen der Weißgebäck-Backmittel konnten nach wie vor eingehalten werden, durch den Preisdruck der Konkurrenz allerdings nur mit erheblichen Ertragseinbußen. Der Verkauf von Konditormitteln war ein großer Erfolg und die hohen Absätze an Eispulver, Glasur- und Tunkmassen machten eine räumliche Erweiterung notwendig. Für Tunkmassen wurde eine Erzeugungslinie von der rohen Bohne weg bis einschließlich der Röstung implementiert. 1972/73 wurden die ersten 53 t Maronenpüree verkauft.
Anfang der 1970iger Jahre kam es seitens der Führung des Unternehmens zu einer intensiven „Besuchsdiplomatie“ mit der Firma IREKS-ARKADY, was schließlich im Verkauf der Aktienmajorität an diese endete.
Der Verkauf der Stadlauer Malzfabrik
aufgearbeitet von Viktor Mautner Markhof
Der sogenannte Viererzug, der sich aus je zwei Vertretern der Linien Theodor I. und Georg II. zusammensetzte, bestimmte seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts das Geschäft und besetzte im Übereinkommen die obersten Führungspositionen der Familienunternehmen in Schwechat, Stadlau und Simmering. Es waren dies Gerhard und Manfred I. sowie Georg III. und Gustav I..
Bei der Stadlauer Malzfabrik, die 1938 erworben wurde, hatten zunächst die Nachfahren aus der Linie Theodor, nämlich Gerhard als Vorsitzender des Vorstandes und Manfred I. als Vorsitzender des Aufsichtsrates die Führungsrollen inne. Andere Familienmitglieder bekleideten zudem einfache Aufsichtsratsfunktionen. Zu Beginn des Jahres 1966 wurde ein Familienübereinkommen unterzeichnet, um insbesondere im operativen Geschäft den Übergang der älteren auf die jüngere Generation einzuleiten. Daraus ergab sich, dass Mitte 1966 für kurze Zeit Gustav I., ab 1968 jedoch Heinrich zum Vorstandsvorsitzenden der STAMAG bestellt wurde und zusätzlich Karlmann in den Vorstand einzog. Gerhard löste Manfred I. als Vorsitzender des Aufsichtsrates ab, wobei nach seinem Ausscheiden Georg III., dann Gustav I. und schließlich Gustav II. in dieser Funktion nachfolgen sollten. Ähnliche Regelungen gab es auch für Schwechat und die Betriebe in Simmering. Anfang 1970, zu einem Zeitpunkt als noch alle alten Mitglieder des Viererzuges am Leben waren, begann Georg III. einen Vorschlag zu einem neuen Familienübereinkommen auszuarbeiten. Darin sollten für die Zukunft die Vorsitz- und Stellvertreterfunktionen in den Vorständen und Aufsichtsräten der einzelnen Firmen für Heinrich, Manfred II., Gustav II. und Georg IV. festgelegt werden. Andere männliche Familienmitglieder wurden erst gar nicht in Betracht gezogen. Unglücklicherweise verstarben Gustav I. im Oktober 1970 und Gerhard im März 1971. Somit waren innerhalb weniger Monate zwei Mitglieder des „alten“ Viererzugs nicht mehr am Leben und der Einfluss der beiden noch lebenden Senioren auf alle wichtigen Entscheidungen umso größer.
Was die STAMAG betraf, so übernahm Georg III. – wie 1966 vereinbart – den Vorsitz des Aufsichtsrates. Heinrich als Vorstandsvorsitzender und Karlmann als Vorstandsmitglied behielten ihre Funktionen.
In der Hauptsparte Malz beherrschte die STAMAG Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre den österreichischen Markt, in der Produktsparte Backhilfs- und Konditoreimittel, die von Karlmann geleitet wurde, kam sie inzwischen auf einen stolzen Marktanteil von rund 50 %. Zum Umsatz des Unternehmens von 160 bis 180 Millionen Schilling trug die Malzsparte etwa 58 %, die Backhilfs- und Konditoreimittel die restlichen 42 % bei, wobei ergebnismäßig jedoch die Malzsparte im Vordergrund stand, da sie rund zwei Drittel des Gesamtergebnisses erwirtschaftete. Der Reingewinn erreichte ohne Auflösung von Rücklagen jährlich knapp zwei Millionen Schilling, teilweise trotz stark erhöhter vorzeitiger Abschreibungen, vor allem in der Produktsparte Backhilfs- und Konditoreimittel. Bilanz- und liquiditätsmäßig stand das Unternehmen jedenfalls laut Einschätzung von Georg III. „sehr gut bis ausgezeichnet“ da.
