Die Brauerei St. Marx war eine der ältesten Wiens, bereits 1537 wurde an diesem Ort in einem Siechenhaus gebraut. Die Kapelle dieses Siechenhauses war dem Heiligen Markus geweiht, was später auch dem ganzen Stadtteil den Namen gab. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die Brauerei immer wieder an verschiedene, zumeist erfolglose Brauer verpachtet.
Als Adolf Ignaz Mautner 1840 mit der Pachtübernahme des Bürgerspital-Brauhauses in St. Marx begann, war dessen Ruf dermaßen heruntergekommen, dass Wirte nur dann bereit waren in Geschäftsbeziehung zu treten, wenn „die Bierfässer zur Nachtzeit eingelagert würden, damit es die Kundschaft nicht erfahre, dass man ihnen St. Marxer Bier vorsetze“. Umso höher ist der darauffolgende einzigartige und unvergleichliche unternehmerische Erfolg zu bewerten.
Zeitgleich mit Anton Dreher (Schwechat) begann Adolf Ignaz ausschließlich untergäriges Bier herzustellen, sogenanntes Abzugsbier (Stammwürzgehalt von 9 bis 10 %), das von den Gärbottichen direkt in die Lagerfässer gepumpt wurde, wo es in Ruhe ausreifen und hefefrei ausgeschenkt werden konnte. Dies verschaffte ihm große Absatzmengen, u. a. im Wiener Prater, wo bis dahin während der Sommermonate kein kühles Bier verkauft werden konnte. Er ersparte den Wirten durch sein Abzugsbier nicht nur das problematische Nachreifen in ihren Kellern, sondern machte auch die Entdeckung, dass die Meinung, dass „jedes Bier durch starke Kälteschwankungen Schaden leiden müsse“ vollkommen irrig war. Zunächst gelang es ihm das Bier bis in den Mai hinein haltbar zu machen, indem er Eis zu den Fässern legen ließ. Ab 1843, durch die Konstruktion des „Normal-Bierlagerkeller System Mautner“ (eigens mit Schlangenrohren und Eisschwimmern konstruierte Wasser- u. Eiskühlvorrichtungen sorgten auch in den warmen Jahreszeiten für gleichbleibende Temperaturen), konnte er dann auch den ganzen Sommer hindurch hochwertiges untergäriges Abzugsbier liefern. So konnte die Produktion von 36.000 Hektolitern im Anfangsjahr 1840 bis zum Jahr 1875 versiebenfacht werden. Zahlreiche Zubauten und der Einsatz von Dampfkraft (Dampfmaschinen zum Wasserschöpfen, Malzputzen u. -schroten) waren dafür notwendig. 130.000 Gulden Kapital mussten in den 1850iger Jahren für diese Investitionen aufgebracht werden. Als Adolf Ignaz 1857 vom Bürgerspital 80.000 Gulden Zuschuss erfragte, verkaufte man ihm stattdessen lieber die Brauerei „samt der Braugerechtigkeit, das Wirtshaus mit der Schankgerechtigkeit, das Backhaus mit der Backgerechtigkeit, die Schmiede, das Versorgungshaus, sowie die Gärten und Äcker“.
Nach dem Kauf der Brauerei wurde das St. Marxer Gelände vollständig umgebaut. Auf den alten Spitalsgärten baute man Stallungen sowie Zimmermanns- und Tischlerwerkstätten. Um Platz zu gewinnen wurden mehrere Häuser (z. B. die alte Schmiede) niedergerissen, alle Bäume wurden gefällt, nur eine alte Akazie mitten im Hof blieb bestehen. Anstelle der ehrwürdigen, aber längst entweihten Kapelle des heiligen Markus, die jedoch einige Jahre später fast baugleich auf dem Gelände des Kinderspitals wiederaufgebaut wurde und noch immer als Elisabeth Kapelle in der Nähe der U3-Station Schlachthausgasse steht, wurde ein neues Verwaltungsgebäude errichtet. Bereits 1860 führte er die drittgrößte Brauerei am europäischen Kontinent.
All dies war leistbar, da gemeinsam mit den Brüdern Reininghaus eine innovative Produktionsmethode für Presshefe geglückt war, mit der Adolf Ignaz 1850 1.000 Gulden und die große goldene Medaille der Bäckerinnung gewann. Dadurch eröffnete sich ein weiterer lukrativer Industriezweig, für den eigens Fabriken in Simmering und Floridsdorf gebaut wurden. So konnte auf der Weltausstellung 1873 in einem imposanten Pavillon eine breite Produktpalette präsentiert werden, die sich längst nicht nur ausschließlich auf Bier und Hefe beschränkte.