Dennoch begann Georg III. bereits kurz nach Übernahme des Vorsitzes im Aufsichtsrat Überlegungen anzustellen, die den Verkauf der Sparte Backhilfs- und Konditoreimittel zum Ziel hatte. Er begründete dies mit dem Eindringen großer deutscher Konzerne auf den österreichischen Markt, unter anderem der Firma Ireks-Arkady. Für die Malzsparte sah er eine Fusion mit Schwechat oder ebenfalls einen Verkauf vor. Es bereiteten ihm die vergleichsweise geringe Größe der STAMAG gegenüber den deutschen Konkurrenten und die damit verbundenen Kostennachteile sowie der mögliche Ersatz von Malz durch Enzyme Sorgen.
Verständlicherweise war Heinrich nicht nur als direkt Betroffener, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht, von der Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht überzeugt. Selbst andere Familienmitglieder, wie Georg IV., Manfred II. oder Marius zeigten sich irritiert. Karlmann hingegen, der die Entwicklung von Backhilfs- und Konditoreimittel mit großem Potential einschätzte und die Möglichkeit nicht ausschloss, in einer gemeinsamen neuen Organisation die Geschäfte seiner Sparte weiterzuführen, stand dem Ansinnen positiv gegenüber. Wenig überraschend kam es in Folge zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie.
Aus neutraler Sicht waren die von Georg III. skizzierten Herausforderungen zwar nicht von der Hand zu weisen, sie hätten jedoch mit entsprechenden Investitionen und einem Zusammenführen der Aktivitäten mit jenen in Schwechat und Simmering durchaus bewältigt werden können.
Nun befanden sich aber auch Schwechat und Simmering in der Situation, für das zukünftige Überleben entweder selbst investieren oder einen Partner finden zu müssen, um gegenüber der österreichischen, aber auch der europäischen Konkurrenz mittel- bis langfristig gerüstet zu sein. Erste Schritte waren bereits unternommen worden, jedoch ohne Erfolg. In Schwechat waren 1969 Fusionsverhandlungen mit der Brau AG – unter anderem wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Führung eines gemeinsamen Unternehmens sowie Vorbehalte seitens der Creditanstalt – abgebrochen worden und darauffolgende Gespräche mit den steirischen Brauereien ebenfalls gescheitert. Zudem war in Schwechat die Familie Mautner Markhof auf die Mitwirkung anderer Aktionäre, unter anderem auch der Creditanstalt angewiesen. Bei der Hefesparte in Simmering gelang bis auf die Fusion mit Wolfrum 1971 ebenfalls keine große österreichische Lösung.
Noch 1971 wurden durch Georg III. Verhandlungen mit der deutschen Firma Ireks-Arkady aufgenommen, die sich entsprechend interessiert zeigte, da sie ohnedies auf den österreichischen Markt drängte. Ende Dezember 1971 skizzierte er in einer Notiz den Plan, die STAMAG mit der Brauerei Schwechat AG zu fusionieren und dann die Sparte Backhilfs- und Konditoreimittel an Ireks-Arkady zu verkaufen, wobei ein Verkaufspreis von 35 Millionen Schilling in Betracht gezogen wurde.
Soweit so gut. Dennoch stellte sich die Frage wie sinnvoll es war, eine Sparte, in der man nach jahrelangen Bemühungen endlich einen Marktanteil von 50 % erreicht hatte und die – wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend rentabel – durchaus ausbaufähig erschien, zu verkaufen und zugleich im Schwesterbetrieb in Simmering eine ähnliche Sparte, quasi wie ein Konkurrenzunternehmen, weiter zu betreiben. Aus Sicht der Simmeringer Betriebe stellte daher Georg IV. Überlegungen an, die Sparte Backhilfs- und Konditoreimittel zu denselben Bedingungen wie Ireks-Arkady zu kaufen und in Simmering zu integrieren. Sie wurden jedoch von ihm nicht weiterverfolgt, die Senioren hätten es abgelehnt – sehr zu seinem Bedauern, wie er Jahre später feststellen sollte.
Ende 1971 betrug das Aktienkapital der STAMAG 18 Mio. Schilling. 30 % davon wurden von der Brauerei Schwechat AG, 21 % von Michael MM und 20 % von den Vereinigten Hefefabriken Mautner Markhof und Wolfrum gehalten. Die restlichen 29 % befanden sich in Streubesitz. Der Kurswert lag bei etwa 250 % der Nominale, also etwa 45 Millionen Schilling.
Die Verhandlungen mit Ireks-Arkady für den Verkauf der Sparte Backhilfs- und Konditoreimittel zogen sich im Verlauf des Jahres 1972 über Monate hin und als sie so gut wie abgeschlossen waren, stellte ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer im Oktober fest, dass der Verkaufserlös von 35 Millionen Schilling durch abzuführende Steuern in Höhe von etwa zehn Millionen Schilling, also um rund 30 %, geschmälert würde. Dies war inakzeptabel. Es musste daher die Verkaufsstrategie geändert und ein anderer Vorschlag erarbeitet werden. Georg III. bot schließlich Mitte November der Firma Ireks-Arkady den Verkauf von ca. 75 % des Aktienkapitals der STAMAG zu einem Kurs von 300 % an. Dies entsprach etwa 40,5 Millionen Schilling.
In Anbetracht des aktuellen Aktienkurses von rund 250 %, erschien dies als gutes Geschäft, obwohl ein höherer Kurs durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Schätzungen, nach denen der innere Wert des Unternehmens gut 500 – 550 % erreichte, wurden offenbar ignoriert. Allein der zwölf Hektar große Grundbesitz in Stadlau belief sich auf einen Wert von 50 – 60 Millionen Schilling, der jährliche zu erwartende Cash-Flow auf 8 – 10 Millionen Schilling und der jährliche Ertragswert auf etwa 5 Millionen Schilling. Zusammengenommen lag dies weit über den angebotenen 300 % und hätte einen Kurs von 500 % gerechtfertigt. Selbst bei einer Fusion der einzelnen Sparten mit Schwechat und Simmering hätte man durch Rationalisierungsmaßnahmen und aus dem Verkauf des Stadlauer Areals zusätzlich einen beachtlichen Gewinn erzielen können.
Aber die Junioren in der Familie waren offenbar weder in der Lage, die Senioren – allen voran Georg III. – von ihrem Vorhaben abzubringen oder einen höheren Verkaufspreis zu verlangen. Sofern keine anderen wirtschaftlichen oder steuerlichen Aspekte, persönliche Gründe oder vielleicht mangelndes Vertrauen in die jüngere Generation den Ausschlag gaben, lag wohl eine Fehleinschätzung der Lage und vor allem der Potentiale vor. Vielleicht fehlte der alten Generation auch die Kraft, um den Mut, den sie selbst vor und nach dem Krieg mehr als nur einmal bewiesen hatte, nunmehr auf die jüngere Generation zu übertragen, um sich den Herausforderungen zu stellen und dem Verkauf entgegenzustellen.
Die Ireks-Arkady-Verhandlungspartner entgegneten auf das neue Angebot Anfang Dezember, dass sie an einer Übernahme des Malzgeschäftes eigentlich nicht interessiert seien, da sie die Zukunft dieser Sparte bei einer Aufhebung der noch existierenden Schutzzölle als sehr ungünstig beurteilten. Eine äußerst geschickte Argumentation, zumal sie über den hohen Wert der Stadlauer Liegenschaft, den positiven Ertragswert der Malzsparte und den zu erwartenden Cash-Flow sehr genau Bescheid wussten. Das Angebot von 300 % wurde auch nicht in Frage gestellt, was Hinweis genug auf die zu geringe Bewertung hätte sein müssen. Selbst eine Schließung der Mälzerei durch Ireks-Arkady, mit oder ohne Übernahme der Mengen in ihren eigenen Betrieb, der zudem noch freie Kapazitäten aufwies, hätte sich nicht nachteilig ausgewirkt. Die Übernahme des Backhilfs- und Konditoreimittelbereiches mit einem 50 %-igen Marktanteil in Österreich, der ursprünglich der Ausgangspunkt aller Verhandlungen war, schien plötzlich nur noch Nebensache zu sein. Ireks-Arkady ging nämlich aufgrund der bisherigen Verhandlungen und Zusagen davon aus, die Back- und Konditoreimittelsparte ohnehin bereits erworben zu haben, selbst wenn es noch keinen formalen Verkaufsabschluss gab.