Als sich Adolf Ignaz 1875 für immer ins Privatleben zurückzog, folgte ihm sein ältester Sohn Carl Ferdinand als neuer St. Marxer Brauherr nach. Durch die Konkurrenz Drehers und das, im Gegensatz zu dessen Lagerbier, wesentlich preiswertere Abzugsbier, war er förmlich gezwungen die Produktion laufend zu steigern. Von den Arbeitern gern getrunken, betrug der Marktanteil bald 75 Prozent. Das St. Marxer Bier wurde mittels eigens konstruierter Eiswaggons auch nach Deutschland, die Schweiz, Italien, Rumänien und in die Türkei exportiert.
Mitte der 1890iger Jahre wurden bereits 540.690 Hektoliter gebraut und 60 Beamte sowie 1000 Arbeiter beschäftigt. Im Gegensatz zu Dreher, in dessen Betrieb häufige Streiks, Aussperrungen von Arbeitnehmervertretern und harte Arbeitskämpfe auf der Tagesordnung standen, durfte in St. Marx kein Beamter oder Arbeiter ohne besonderes eigenes Verschulden entlassen werden. Es gehörte zu den für damalige Zeiten ungeheuer fortschrittlichen Grundsätzen, dass Arbeitskräfte nicht als Lohnsklaven gesehen wurden, sondern dass man bestrebt war, aus ihnen engagierte Mitarbeiter zu machen, die sich dem Unternehmen verbunden fühlten. Der Lohn wurde mit der Anzahl der Dienstjahre gesteigert und am Ende eines Geschäftsjahres wurden Remunerationen – je nach Tüchtigkeit, guter Führung und Verdienst – verteilt. Umfangreiche Sozialleistungen wie z. B. moderne Badeanlagen oder fast unentgeltliche Arbeiterwohnungen (inkl. Beheizung, Beleuchtung u. Wäsche) am Betriebsgelände zeugten von Fürsorge und Wertschätzung. Neben dem Freitrunk sorgte man auch in einer Kantine, mit fast kostenlosen Speisen und Getränken in guter Qualität, für das leibliche Wohl derjenigen, die ebenso maßgeblich am gesamten Erfolg beteiligt waren.
Nach Carl Ferdinands plötzlichem Ableben musste 1896 sein einziger Sohn die Führung des mittlerweile zur drittgrößten Brauerei Europas herangewachsenen Unternehmens übernehmen. Der 1865 geborene Victor gehörte zu den angesehensten Bürgern Wiens. Als Mitglied der vornehmen Wiener Gesellschaft bekam er etliche Orden und Auszeichnungen vom Kaiser und war einige Jahre Präsident des Brauherrenverbandes für Wien und Umgebung. Er war wie alle Industriellen seiner Zeit eine der führenden Persönlichkeiten beim Pferdesport, gern gesehenes Mitglied des exklusiven Jockeyclubs und gewann mit seinen Pferden auch einmal das bedeutende Wiener Traber Derby. Trotz des enormen wirtschaftlichen Erfolges des Unternehmens hatte sich Victor auch großen finanziellen Herausforderungen zu stellen. Nicht nur, dass sein Lebensstil kostspielig und seine vielen karitativen Tätigkeiten großzügig bemessen waren, so musste auch das Erbe an seine neun Schwestern ausbezahlt werden.
So kam es – wirtschaftlich gesehen nachvollziehbar – 1913 zur Fusion mit der Anton-Dreher-Aktiengesellschaft, in die die Simmeringer Brauerei der Familie Meichl (Theodor Meichl war der Schwiegervater von Carl Anton Dreher) ebenfalls miteinbezogen wurde. Victor war danach Vizepräsident der neu entstandenen Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering – Dreher, Mautner, Meichl A.G..
St. Marx jedoch sollte in weiterer Folge keine Rolle mehr spielen. 1916, drei Jahre vor Victors Tod, wurde der Betrieb aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen eingestellt und die Brauerei für immer geschlossen. Die Fabrikanlage wurde 1945 durch Bomben so schwer beschädigt, dass sie komplett abgerissen werden musste. Heute befindet sich dort eine Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, der 1956 fertiggestellte „Madersbergerhof“. Die weitläufigen Lager- und Eiskeller jedoch, die während des Zweiten Weltkriegs unter dem Decknamen „Maria“ der Rüstungsproduktion dienten, sind nach wie vor unter der sogenannten Stadtwildnis erhalten.