Aufgrund einer bisher nicht berücksichtigten Übertragung von Rückstellungen im Zuge eines Verkaufes wurde festgestellt, dass der effektive Kaufkurs nicht 300 %, sondern bei 324 % lag. Ireks-Arkady gab plötzlich vor, seinen Aktionären nur einen Kurs von 300 % zumuten zu können. Außerdem forderten sie das rasche Ausscheiden Heinrichs und Karlmanns aus dem Vorstand, wobei Georg III. in die Verhandlungen eine mögliche Weiterbeschäftigung für seinen Bruder Karlmann einbrachte. Georg III. selbst sollte jedenfalls seine Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender bis zum Abschluss der Transaktion weiter ausüben.
Heinrich fühlte sich im Zuge der Verhandlungen von Georg III. nicht nur unzureichend eingebunden, sondern er wurde auch vor vollendete sowie für ihn nachteilige Tatsachen gestellt, obwohl ihm vom Viererzug versichert worden war, keine finanziellen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Er äußerte daher noch im Dezember 1972 in einem offiziellen Schreiben seinen Unmut und sah sich gezwungen, mit Hilfe eines Anwalts seine Ansprüche aus den bestehenden Verträgen einzufordern.
Am 3. Februar 1973 unterzeichnete Georg III. in München einen Vertrag mit einem Anbot zum Kurs von 300 %, der den Verkauf der STAMAG besiegelte (es war nur noch die Genehmigung der Nationalbank ausständig), und eine Zusatzvereinbarung, die die Personalia regelte. In Letzterer wurde festgehalten, dass Heinrich und Karlmann aus dem Vorstand einvernehmlich per Ende Mai ausscheiden sollten. Außerdem wurde zugesagt in der nächsten Hauptversammlung im März zwei Vertreter von Ireks-Arkady in den Aufsichtsrat zu wählen.
Ende Februar erhielt Heinrich zumindest eine Zusicherung nach dem Ausscheiden aus der STAMAG als Geschäftsführer in eine Tochtergesellschaft der Brauerei Schwechat eintreten zu dürfen.
Am 5. März 1973 fand die Hauptversammlung statt, in der die beiden Vertreter von Ireks-Arkady in den Aufsichtsrat gewählt werden sollten. Es kam zum Eklat als Heinrichs Bruder Marius, der für sich selbst und Heinrich die Aktionärsrechte für deren kleine Aktienpakete wahrnahm, die Zustimmung zu dieser Wahl verweigerte und zwar mit dem Hinweis, dass er die Anfang Februar unterzeichnete Zusatzvereinbarung, die diese Wahl vorsah, nicht anerkannte. Als Gründe gab er an, dass einerseits die Zusagen von Georg III. hinsichtlich der Entschädigungen für Heinrichs Ausscheiden aus dem Vorstand bisher nicht eingelöst waren und andererseits Marius über die Anfang Februar unterzeichneten Dokumente von Georg III. überhaupt nicht informiert worden war. Seine Weigerung blieb für den Wahlausgang zwar unerheblich, dennoch erregte sie die Gemüter. Georg III. sah die noch ausstehende Genehmigung der Nationalbank in Gefahr. Er drohte daher Heinrich mit der sofortigen Abberufung aus seiner Vorstandsfunktion sowie Marius mit Schadenersatzforderungen, sollten sie nicht umgehend eine Erklärung abgeben den Vertrag und die Zusatzvereinbarung vom 3. Februar anzuerkennen.
Die Stimmung zwischen Georg III. und seinen Neffen war auf einem Tiefpunkt angelangt. Die Korrespondenz lief über den Anwalt und direkte schriftliche Anreden erfolgten vorübergehend nur noch in der dritten Person. Dennoch stimmten sowohl Heinrich wie auch Marius Anfang April den Vereinbarungen vom 3. Februar zu. Georg III. versuchte kurz danach in einem Versöhnungsschreiben die Wogen zu glätten, was aber am bereits schwer gestörten Familienverständnis nichts änderte.
Ende April erteilte die Nationalbank ihre Bewilligung. Ende Mai schieden Heinrich und Karlmann aus dem Vorstand aus. Heinrich wechselte nach Schwechat und Karlmann nach Simmering. Das neue Familienübereinkommen, an dem Georg III. noch 1971 gearbeitet hatte, kam nie zustande.
Georg III. hatte sein Ziel, die STAMAG – aus welchen Gründen auch immer – zu verkaufen zwar erreicht, aber den nachfolgenden Generationen aller Linien der Familie damit einen eher fragwürdigen Dienst erwiesen. Leider gaben die von den Verkaufsgegnern prognostizierten Erfolge der STAMAG denen, die sich dagegen ausgesprochen hatten, bereits in den Folgejahren schmerzlich recht.